Pneumologie 2002; 56(4): 227-228
DOI: 10.1055/s-2002-25074
Brennpunkt
Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Herzschrittmacher als Allheilmittel bei schlafbezogenen Atemstörungen?

Cardiac Pacing as Universal Remedy in Sleep Related Breathing Disoders?K.  H.  Rühle1
  • 1Klinik für Pneumologie, Allergologie und Schlafmedizin, Klinik Ambrock Hagen, Universität Witten-Herdecke
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Publication Date:
12 April 2002 (online)

Mindestens 1 Million Menschen in der Bundesrepublik leiden an einem Schlafapnoe-Syndrom (SAS), wobei in 80 - 90 % aller Fälle die repetitive Obstruktion der oberen Luftwege im Schlaf (Naso-, Velo-Oropharynx und supralaryngeale Strukturen) beim obstruktiven Schlafapnoe-Syndrom (OSAS) die Ursache der Störung darstellt [1].

Allerdings ist die Therapie mit nCPAP gewöhnungsbedürftig und viele potenzielle Kandidaten lehnen eine solche Therapie ab. In den letzten Jahren konnte hier durch die Entwicklung intelligenter Beatmungsformen wie Bilevel-CPAP und automatische CPAP-Verfahren, die z. B. den verminderten Fluss oder die Impedanz des Respirationstraktes messen und mit variablen Drucken die Obstruktion verhindern, eine Verbesserung der Akzeptanz erreicht werden [2].

Orale Protusionsschienen werden zwar aus verschiedensten Gründen subjektiv als effektiv wahrgenommen, aber mit objektiven Messmethoden kann eine relevante Reduktion der schlafbezogenen obstruktiven Ereignisse (des AHI) nur in einem geringen Prozentsatz nachvollzogen werden. Sie sind damit nur selten eine Alternative. Fast monatlich werden weitere mechanische Maßnahmen als effektiv angepriesen, aber häufig sind die Erfolge nur anekdotisch und der Beweis im Sinne einer evidenzbasierten Therapie wird nie angetreten. Dringend erwünscht sind deshalb weniger störende Therapieformen, die ohne dauernde nächtliche Belästigung des Patienten objektiv und nachhaltig die schlafbezogene Atemstörung auf ein Normalmaß reduzieren.

Die medikamentöse Therapie des OSAS wurde zwar durch neue Erkenntnisse bei Einsatz von Serotonin-Re-uptake-Hemmern bereichert, aber bei einer Reduktion des AHI um lediglich 60 % des Ausgangswertes dürften nur einige wenige Patienten von dieser Medikation profitieren. Chirurgische Methoden wie UPPP sind postoperativ mit zum Teil unangenehmen Nebenwirkungen behaftet und die Erfolgsquote ist abhängig von der Operationsmethode und den Auswahlkriterien sehr variabel.

Das zentrale Schlafapnoe-Syndrom war bis vor wenigen Jahren gegenüber den bis dahin gängigen Verfahren (O2, Theophylllin, BIPAP) relativ therapieresistent. Erst durch die Entwickung eines Beatmungsverfahren, das die Amplitudenschwankungen des Atemzeitvolumens mit Crescendo-/Decrescendoverhalten berücksichtigt (Auto-CS) kann in einem hohen Prozentsatz die Atmung normalisiert werden [3].

Die nächtliche Atemstörung geht häufig mit cardialen Rhythmusstörungen wie Brady- und Tachykardie einher. Kann eine Herzschrittmachertherapie sich auf das SAS günstig auswirken? Dieser Frage wurde in einer kürzlich publizierten Studie nachgegangen. Garrigue et al. [4] untersuchten 15 Patienten mit SAS, die einen Herzschrittmacher trugen. Bei 11 Patienten (73 %) lag die Ejektionsfraktion bei 56 % und weniger. Der zentrale Apnoe-Index lag bei 13 ± 17, der obstruktive Apnoe-Index bei 6 ± 4, der AHI bei 28 ± 22. Sie verglichen eine Nacht mit Spontanrhythmus (die basale Schrittmacherfrequenz wurde auf 40/min herabgesetzt) und einer darunter gemessenen mittleren Herzfrequenz von 54 ± 7 und eine Nacht mit einer erhöhten Schrittmacherfrequenz, in der die basale Schrittmacherfrequenz gegenüber der mittleren Herzfrequenz der Baseline-Nacht um 15 Schläge/min erhöht wurde. Dies führte zu einer mittleren Herzfrequenz von 72 ± 3.

Unter der erhöhten Herzfrequenz fiel der zentrale Apnoe-Index auf 6 ± 7, der obstruktive Apnoe-Index auf 3 ± 1, der AHI auf 1 ± 14. Bei 13 der 15 Patienten wurde der AHI um > 50 % reduziert.

Mehrere Erklärungen können für die Verbesserung der zentralen und obstruktiven Atemstörung herangezogen werden:

Die Autoren spekulieren, dass die durch Apnoen ausgelöste Bradykardie und Blutdruckreduktion den Vagotonus erhöht und dadurch periodische Variationen der Herzfrequenz ausgelöst werden. Dieser könnte - so die Hypothese - die normale Respiration supprimieren. Vagale kardiale Afferenzen bilden Synapsen im Nucleus tractus solitarii und können somit neben der Regulation von Blutdruck und Herzfrequenz die Atemzentren direkt beeinflussen. Die mittels Schrittmacher angehobene Herzfrequenz bei spontaner Sinusbradykardie vermindert die zentrale Apnoefrequenz durch Gegenregulation über verminderten Vagotonus oder erhöhte sympathische Aktivität. Dieser Effekt scheint auch bei Theophyllin eine Rolle zu spielen, da zentrale Apnoen durch den Adenosinantagonismus des Methylxanthins über Sympathikusaktivierung reduziert werden.

Schwieriger ist der Effekt einer höheren Herzfrequenz auf die obstruktiven Ereignisse zu deuten:

Durch die erhöhte Aktivität der Atemzentren dürfte nicht nur die Atemmuskulatur, hier insbesondere das Zwerchfell, sondern auch die Motoneurone der oropharyngealen Muskulatur stimuliert werden, sodass durch einen höheren Muskeltonus weniger obstruktive Ereignisse auftreten [5].

Kritisch ist zu der Studie anzumerken, dass es sich in der Mehrzahl um Patienten handelte, die an einem Sick-sinus-Syndrom litten. Es wurden überwiegend zentrale Apnoen von Patienten mit kardialen Erkrankungen nachgewiesen. Der Index für obstruktive Apnoen war lediglich bei 3 Patienten über 10/h. Die Mehrzahl der Patienten wies eine wenn auch mäßig reduzierte Ejektionsfraktion auf. Damit handelt es sich bei dem Studienkollektiv von Garrigue um eine ausgelesene Untergruppe, die wegen bedrohlichen Bradykardien einer Schrittmachertherapie unterzogen werden musste.

Im Rahmen der Bradykardie dürfte das Herzminutenvolumen abgefallen sein, sodass die Kreislaufzeit verlängert wurde. Durch Verbesserung der Kreislaufzeit durch die Herzfrequenzerhöhung wurden auch die zentralen Apnoen reduziert. Ähnliche Effekte können übrigens durch nCPAP-Therapie bei CSA-Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz erzielt werden. In einer Vergleichsstudie von Naughton und Bradley [6] mit und ohne nCPAP über 3 Monate stieg die Ejektionsfraktion um 7,7 ± 2,5 % an. Darunter fiel als Folge der verbesserten Herzleistung der AHI von 43 ± 5 auf 15 ± 5 ab.

Die genannte Konstellation liegt aber bei den meisten Patienten mit OSAS - der Erkrankung mit der höchsten Prävalenz aller schlafbezogenen Atemstörungen - nicht vor. Ihr Herzminutenvolumen ist nicht erniedrigt und die Amplitude der Herzfrequenzschwankungen während und am Ende einer Apnoe ist gering. Die Herzfrequenz fällt normalerweise auch nicht unter 60/min. Die ausgeprägtesten Bradykardiephasen findet man bei zentralen Apnoen, da während der Apnoe die stimulierenden Afferenzen der Mechanorezeptoren von Thoraxwand und Lunge zum Hirnstamm wegfallen [7]. Erst bei Wiederaufnahme der Atmung steigt die Herzfrequenz um etwa 30 % im Vergleich zur späten Apnoephase an.

Die AHI-Frequenz fiel in der Studie von Garrigue et al. zwar von im Durchschnitt 28 ± 22 auf 11 ± 14, allerdings konnte bei 3 Patienten der zentrale Apnoe-Index nicht unter 10 gesenkt werden.

Die Bedeutung der Studie liegt meiner Ansicht nach vor allem in der zusätzlichen neuen Möglichkeit, neben einer Beatmungstherapie im Fall einer nächtlichen Bradykardie durch eine Herzfrequenzerhöhung mit einem Schrittmacher die SBAS zu beeinflussen. Im Rahmen von polysomnographischen Untersuchungen sollte deshalb vermehrt auf den Verlauf der Herzfrequenz geachtet werden. Vielleicht gelingt es auch durch Reduktion des erhöhten Vagotonus oder durch die Beeinflussung des Sympathikotonus endlich eine medikamentöse Alternative oder Ergänzung zu den Beatmungstherapien zu schaffen. Vielleicht wird es ein anderer „Schrittmacher” sein, der ohne den Schlaf zu stören, den Tonus der oropharyngealen Muskeln erhöht, um elegant das Strömungshindernis für freien Atem im Schlaf zu beseitigen.

Literatur

  • 1 Hein H, Raschke F, Kohler D. et al . Guideline on diagnostics and treatment of sleep-related respiratory disorders in adults.  Pneumologie. 2001;  55 339-342
  • 2 Randerath W J, Schraeder O, Galetke W. et al . Autoadjusting CPAP therapy based on impedance. Efficacy, compliance and acceptance.  Am J Respir Crit Care Med. 2001;  163 652-657
  • 3 Teschler H, Dohring J, Wang Y M, Berthon-Jones M. Adaptive pressure support servo-ventilation: a novel treatment of Cheyne-Stokes respiration in heart failure.  Am J Respir Crit Care Med. 2001;  164 614-619
  • 4 Garrigue S, Bordier P, Jais P. et al . Benefit of atrial pacing in sleep apnea syndrome.  N Engl J Med. 2002;  346 (6) 404-412
  • 5 Gottlieb D J. Cardiac pacing - a novel therapy for sleep apnea?.  N Engl J Med. 2002;  346 444-445
  • 6 Naughton M T, Liu P P, Dean C B. et al . Treatment of congestive heartfailure and Cheyne-Strokes respiration during sleep by continuous positive airway pressure.  Am J Respir Crit Care Med. 1995;  151 92-97
  • 7 Tarasiuk A, Scharf S M. Cardiovascular effects of periodic obstructive and central apneas in dogs.  Am J Respir Crit Care Med. 1994;  150 83-89

Prof. K. H. Rühle

Klinik für Pneumologie, Allergologie und Schlafmedizin
Klinik Ambrock

Ambrockerweg 60

58091 Hagen

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