Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2002; 37(1): 30-31
DOI: 10.1055/s-2002-20085
Mini-Symposium: Sauerstoff - Nutzen und Risiko
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Editorial

EditorialE.  Kirchner, S.  Piepenbrock, H.  A.  Adams
  • 1Zentrum Anästhesiologie, Medizinische Hochschule Hannover
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
13. Februar 2002 (online)

Das nachstehende Mini-Symposium enthält die Beiträge eines gleichnamigen Symposiums, das am 1. September 2001 in der Medizinischen Hochschule Hannover durchgeführt wurde. Die Veranstaltung steht in der Tradition von 200 „Diskussionsrunden Hannoverscher Anästhesisten” und markiert - als Fortsetzung dieser Reihe - das 100. Forum „Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin, Schmerztherapie” (AINS). Es war das Ziel dieser Veranstaltung, ein dem Anästhesisten anscheinend vollständig vertrautes Element bzw. sein häufigstes Molekül von verschiedenen Seiten zu beleuchten.

So sehr dem Anästhesisten der Sauerstoff als unverzichtbare Grundlage des animalischen Lebens bekannt ist, so wenig sind die speziellen physikalischen und chemischen Risiken dieser Verbindung geläufig. E. Schwanbom von der Fachhochschule Lübeck hat seine diesbezüglichen Betrachtungen unter das Thema „Sauerstoff - ein lebensnotwendiger Gefahrstoff” gestellt. Der Beitrag geht auf die wichtigsten technischen und historischen Daten, die Rolle des Sauerstoffs in der Biosphäre und seine Bedeutung für den Menschen, die direkte und indirekte Toxizität sowie insbesondere auf die technischen Gefahren im Umgang mit Sauerstoff ein und erläutert die systematische Anwendung sicherheitstechnischer Maßnahmen zur Minimierung von Risiken.

R. Zander, Institut für Physiologie und Pathophysiologie der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, erläutert in seinem Beitrag „Der pulmonale Sauerstoff-Speicher - Physiologie und klinischer Nutzen” die wichtigsten physiologischen Hintergründe der klinisch eminent wichtigen Präoxygenierung und apnoischen Oxygenierung, die Besonderheiten bei Schwangeren und Frühgeborenen sowie Möglichkeiten und Grenzen der Überwachung mittels Pulsoxymetrie. Insgesamt kann beim Erwachsenen nach sorgfältiger Präoxygenierung eine Apnoe von etwa 10 min überbrückt werden, ohne dass es zu einer wesentlichen Hypoxämie kommt.

K. Jaeger und B. Jüttner, Zentrum Anästhesiologie der Medizinischen Hochschule Hannover, sowie W. Franko, Druckkammerzentrum Hannover, berichten im Abschnitt „Hyperbare Sauerstofftherapie - Möglichkeiten und Grenzen” über die hyperbare Oxygenation (HBO) zur Erhöhung des Gehalts der Gewebe an physikalisch gelöstem Sauerstoff. Wissenschaftlich gesicherte Indikationen der HBO-Therapie sind vor allem die Dekompressionskrankheit, die arterielle Gasembolie, die Kohlenmonoxid-Vergiftung sowie die Myonekrose bei Clostridien-Infektion. Zu den Gefahren und Nebenwirkungen zählt neben dem Barotrauma der Lunge die potenzielle Toxizität des Sauerstoffs gegenüber dem zentralen Nervensystem.

Die „Risiken des Sauerstoffs in der Laserchirurgie” werden von H. Gehring, Klinik für Anästhesiologie, Universitätsklinikum Lübeck, dargestellt. Durch die punktuell auftretende hohe Zündenergie des Laserstrahls kann es zur Verbrennung oder zur Explosion kommen. Diese Gefahr ist bereits ab einem Sauerstoff-Gehalt der Umgebung > 30 % gegeben; eine entsprechende Konzentration wird schon bei Sauerstoff-Applikation über eine Nasensonde erreicht. Es kann zur Entzündung von Gewebe, Haaren und Op-Material kommen. Bei Laser-Anwendungen im oberen Respirationstrakt kommen laserresistente Endotrachealtuben zum Einsatz, wobei ein inspiratorischer Sauerstoff-Anteil des Atemgases von 30 % möglichst nicht überschritten werden soll. Lachgas kann Sauerstoff nahezu vollkommen als Oxidant ersetzen und soll daher vermieden werden. Bei intraabdominellen und intravesikalen Lasereingriffen ist mit der Entstehung von explosiven Gasgemischen aus Wasserstoff oder Methan nach Diffusion von Lachgas zu rechnen.

Ein weiteres Problem der täglichen Praxis beleuchten W. Karzai, Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin, Zentralklinik Bad Berka, und U. Klein, Klinik für Anästhesie und Intensivtherapie, Südharz-Krankenhaus Nordhausen, in ihrem Beitrag „Vermeidung von Hypoxämie während Ein-Lungen-Ventilation”. Bei thoraxchirurgischen Eingriffen kommt es beim Übergang von der Zwei-Lungen-Ventilation auf Ein-Lungen-Ventilation (ELV) in der Regel zum Abfall der arteriellen Sauerstoff-Spannung und ggf. zur Hypoxämie. Ursachen sind vorbestehende Störungen des Gasaustauschs, eine ungünstigere Ventilations-Perfusions-Beziehung beider Lungen mit eingeschränkter hypoxisch-pulmonaler Vasokonstriktion (HPV), die Lagerung des Patienten sowie insbesondere Probleme bei der Seitentrennung der Atemwege, während das Narkoseverfahren keinen entscheidenden Einfluss auf die Oxygenierung hat. Zur Prophylaxe und Therapie der Hypoxämie dienen die suffiziente Seitentrennung, eine optimale Beatmungsstrategie, die apnoische Oxygenierung der von der Ventilation ausgeschlossenen Lunge sowie die Erhöhung der inspiratorischen Sauerstoff-Konzentration.

E.-P. Horn, Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, berichtet im Abschnitt „Halbierung der postoperativen Wundinfektionsrate nach kolonchirurgischen Operationen durch Erhöhung der perioperativen inspiratorischen Sauerstoffkonzentration von 30 auf 80 %” über einen noch relativ neuen und kaum beachteten Aspekt. Die Erhöhung der inspiratorischen Sauerstoff-Konzentration von 30 auf 80 % während der Operation und der ersten beiden postoperativen Stunden nach Kolon-Operationen senkt die Wundinfektionsrate signifikant. Das mögliche Risiko der erhöhten inspiratorischen Sauerstoff-Konzentration liegt in der Entstehung von Atelektasen; deren Inzidenz ist in der dargestellten Untersuchung jedoch nicht unterschiedlich.

Nutzen und Risiken des Sauerstoffs sind ein für die tägliche Praxis relevantes Thema, zu dem die Grundlagenwissenschaften ebenso beitragen können wie die klinische Forschung und die tägliche Arbeit am Patienten. Das nachfolgende Mini-Symposium versucht, auf einige wesentliche Fragen eine Antwort zu geben.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. H. A. Adam

Zentrum Anästhesiologie

Carl-Neuberg-Str. 1

30625 Hannover

Telefon: (0511) 906-3661/3662

Fax: (0511) 906-3651

eMail: adams.ha@mh-hannover.de