Dtsch Med Wochenschr 2002; 127(10): 525-526
DOI: 10.1055/s-2002-20937-3
Leserbriefe
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Diagnostik der Lungenarterienembolie

Erwiderung
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Publication Date:
12 May 2004 (online)

Wir danken Freudenberg und Mitarbeitern sowie Schümichen für die konstruktiven Bemerkungen zu unserer Übersicht »Diagnostik der Lungenarterienembolie« [5]. Die lebhafte Korrespondenz zu unserer Übersicht spiegelt die nach wie vor bestehende Unsicherheit bei der Diagnosestellung der Lungenembolie anschaulich wider.

Die PIOPED-Studie gilt nach wie vor als die umfangreichste und aussagekräftigste Untersuchung zur diagnostischen Bedeutung der Ventilations/Perfusions-Szintigraphie bei Lungenembolie [4]. Hiernach schließt eine normale Perfusions-Szintigraphie das Vorhandensein pulmonaler Embolien mit großer Wahrscheinlichkeit aus. Auch der Nachweis multipler segmentaler Perfusionsdefekte bei erhaltener Ventilation und gleichzeitig bestehendem klinischen Verdacht auf eine Lungenembolie besitzt einen Vorhersagewert von 96 %. Allerdings findet sich bei fast 60 % der Patienten mit angiographisch nachgewiesener Lungenembolie kein als hoch-wahrscheinlich beurteiltes Szintigramm. Als intermediär oder niedrig-wahrscheinlich eingestufte Szintigramme sind dagegen nicht-diagnostisch. Die diagnostische Sicherheit reduziert sich ferner bei vorausgegangener Embolie. Wird die klinische Wahrscheinlichkeit einer Lungenembolie als gering eingestuft, beträgt der Vorhersagewert eines szintigraphisch hoch-verdächtigen Befundes nur 56 %. Somit führt eine Lungenszintigraphie bei der Hälfte der untersuchten Patienten zu einem falsch-positiven Ergebnis [4]. Die Ventilations/Perfusions-Szintigraphie bleibt damit hinsichtlich ihrer diagnostischen Aussagekraft hinter anderen Techniken zurück [1] [3] [4].

Wir stimmen mit Freudenberg und Mitarbeitern darin überein, dass die Weiterentwicklung der Methode, insbesondere der Single-Photon Emission Computed Tomography (SPECT), ihren diagnostischen Wert verbessert hat [3] [7]. Neben der Diagnostik bis auf Subsegmentebene [2] reduziert SPECT bei Anwendung der PIOPED-Kriterien die Zahl unsicherer Befunde auf 4 %, verglichen mit 39 % bei der planaren Aufnahmetechnik [1] [8]. Diese erlaubt allerdings zunächst keine quantitativen Rückschlüsse auf das diagnostische Potenzial der Methode, da die PIOPED-Kriterien bisher noch nicht an SPECT adaptiert sind [8].

Darüber hinaus geht der Vorteil einer höheren Sensitivität mit einer verminderten Spezifität einher. So ist eine längere Liste von Erkrankungen differenzialdiagnostisch in Erwägung zu ziehen, zu denen die nicht-embolische intraluminale Gefäßobstruktion, die externe Gefäßkompression, obstruktive und infektiöse Lungenerkrankungen sowie pathologische Parenchymveränderungen gehören [8]. Ferner handelt es sich bei der Ventilations/Perfusions-Szintigraphie um eine Methode, die anhand des Perfusionsdefektes nur einen indirekten Nachweis des Embolus erlaubt. Somit entziehen sich randständige Thromben mit unvollständiger, nicht-okkludierender Embolie dem szintigraphischen Nachweis [8]. Im Gegensatz zur Szintigraphie erlaubt die Spiral-Computertomographie ebenso wie die transthorakale Sonographie gleichzeitig den Nachweis bzw. Ausschluss weiterer, differentialdiagnostisch in Frage kommender Erkrankungen [5] [6]. Der wichtigste Grund für unsere Zurückhaltung gegenüber dem Einsatz der Ventilations/Perfusions-Szintigraphie bei der Diagnostik der Lungenembolie ist jedoch, dass bislang keine größeren kontrollierten Studien zur diagnostischen Wertigkeit der Ventilations/Perfusions-SPECT vorliegen.

Ein Ziel unserer Übersicht war, zu verdeutlichen, dass derzeit noch keine ideale Methode zur Diagnostik der Lungenembolie existiert. Jede Technik hat Vor- und Nachteile. Berücksichtigt man die sehr unterschiedliche klinische Präsentation, den dynamischen Charakter pulmonaler Embolien und das Fehlen einer eindeutigen diagnostischen Technik, beruht der Nachweis oder der Ausschluss einer Lungenarterienembolie nach wie vor auf einer integrierten Beurteilung der Befunde verschiedener Techniken im Kontext mit Anamnese und klinischer Präsentation. Wir stimmen Freudenberg und Mitarbeitern insofern zu, dass bei Verbesserung der Datenlage die Ventilations/Perfusions-SPECT zukünftig im Konzert mit den anderen diagnostischen Methoden eine zusätzliche Rolle spielen könnte.

Wir begrüßen den Beitrag von Schümichen zu unserer Übersicht über die Diagnostik der Lungenembolie. Er bietet eine sehr detaillierte und differenzierte Darstellung der diagnostischen Möglichkeiten der Lungenszintigraphie, die den Rahmen jeder Übersicht gesprengt hätte und deshalb unsere Ausführungen ideal ergänzt. Davon abgesehen, war es nicht das Ziel unserer Übersicht eine ausführliche Darstellung einzelner Techniken vorzunehmen. Vielmehr lag die Betonung auf dem praktischen Zugang zur Diagnose der Lungenembolie aus Sicht des klinisch tätigen Arztes. Hierbei spielt neben der diagnostischen Zuverlässigkeit auch die Zugänglichkeit bzw. Verfügbarkeit diagnostischer Methoden eine Rolle.

Trotz aller Fortschritte auf dem Gebiet der radiologischen Diagnostik stellt aus klinischer Sicht die Diagnostik der Lungenembolie nach wie vor eine besondere Herausforderung für den betreuenden Arzt dar und ist erst durch die integrierte Beurteilung mehrerer diagnostischer Methoden möglich. In Anbetracht des dynamischen Charakters lungenembolischer Ereignisse wird sich möglicherweise auch zukünftig hieran nichts ändern.

Literatur

  • 1 Corbus H F, Seitz J P, Larson R K. et al . Diagnostic usefulness of lung SPECT in pulmonary thromboembolism: an outcome study.  Nucl Med Commun. 1997;  18 897-906
  • 2 Palla A, Singer S J, Tumeh S S, Meyerovitz M F, Nagel J S, Selwyn A P, Giuntini C, Holman B L. Segmental pulmonary anatomy in man: a method of study with angiography and single emission computed tomography.  J Nucl Med Allied Sci. 1989;  33 247-251
  • 3 Palmer J, Bitzen U, Jonson B, Bajc M. Comprehensive ventilation/perfusion SPECT.  J Nucl Med. 2001;  42 1288-1294
  • 4 PIOPED Investigators . Value of the ventilation/perfusion scan in acute pulmonary embolism: results of the prospective investigation of pulmonary embolism diagnosis (PIOPED).  JAMA. 1990;  263 2753-2759
  • 5 Reißig A, Richartz B, Kroegel C. Diagnostik der Lungenarterienembolie.  Dtsch Med Wochenschr. 2001;  126 857-863
  • 6 Reißig A, Heyne J P, Kroegel C. Sonography of lung and pleura in pulmonary embolism. Sonomorphologic characterization and comparison with spiral-computed tomography.  Chest. 2001;  120 1977-1983
  • 7 Reinartz P, Schirp U, Zimny M, Sabri O, Nowak B, Schäfer W, Cremerius U, Bull U. Optimizing ventilation-perfusion lung scintigraphy: parting with planar imaging.  Nuklearmedizin. 2001;  40 38-43
  • 8 Schümichen C. Nuklearmedizinische Diagnostik der Lunge.  Der Radiologe. 2000;  40 878-887

Dr. med. Angelika Reißig1
Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Claus Kroegel1
Dr. med. Barbara Richartz2

1 Pneumologie & Allergologie, Klinik für Innere Medizin IV

2 Kardiologie, Klinik für Innere Medizin III

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