Gesundheitswesen 2002; 64(2): 113-119
DOI: 10.1055/s-2002-20273
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Unfälle im Kleinkindesalter

Auswertung einer Befragung anlässlich der Einschulungsuntersuchung 2000 im Landkreis Biberach an der RissAccidents of Toddlers and YoungstersEssence of an Inquiry on the Occasion of a School Admission Check 2000 in the Biberach Rural DistrictD.  von Nicolai
  • 1Kreisgesundheitsamt Biberach · Landratsamt Biberach
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Publication Date:
20 March 2002 (online)

Zusammenfassung

Während der Einschulungsuntersuchung 2000 wurden vom Kreisgesundheitsamt Biberach an der Riss den Erziehungsberechtigten von reichlich 2300 künftigen Erstklässlern ein selbst entwickelter Fragebogen zum Unfallgeschehen in den ersten Lebensjahren vorgelegt. Da bei der Einschulungsuntersuchung flächendeckend alle Kinder des Kreises Biberach erfasst werden und bis auf wenige Ausnahmen (sprachliche Gründe) diese Fragen von allen beantwortet wurden, kann man von einer Vollerhebung ausgehen.

Die Untersuchung bestätigte das Ergebnis vom Vorjahr: Etwa ein Drittel aller Kinder erleidet bis zum Zeitpunkt der Einschulungsuntersuchung einen so schweren Unfall, dass ärztliche Behandlung notwendig wird. Jungen waren wiederum häufiger betroffen als Mädchen. Liegt bei den Kleinkindern der Unfallort zunächst im Innenbereich von Wohnung oder Haus, so verlagert sich der Unfallschwerpunkt mit wachsender Mobilität und Eigenständigkeit des Kindes nach außerhalb.

Beim Unfallhergang überwiegen eindeutig die Sturzunfälle, wobei Kopf und Gesicht am häufigsten von Verletzungen betroffen sind.

Verbrennungen und Verbrühungen, vor allem im 2. Lebensjahr, ereignen sich im Vergleich zu anderen zeitnahen Untersuchungen im Landkreis Biberach besonders häufig und sollen Anlass sein, diese Zahl in den kommenden Jahren zu senken.

Die Unfallschuld lag nach Angaben der Eltern bei zwei Drittel der Unfälle beim Kind, Säuglinge und Kleinkinder eingeschlossen. Nach allgemeinem Verständnis können Kinder im Kleinkindesalter aber noch gar kein Gefahrenbewusstsein besitzen und vorausschauend handeln bzw. spielen. Hier müssen wohl Eltern und Erzieher bezüglich ihrer Verantwortung noch sensibilisiert werden.

Etwa 40 % der Kinder, welche einen Unfall erlitten, waren zu diesem Zeitpunkt unbeaufsichtigt, knapp 20 % waren allein. Hier gilt es, an Eltern und Erzieher zu appellieren, sich ihrer Verantwortung stets aufs Neue bewusst zu werden.

Bereits mehr als 11 % der Unfälle im Landkreis Biberach ereignen sich auf der Straße oder im Straßenverkehr, auch dies eine Zahl, die im Vergleich mit anderen Untersuchungen als hoch einzuschätzen ist.

Eine Vielzahl von Unfällen könnte mit Sicherheit verhindert werden. Deshalb sollen die Ergebnisse dieser Studie allen für diese Altersgruppen verantwortlichen Personen vorgestellt und zugänglich gemacht werden.

Vordringlicher Handlungsbedarf und Gesundheitsziele werden definiert und sollen in den nächsten Jahren in die Praxis umgesetzt werden, damit die Gesundheit unserer Kinder erhalten bleibt.

Abstract

The Public Health Department in Biberach an der Riss developed a questionnaire to investigate the incidence of accidents in children under school-starting age (6 years).

This questionnaire was presented to the parents of more than 2,300 prospective first-graders from the town and rural district on the occasion of the pre-school medical examination 2000. As this examination is mandatory for all children starting school, and as the questions were answered by all the parents with very few exceptions (language reasons), a complete survey can be assumed.

The investigation confirmed the results of last year: The incidence of children who suffered an accident requiring medical attention before reaching school age is approximately 33 %; boys are predominantly involved. The scene of accidents also changes with increasing age from living quarters to outside areas.

The most frequent type of accidents are, of course, falls, resulting especially in injuries to the head and face.

Scalds and burns, in particular at the age of 2, occur more frequently in the Biberach district than described in other up-to-date investigations in Germany. For this reason efforts have to be made to reduce this number over the next years.

About 11 % of accidents occur in the streets or involve traffic, a result which is also higher in comparison to other investigations.

According to the statement of parents, more than two-thirds of accidents are caused by the children themselves, including babies and toddlers.

At the time of the accident 40 % of the children were without parental control, and 20 % completely alone.

A great number of the accidents could certainly have been prevented. That is why the results of the study should be made available to all those responsible for the care and wellbeing of this age group.

The last section of the paper deals with the most urgent needs of action to be implemented in the long run for the sake of the health of our children.

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Dorothea von Nicolai

Kreisgesundheitsamt Biberach

Landratsamt Biberach

Rollinstraße 17

88400 Biberach

Email: dorothea.v.nicolai@biberach.de

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