Gesundheitswesen 2002; 64(7): 417-424
DOI: 10.1055/s-2002-32814
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Sozioökonomische Unterschiede in der Inanspruchnahme von Früherkennungsuntersuchungen und Maßnahmen der Gesundheitsförderung in NRW

Socio-economic Differences in the Utilisation of Screening Programmes and Health Promotion Measures in North Rhine-Westphalia, GermanyM. Richter1 , H. Brand2 , G. Rössler2
  • 1Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Universität Bielefeld
  • 2Landesinstitut für den Öffentlichen Gesundheitsdienst NRW (lögd), Bielefeld
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Publication Date:
15 July 2002 (online)

Zusammenfassung

Im Rahmen einer Auswertung des Gesundheitssurveys Nordrhein-Westfalen (n = 1920) wurde untersucht, ob und in welchem Ausmaß sozioökonomische Unterschiede in der Inanspruchnahme von Früherkennungsuntersuchungen und Maßnahmen der Gesundheitsförderung vorliegen. Im Mittelpunkt der Analyse stand dabei die Teilnahme an der Krebsfrüherkennungsuntersuchung und am Gesundheits-Check-up, denen im Rahmen der Sekundärprävention eine besondere Bedeutung zukommt. An einer Krebsfrüherkennungsuntersuchung im Untersuchungsjahr bzw. im Jahr davor nahmen insgesamt 29,2 % der anspruchberechtigten Männer und 56,5 % der Frauen teil. Beim Gesundheits-Check-up waren es 29,6 % der Männer und 30,1 % der Frauen. Bei einer Differenzierung nach Sozialschicht zeigte sich, dass die vorliegende Studie die bisherigen Ergebnisse einer zunehmenden Nichtteilnahme mit abnehmender sozialer Schicht an Krebsfrüherkennungs-Untersuchungen bestätigen konnte. Wie in vergleichbaren Untersuchungen stellt sich der soziale Gradient bei Frauen ausgeprägter dar als bei Männern. Während für den Gesundheits-Check-up keine schichtspezifischen Disparitäten festgestellt werden konnten, lag bei der Inanspruchnahme von gesundheitsfördernden Maßnahmen für Frauen ein signifikanter sozialer Gradient vor. Wird anstelle des Schichtindex die Schulbildung als Indikator für den sozioökonomischen Status herangezogen, zeigten sich insgesamt schwächere Zusammenhänge für die Teilnahme an den Früherkennungsuntersuchungen. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass sich Maßnahmen zur Steigerung der Teilnahmeraten von Früherkennungsuntersuchungen auch und gerade auf die Angehörigen der unteren sozialen Schicht konzentrieren sollten, um gesundheitliche Ungleichheiten gar nicht erst entstehen zu lassen.

Abstract

This paper examines the effect of socio-economic status on the utilisation of screening programmes and health promotion measures, based on data of a representative health survey in North Rhine-Westphalia (Germany), with a sample of 1,920 respondents. The analysis focuses especially on the utilisation of the cancer screening programme and the ‘Health Check-Up’ programme, which both have a high rank in German secondary prevention strategies. During the study year and the year before 29.2 % of the relevant male and 56.5 % of the female population took part in cancer screening programmes. At the same time 29.6 % of the males and 30.1 % of the females took part in the ‘Health Check-Up’ programme. In respect of socio-economic differences, the data confirmed the results of former studies in which non-participation of cancer screening programmes increased with decreasing social class. The social gradient was more pronounced with women than with men. While for the ‘Health Check-Up’ no socio-economic differences could be found, the participation rates in health promotion measures for women varied significantly with socio-economic status. For both screening programmes generally weaker statistical associations were found if the socio-economic status index was substituted by the educational level of the respondents. The findings suggest that strategies designed to increase participation of such programmes should concentrate more on lower social status persons to prevent the development of inequalities in health.

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Dipl.-Soz. Matthias Richter

Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Universität Bielefeld

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