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DOI: 10.1055/s-2002-22327
Editorial zur Hygea-Studie
Editorial to the Hygea-StudyPublikationsverlauf
Publikationsdatum:
19. März 2002 (online)
Die Reaktionen reichten von Überschriften wie „Dreck im Endoskop” bis hin zu Aufsätzen „Viele Keime - viel Risiko?”. So eingeschlagen hat die erste prospektive Studie zur Erfassung der Qualität der Aufbereitung von Endoskopen in Klinik und Praxis unter Alltagsbedingungen. Seit Jahren existieren Leit- und Richtlinien zu diesem Thema, ohne dass es bisher auf der Basis evidenzbasierter Untersuchungen Ergebnisse zu diesem brisanten Thema gegeben hätte. Unser Kenntnisstand beruht vielmehr auf Fallbeobachtungen, Einzelmitteilungen und kleinen unkontrollierten Serien. Die vorliegende Hygea-Studie, die als Interventionsstudie in Zusammenarbeit mit vielen Fachgesellschaften unter Führung der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten aufgelegt und durchgeführt wurde, hat nun erstmals deutlich gezeigt, wo im Routinealltag Schwächen erkennbar sind, welchen Stellenwert diese Befunde haben könnten und welche Schlüsse mit Konsequenzen daraus gezogen werden sollten. Selbst wenn in dieser Pilotstudie nur ein kleiner Teil von Praxen und Krankenhäusern untersucht werden konnte, so vermittelt das Ergebnis doch sicherlich eine klare Sicht auf weitergehende Maßnahmen. Die Ergebnisse dieser Studie haben bereits dazu geführt, die entsprechenden Empfehlungen des Robert Koch-Instituts, seiner Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention, maßgeblich zu beeinflussen.
Die Schwachstellen sind klar erkennbar: Die mikrobiologische Kontamination der Endoskope nach Aufbereitung als Erfolgsindikator zeigte, dass das Hauptproblem im Bereich des Optikspülsystems der Geräte liegt, weniger bei den Reinigungs- und Desinfektionsverfahren. Ein weiteres wichtiges Ergebnis macht den Vorzug automatischer Reinigungsgeräte gegenüber halbautomatischen und manuellen Verfahren deutlich. Man muss die Ergebnisse vor dem Hintergrund sehen, dass alle Einrichtungen freiwillig an diesem Projekt teilnahmen und sicher davon überzeugt waren, dass ihr Umgang in diesem sensiblen Bereich den bisherigen Richtlinien entspricht.
Die Interventionsstudie hat auch gezeigt, dass sich nach Aufdecken der Schwachstellen ein Problembewusstsein für diesen hochsensiblen Bereich entwickeln lässt, wenn man weiß, dass Geräte häufiger kontaminiert sein können, als man dies vorher angenommen hatte.
Aus Sicht der Fachgesellschaften ergeben sich sicher einige Ansätze zu wirksamen Strategien, die man grundsätzlich unter dem Gesichtspunkt der Struktur- und der Prozessqualität sehen muss.
So sind auf der Ebene der Fachorganisationen Verbesserungen durch zertifizierte Fortbildungsveranstaltungen anzustreben, die vor allem über die kassenärztlichen Vereinigungen abgewickelt werden müssen. Es sind Initiativen erforderlich, um die eigenverantwortliche Durchführung von hygienischen Kontrollen der Aufbereitung zu intensivieren; dies sollte verbunden sein mit einer Abrechenbarkeit endoskopischer Leistungen nur nach Vorlage mikrobiologischer Kontrolluntersuchungen.
Auf dieser Ebene sind auch praktische Verbesserungsvorschläge zu sehen, z. B. zum Einsatz von Dampfsterilisatoren, Sterilfiltern sowie die Aufforderung an Firmen, Optikspülflaschen nicht neben Wärmeauslassfenstern des Prozessors zu platzieren.
Neuzulassungen von Endoskopieeinheiten in Praxen und Krankenhausabteilungen sollten an den Nachweis von Reinigungsdesinfektionsgeräten für Endoskope und Dampfsterilisatoren gekoppelt werden. Da sich die vollautomatischen Geräte als wirksam erwiesen haben, müssten Investitionen in solche Anschaffungen steuerbegünstigt sein und sollten in kürzerem und höherem Ausmaß abgeschrieben werden können. Darüber hinaus sind Bestrebungen erforderlich, dass entsprechende Geräte (z. B. Tauchsieder + Kühlschrank) zur schnellen Herstellung von thermisch desinfiziertem Wasser entwickelt werden, um z. B. die Optikspülflasche mit sterilem Wasser füllen zu können, da keine ausreichenden Mengen zur Verfügung stehen.
Letztlich ließe sich die Qualitätssicherung dadurch verbessern, dass die Vorgaben des Gesetzgebers zum Infektionsschutz und zum Medizinproduktegesetz transparenter gemacht werden. So ist denkbar, dass befristete Zertifizierungen endoskopierender Praxen (z. B. durch hygienisch verantwortliche Ärzte) erfolgen. Ein gemeinsamer Topf bei Kassenärztlicher Bundesvereinigung, Ärztekammer, Krankenhausgesellschaft, Krankenkassen und Bundesministerium zur Qualitätssicherung sollte eingerichtet werden, um weitere, größer angelegte Studien zu finanzieren. Die Hygea-Studie hat nur einen Anstoß gegeben, der zeigt, wie erfolgreich, aber auch wie wichtig qualitätsverbessernde Maßnahmen in diesem Bereich sein können. Dienen sie letztlich doch der Sicherheit nicht nur des Patienten, sondern auch des Personals.
Ich möchte schließen mit einem ganz besonderen Dank an alle, die sich dieser großen Aufgabe unterzogen haben; es war eine jahrelange Sisyphusarbeit, deren Erfolg sich aber jetzt abzeichnet. Es bleibt zu hoffen, dass alle Verantwortlichen aus diesen Ergebnissen die notwendigen Konsequenzen ziehen.
Prof. Dr. med. J. F. Riemann
Direktor der Med. Klinik C, Klinikum Ludwigshafen gGmbH
Bremserstraße 79
D-67063 Ludwigshafen
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