Laryngorhinootologie 2002; 81(9): 659-660
DOI: 10.1055/s-2002-34453
Aktuelle Habilitation
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Untersuchungen zum Entzündungsgeschehen in Nasenpolypen

Examinations on Inflammations in Polyposis NasiC.  Rudack1
  • 1Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen-Ohrenkrankheiten, Münster
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Publication Date:
01 October 2002 (online)

Etwa 4 % der Bevölkerung leiden an einer Polyposis nasi, deren Ätiologie und Pathogenese nach wie vor weitgehend unbekannt sind. Klinisch ist die Polyposis nasi bis zu 25 % mit einer Acetylsalicylsäureintoleranz, bis zu 40 % mit einem intrinsischen Asthma und bis zu 8 % mit der zystischen Fibrose assoziiert. Etwa 80 - 90 % der diffusen Polyposis nasi sind durch einen eosinophilen Entzündungstyp gekennzeichnet, während 10 - 20 % einen neutrophilen Entzündungstyp aufweisen, deren Ursache nach wie vor unbekannt ist.

Eigene Ergebnisse zur Entstehung der Eosinophilie in Nasenpolypen haben gezeigt, dass der eosinophile Granulozyt über einen besonderen Stoffwechsel bzw. einer Induktion einer verzögerten Apoptose (programmierter Zelltod) durch Aktivierung und Sekretion des für den eosinophilen Granulozyten überlebenswichtigen Zytokin, dem IL-5 in Nasenpolypengewebe verfügt. Proteine, die den Einstrom Eosinophiler in Nasenpolypen unterstützen, wie die Chemokine RANTES (released upon activation T-cell secreted) und Eotaxin werden offensichtlich von Epithelzellen, T-Lymphozyten und Fibroblasten synthetisiert. Diese Ergebnisse werden durch Untersuchungen gestützt, die sowohl das Epithel als auch das Stroma in Nasenpolypen als aktiviert kennzeichnen.

Ein weiteres Ziel eigener Untersuchungen war, neutrophilen-chemotaktische Peptide aus den Extrakten von eosinophilen Nasenpolypen zu charakterisieren und die nasalen Quellen für deren Produktion zu untersuchen. Dazu wurden Nasenpolypen nach einem dafür entwickelten Verfahren zu Rohextrakten verarbeitet und anschließend mit Hilfe des Boydenkammer-Verfahrens hinsichtlich der neutrophilen-chemotaktischen Aktivität überprüft. Hiermit gelang der Nachweis neutrophilen-chemotaktischer Aktivität, die nach Auftrennung der Rohextrakte an einer Heparinaffinitätssäule den heparinbindenden Fraktionen zugeordnet werden konnte. Um die Neutrophilen-Chemotaxine biochemisch zu charakterisieren, wurden die biologische Aktivität enthaltenden heparinbindenden Fraktionen durch präparative Umkehrphasen-Hochleistungsflüssigkeits-Chromatographie (RP-8-HPLC) mit anschließender Mikro-Kationenaustausch-HPLC weiter aufgetrennt. Neutrophilen-chemotaktische Aktivität konnte nach jeder chromatographischen Aufteilung jeweils in nur einem einzelnen Aktivitätsgipfel nachgewiesen werden. Diese Fraktionen wurden mit Hilfe eines NAP-2-spezifischen ELISA identifiziert. NAP-2 (Neutrophilen aktivierendes Protein) stellt ein durch aktivierte Thrombozyten synthetisiertes Chemokin dar, das aus inaktiven Vorläuferproteinen durch Abspaltung einer Aminosäurensequenz unter Einfluss von Serinproteasen gebildet wird. Da bisher keine Daten zum Migrationsverhalten von aktivierten Thrombozyten in entzündetes Gewebe vorliegen und auch histopathologisch der Nachweis infiltrierender Thrombozyten nicht möglich ist, scheint die Rekrutierung der Neutrophilen intravaskulär oder perivaskulär lokalisiert zu sein und möglicherweise eine Ursache für die Entstehung der Eosinophilie darzustellen. Mit den Ergebnissen dieser Untersuchungen konnte erstmals die biologische Aktivität von NAP-2 als wesentlicher neutrophilen-chemotaktischer Faktor in Nasenpolypen identifiziert werden.

Um zu überprüfen, ob andere neutrophilen-chemotaktische Proteine wie Interleukin (IL)-8, ENA78 (epithelial derived neutrophil activating protein), GCP-2 (Granulocyte chemotactic protein) und GRO-α (Growth related oncogene-α) eine Rolle in Nasenpolypen spielen, wurde die Genexpression der genannten Chemokine mittels einer RT-PCR in Nasenpolypengewebe untersucht. Hierbei zeigten sich zwar Gentranskripte der verschiedenen Chemokine, die aber vergleichsweise zu GA3PDH nicht erhöht waren. In vitro stimulierte nasale Fibroblasten exprimierten zeitabhängig sowohl IL-8, GCP-2 und GRO-α-mRNA als auch Protein der entsprechenden Chemokine. In Zellkulturüberständen der Fibroblasten wurde mittels einer Dreischritt-HPLC-Aufreinigung die biologische Aktivität von IL-8 belegt. Bei den nasalen Epithelzellen zeigten sich ähnliche Ergebnisse, wobei die Quantität der Chemokinsynthese deutlich geringer ausgeprägt war als bei Fibroblasten. Biologisch-chemotaktisch aktiv zeigte sich hier GRO-α.

Die klinische Anwendung von Glukokortikosteroiden bei der Behandlung der chronisch-polypösen Sinusitis gilt als etablierte Therapieform. Hiermit werden Erfolge bei der Remission von Polypen und bei der postoperativen Rezidivprophylaxe beschrieben, obwohl der Wirkmechanismus bis vor einigen Jahren nicht bekannt war und bis dato im Detail noch nicht geklärt ist. So wissen wir z. B. heute, dass Glukokortikosteroide ihre antiinflammatorische Wirkung vornehmlich über eine Hemmung der Zytokin- und Chemokinsynthese entfalten.

In eigenen Untersuchungen konnte anhand eines Schleimhaut-Modells zur Polyposis nasi gezeigt werden, dass die Vitalität eosinophiler Granulozyten eher durch eine kortikosteroidbedingte Hemmung der eosinophilen-assoziierten Zytokine IL-5 und IL-3, als durch direkte Kortikosteroid-Wirkung auf die Eosinophilen bewirkt wird. Auch die Expression von Adhäsionsmolekülen, die für die Rekrutierung von Entzündungszellen notwendig sind, wird durch Kortikosteroide gehemmt.

Grundlagenwissenschaftliche Erkenntnisse haben in den letzten Jahren zu einem besseren Verständnis klinischer Krankheitsentitäten geführt. Es ist anzunehmen, dass diese Entwicklung rasch fortschreiten und unser Wissen von physiologischen und pathophysiologischen Vorgängen an der respiratorischen Schleimhaut ständig erweitert wird. Die neuen Erkenntnisse haben einerseits zur Aufklärung von Wirkprinzipien bereits etablierter Therapieformen (Kortikosteroide) geführt, andererseits sind sie die Basis für die Entwicklung neuer therapeutischer Strategien, wie beispielsweise mit Antikörpern gegen bestimmte Entzündungsmediatoren.

PD Dr. med. Claudia Rudack

Klinik und Poliklinik für HNO

Kardinal-von-Galen-Ring 10 · 48149 Münster

Email: rudack@uni-muenster.de

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