Dtsch Med Wochenschr 2001; 126(48): 1383
DOI: 10.1055/s-2001-18658
Leserbriefe
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Perkutane Revaskularisation langstreckiger chronischer Verschlüsse der A. femoralis superficialis

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Publication Date:
13 May 2004 (online)

Aus klinischer Sicht und aufgrund langjähriger Erfahrung in der Behandlung von Patienten mit peripherer arterieller Verschlusskrankheit sind zu der Pilotstudie von H. Krankenberg et al. [1] einige kritische Anmerkungen erforderlich:

1. Die derzeitigen Behandlungsmöglichkeiten von Patienten mit Verschlüssen der Arteria femoralis superfacialis (AFS) im Stadium II A und B sind weniger unbefriedigend als in der Studie dargestellt.

Die wichtigste Therapieoption bei Patienten mit AFS-Verschlüssen im Stadium II A und B ist auch heute noch das von Ratschow und Schoop propagierte konservative Gefäßtraining, das allerdings nicht auf den ärztlichen Rat beschränkt sein darf, mehr zu Gehen. Ausreichende Schulung eines interdisziplinären Therapeutenteams vorausgesetzt, kann das balneophysikalische Behandlungsprogramm so individuell auf die Möglichkeiten auch multimorbider Patienten angepasst werden, dass nur wenige Patienten davon nicht profitieren können. Zu den wesentlichen Einschränkungen gehören fortgeschrittene Stadien der Coxarthrose und Gonarthrose. Für Patienten mit kardiopulmonalen Erkrankungen ist das Gefäßtraining meistens sehr sinnvoll, da durch diese Behandlung in einem ganzheitlichen Sinn auch kardiale und pulmonale Leistungsreserven mobilisiert werden können. Wenn die Leistungsfähigkeit der Patienten vor Beginn der Therapie jedoch bereits aus kardial oder pulmonalen Gründen begrenzt ist, besteht im Stadium II der AVK eigentlich gar keine Behandlungsindikation, da die Patienten durch die periphere Durchblutungsstörung nicht limitiert sind.

2. Im Stadium II nach Fontaine gilt als oberster Maxime, dass die angewendete Therapie keinesfalls zu einer Verschlechterung der Symptomatik führen sollte. Da diese Forderung - eine durchgängige vorgeschaltete Beckenetage und intakte A. profunda femoris vorausgesetzt - eigentlich nur durch ein konservatives Gefäßtraining in jedem Falle erfüllt wird, muss die Indikation für jede invasive Behandlung (gefäßchirurgisch oder interventionell) ausgesprochen restriktiv gestellt werden. Aus dem selben Grund sollte ein transpoplitealer Zugang, der besonders komplikationsträchig ist, im Stadium II nach Fontaine unbedingt vermieden werden.

3. Berücksichtigt man zusätzlich zu der von den Autoren beschriebenen über 50 %igen Inzidenz von Re-Stenosen und Re-Verschlüssen nach der Intervention die hohe Rate der spontanen Progredienz der arteriellen Verschlusskrankheit gerade in der femoro-poplitealen Achse, ist die Revaskularisation - insbesondere wenn sie mit mehrfacher Stentimplantation kombiniert wird - ein extrem teures Behandlungsverfahren.

4. Die statistische Auswertung des Behandlungsergebnisses bei den Studienpatienten stellt die günstigste Interpretation dar, die aus den Daten zu entnehmen ist. Richtig ist jedoch auch, dass die primäre, primär assistierte und sekundäre Offenheitsrate nach 12 Monaten bezogen auf die ursprüngliche Anzahl der Interventionen nur 64,4 % erreicht. Nimmt man als Bezugsgröße die ursprünglich technisch erfolgreichen 65 Interventionen, so beträgt die primäre und sekundäre Offenheitsrate auch nur 72,3 %.

5. Die Verbesserung der absoluten Gehstrecke von 125 ± 61 auf 184 ± 103 Meter postinterventionell ist ein vergleichsweise mäßiger Therapieerfolg, der in der Regel bei unkomplizierten AFS-Verschlüssen durch ein konservatives Gefäßtraining überboten werden kann.

6. Die Komplikationen der interventionellen Behandlung werden von den Autoren zwar beschrieben, jedoch nicht quantifiziert. Bezogen auf die Anzahl der Interventionen errechnet sich aus den Angaben eine Komplikationsrate von 16,4 % , bezogen auf die Anzahl der behandelten Patienten liegt sie gar bei 20,7 %. Immerhin 8,6 % mussten einer weiteren invasiven Therapie (lokale Lyse oder chirurgische Thrombektomie) zugeführt werden, um Komplikationen der Behandlung zu beheben.

Zusammenfassend sind unseres Erachtens die Ergebnisse der perkutanen Revaskularisation langstreckiger chronischer AFS - Verschlüsse auch durch die Ergebnisse dieser Studie nicht überzeugender geworden. Aus angiologischer Sicht bleibt es daher weiterhin richtig, im klinischen Alltag die Entscheidung zur richtigen Behandlung individuell zu stellen und gegenüber invasiven Eingriffen bei AFS-Verschlüssen im Stadium II A und B große Zurückhaltung zu üben.

Literatur

  • 1 Krankenberg H, Sorge I, Walther C, Grummt L, Gehrt I, Biamino G. Perkutane Revaskularisation langstreckiger chronischer Verschlüsse der Arteria femoralis superfacialis.  Dtsch med Wochenschr. 2001;  126 491-495
  • 2 Hartmann B, Winkler S, Krause  D. Verlauf der peripheren arteriellen Verschlußkrankheit unter einer konsequenten aktiven physikalischen Therapie (Ergotherapie).  Z Phys Med . 1982;  11 37-41
  • 3 Schoop W. Praktische Angiologie. 1988 Thieme, Stuttgart

Dr. G. Baitsch
Dr. A. Dohmen

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