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DOI: 10.1055/s-2001-18198
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York
Stellenwert von Perfluorocarbonen
Current Status of PerfluorocarbonsPublication History
Publication Date:
05 November 2001 (online)
Perfluorocarbone (PFC) sind organische Kohlenstoff-Fluorid-Verbindungen. Die als künstliche Sauerstoffträger verwendeten PFC sind lineare Moleküle mit acht bis zehn Kohlenstoffatomen und einem Molekulargewicht von 460 - 550 kD [1]. Da PFC nicht wasserlöslich sind, liegen sie zur intravenösen Anwendung in Form von Emulsionen vor [1]. Der geringe Partikeldurchmesser der Emulsionen (< 0,2 µm) ermöglicht, dass eine enorme Oberfläche für den Gasaustausch zur Verfügung steht und Gefäßabschnitte mit Sauerstoff versorgt werden können, die für Erythrozyten nicht passierbar sind. Aufgrund der hohen C-F-Bindungsenergie (116 kcal/Mol) sind PFC chemisch und biologisch inert. Nach intravenöser Gabe werden PFC nicht metabolisiert, sondern zunächst in das reticulo-endotheliale System (RES) aufgenommen. Die primäre Plasmahalbwertszeit ist dosisabhängig und beträgt beim Menschen nach einer Dosis von 1,8 g/kg KG, die in klinischen Studien meist appliziert wurde, 9,4 ± 2,2 Stunden. Nach intrazellulärer Metabolisierung des Lecithin-Emulgators werden die PFC-Moleküle unverändert über die Lunge eliminiert [1] [2].
Die für die Anwendung als Sauerstoffträger entscheidende physiko-chemische Eigenschaft der PFC ist ihre extrem hohe Löslichkeit für Gase: in 100 ml reinem Perflubron lösen sich bei Raumtemperatur und einem O2-Partialdruck von einer Atmosphäre 40 bis 50 ml Sauerstoff - im Vergleich dazu sind es in 100 ml Plasma nur 2,3 ml. Die Menge des in PFC gelösten Sauerstoffs ist linear vom O2-Partialdruck abhängig; dies unterscheidet Perfluorocarbone prinzipiell von Blut und Hämoglobin-Lösungen mit der bekannten sigmoiden Beziehung zwischen O2-Gehalt und -Partialdruck. Daraus ergibt sich, dass zur maximalen Effizienz des O2-Transportes mit PFC-Emulsionen hohe O2-Partialdrücke erforderlich sind. Der in der PFC-Phase transportierte Sauerstoff wird bei ausreichendem Partialdruckgradienten - wie er zwischen arteriellem Blut und Gewebe besteht - nahezu vollständig extrahiert. Der größte Teil des im PFC gelösten Sauerstoffs wird dabei abgegeben, bevor der Hämoglobin-gebundene Sauerstoff freigesetzt wird.
Die Effektivität von PFC-Emulsionen zur Gewebeoxygenierung wurde tierexperimentell durch komplette Austauschinfusionen unter Beweis gestellt [3] [4]. Das erste als kommerziell erhältlicher Sauerstoffträger angewandte Perfluorocarbon war Fluosol-DA (Fluosol®, Green Cross Corp., Osaka, Japan), eine 20 % (w/v) Lösung aus 14 % Perfluorodecalin und 6 % Perfluorotripropylamin [5]. Als die ideale Indikation für Fluosol galt aufgrund der Volumenwirksamkeit gepaart mit der Fähigkeit Sauerstoff zu transportieren der Blutersatz im hämorrhagischen Schock und bei schwerer Blutungsanämie. Mehrere, an kleinen Gruppen von Zeugen Jehovas mit akuter blutungsbedingter Anämie (mittlere Hämoglobin-Konzentration 3,0 - 5,0 g/dl) durchgeführte Studien zeigten, dass Fluosol (20 - 40 ml/kg KG) bei hohem O2-Partialdruck (FiO2 0,6 - 1,0) effektiv Sauerstoff transportierte: die arteriellen und gemischtvenösen O2-Sättigungs- bzw. Partialdruckwerte stiegen an [6] [7], die FiO2 konnte reduziert werden und die Herzfrequenz sank [6]. Aufgrund der niedrigen im Plasma erzielten PFC-Konzentration („Fluorocrit” 3 - 5 %) war die im PFC gelöste O2-Menge gering und machte weniger als 10 % des arteriellen O2-Gehaltes aus [6] [7] [8]. Da der im Fluosol gelöste Sauerstoff jedoch nahezu vollständig extrahierbar ist, wurden bis zu 30 % des O2-Verbrauchs aus der PFC-Phase gedeckt. Klinisch besserten sich die Symptome der Hypoxie vorübergehend, die Mortalität der schwerst anämischen Patienten blieb aber unverändert hoch [6] [7] [8]. Eine anhaltende Effizienz von Fluosol als Blutersatz bei akuter Blutung konnte nicht nachgewiesen werden. Dies ist nicht verwunderlich, wenn man berücksichtigt, dass die Plasmahalbwertszeit von Fluosol mit ca. 24 h zu kurz und die Konzentration der Emulsion mit 20 % (w/v) zu niedrig waren, um die Oxygenierung über längere Zeitspannen - letztlich bis zum Einsetzen einer suffizienten Erythropoese - zu gewährleisten. Fluosol transportierte aber effektiv Sauerstoff und wurde daher 1989 von der FDA zur Oxygenierung des poststenotischen Myokards während PTCA von Koronarstenosen zugelassen [9].
Weitere Nachteile des Fluosol waren seine geringe Stabilität bei Raumtemperatur, die komplizierte und mühsame Herstellung der Infusionslösung (Auftauen, Mischen der Komponenten), die Komplementaktivierung [10] [11] und die Beeinträchtigung der Leukozytenfunktion [12] durch den synthetischen Emulgator Pluronic-F68, sowie die prolongierte Geweberetention eines seiner Bestandteile (Perfluorotripropylamin, Eliminationshalbwertszeit ca. 65 Tage).
Die Nachteile des Fluosol wurden beim Perflubron (OxygentR, Alliance Pharmaceutical Corp., San Diego, CA) weitgehend eliminiert. Perflubron, das heute in klinischen Studien untersucht wird, ist eine 60 % (w/v) Emulsion aus 98 % Perfluorooctylbromid und 2 % Perfluorodecylbromid, in der sich bei einem O2-Partialdruck von einer Atmosphäre 17 - 25 % (v/v) Sauerstoff lösen [1] [13]. Die Substitution eines endständigen Fluor- durch ein Bromatom steigerte die Stabilität der Emulsion und verkürzte die terminale Eliminationshalbwertszeit auf circa vier Tage. Perflubron ist als gebrauchsfertige Lösung bei Raumtemperatur stabil [1]. Als Emulgator wird Eigelb-Phosphatid verwendet. Beeinträchtigungen der Leukozyten-, Lymphozyten- und Endothelzellfunktion sowie der Immunglobulinsekretion und des Komplementsystems wurden nach Perflubron beim Menschen nicht beobachtet [14] [15]. In vitro konnte eine antiinflammatorische Wirkung von Perflubron demonstriert werden [16]. In klinischen Studien wurden 24 h nach Perflubron-Gabe grippeähnliche Symptome, die mit einem passageren Anstieg des Interleukin-6 korrelierten sowie ein 17 % Abfall der Thrombozytenzahl nach zwei bis vier Tagen beobachtet. Klinisch relevante Komplikationen traten im Vergleich zu Kontrollgruppen nicht vermehrt auf [15] [17].
Zwei grundsätzliche Limitationen der Perfluorocarbone gelten auch für Perflubron: um die volle Wirksamkeit als künstlicher Sauerstoffträger zu erreichen, sind hohe O2-Partialdrücke erforderlich, und die intravasale Verweildauer der Emulsion ist zum kompletten Ersatz von Erythrozyten zu kurz (T1/2-Plasma 9,4 ± 2,2 h). Daher mussten neue klinische Konzepte entwickelt werden, die diese Limitationen berücksichtigen: als sinnvolle Indikation für Perflubron gilt nicht mehr der langfristige Erythrozytenersatz sondern die temporäre Sicherung der Gewebeoxygenierung durch Ersatz von Erythrozyten unter Bedingungen, die hohe O2-Partialdrücke ermöglichen. Perflubron wird perioperativ als passagerer Sauerstoffträger in Kombination mit präoperativer Hämodilution eingesetzt. Das dreistufige Konzept, das als Augmented Acute Normovolemic Hemodilution (A-ANH®) bezeichnet wird [18], sieht zunächst die präoperative akute normovolämische Hämodilution zur Gewinnung von autologen Erythrozyten vor, anschließend die Gabe von PFC und Beatmung mit reinem Sauerstoff zur Sicherung der Gewebeoxygenierung in Phasen niedriger intraoperativer Hämoglobinkonzentrationen und schließlich die Retransfusion der autologen Erythrozyten nach definitiver Blutstillung. Normovolämie muss durch die Infusion von kolloidalen Volumenersatzmitteln gewährleistet werden. Modellrechnungen, die auf den Daten einer klinischen Studie an orthopädischen Patienten beruhen [19], zeigen, dass die Gabe von 2,7 g/kg KG Perflubron eine zusätzliche Reduktion der Hämoglobinkonzentration um circa 2,5 g/dl ermöglicht, d. h. nach Gabe von 2,7 g/kg KG Perflubron entspricht das O2-Angebot bei einer Hämoglobinkonzentration von 5,5 g/dl dem von circa 8,0 g/dl ohne Perflubron. Die Gabe von Perflubron ermöglicht somit die Toleranz sehr niedriger Hämoglobinkonzentrationen, ohne dass die Oxygenierung und Funktion kritischer Organe (z. B. Herz, Leber, Darm) beeinträchtigt werden.
Studien an Hunden [20] und bei chirurgischen Patienten [21] zeigten, dass Perflubron (90 % w/v, 3,0 g/kg KG [20] bzw. 0,9 g/kg KG [21]) die systemische Oxygenierung während Hämodilution wirkungsvoll verbesserte. Diese Studien unterschieden sich allerdings von der klinischen Situation, da nach der einmaligen Bolusgabe von Perflubron weitere Blutungen - und damit der Verlust von Perflubron - unberücksichtigt blieben.
Habler et al. untersuchten daher in einem tierexperimentellen Modell, das die intraoperative Situation mit weiterem chirurgischen Blutverlust exakt simulierte, ob nach initialer normovolämischer Hämodilution (Hb 7,0 g/dl) die Bolusgabe von Perflubron (60 % w/v) ausreichen würde, um bei anschließender extremer normovolämischer Hämodilution die Gewebeoxygenierung von Myokard, Leber und Skelettmuskel sowie die myokardiale Funktion aufrechtzuerhalten [22] [23]. Nach einem einmaligen Bolus von 1,8 g/kg KG Perflubron blieben auch bei extremer Hämodilution (Hb 3,0 g/dl) die globale Oxygenierung und die Funktion aller Organe unbeeinträchtigt. Die PO2-Werte auf der Oberfläche von Leber und Skelettmuskel unterschieden sich trotz der drastischen Reduktion der Erythrozytenmasse (- 58 %) und des arteriellen O2-Gehaltes (- 50 %) bei Perflubron behandelten Tieren mit einer Hämoglobinkonzentration von nur 3 g/dl nicht von denen der Kontrollgruppe mit einer Hämoglobinkonzentration von 7,0 g/dl. Die systolische und diastolische Myokardfunktion waren in der Perflubron- im Vergleich zur Kontrollgruppe sogar verbessert [23].
Von besonderem Interesse erscheint, dass die Gewebeoxygenierung gesichert wurde, obwohl die Perflubron-Konzentration im Plasma durch die Aufnahme von PFC-Partikeln in das RES, den kontinuierlichen Blutverlust und den Volumenersatz mit Kolloiden auf 20 % des initialen Wertes abgesunken war. Der Anteil des im Perflubron gelösten Sauerstoffs am globalen O2-Angebot betrug 1,8 %, an der globalen O2-Aufnahme 4,3 %. Dies legt nahe, dass der Effekt von Perflubron auf die Gewebeoxygenierung nicht allein auf die Zunahme des arteriellen O2-Gehaltes zurückgeführt werden kann. In der Studie von Habler et al. wird diese Hypothese durch die Parameter der Gewebeoxygenierung einer zweiten Kontrollgruppe unterstützt, die ohne Perflubron bis auf eine Hämoglobinkonzentration von 3 g/dl hämodiluiert wurde: obwohl sich arterieller O2-Gehalt und Organperfusion zwischen den Gruppen nicht unterschieden, lagen die Gewebe-pO2-Werte mit Perflubron signifikant höher als ohne. Dies weist darauf hin, dass Perfluorocarbone nicht nur die O2-Löslichkeit im Plasma steigern, sondern darüber hinaus die O2-Verfügbarkeit und -diffusion in der Mikrozirkulation verbessern, ein Phänomen, das als Diffusion Facilitation bezeichnet wurde [24]. Als mögliche Mechanismen werden diskutiert: die Perfusion von Erythrozyten-freien Kapillaren durch die sehr viel kleineren PFC-Partikel sowie die Verbesserung der O2-Diffusion zwischen Erythrozyten und Gewebe durch die Konzentration von PFC-Partikeln nahe der Kapillarwand (Near Wall Phenomenon).
Basierend auf den positiven Ergebnissen tierexperimenteller Studien wurde das neue Konzept - die Kombination von Perflubron mit normovolämischer Hämodilution zum temporären intraoperativen Erythrozytenersatz - in einer multicentrischen Phase-II-Studie an orthopädischen Patienten überprüft [19]. 147 Patienten wurden präoperativ auf eine Hämoglobinkonzentration von 9 g/dl hämodiluiert und anschließend bei Erreichen definierter physiologischer Transfusionstrigger in vier Gruppen randomisiert: Retransfusion des autologen Blutes und FiO2 0,4, kolloidales Volumenersatzmittel und FiO2 1,0, sowie PFC entweder 0,9 oder 1,8 g/kg und FiO2 1,0. Endpunkte waren die Dauer des Therapieeffektes, d. h. das Intervall zwischen Auftreten des Transfusionstriggers und der Gabe von autologen Erythrozyten bzw. dem OP-Ende sowie der Anteil der Patienten, bei denen die Transfusionstrigger durch die jeweilige Behandlung komplett reversibel waren. Nach der Gabe von Perflubron (1,8 g/kg) dauerte es signifikant länger (80 min) als nach kolloidalen Lösungen (30 min) oder nach autologem Blut (55 min), bis erneut Transfusionstrigger auftraten (Abb. [1]). Die Transfusionstrigger waren nach Gabe von 0,9 bzw. 1,8 g/dl Perflubron bei 82 und 97 % der Patienten reversibel, in der Gruppe, die nur Kolloide erhielt bei 76% und in der autologen Blutgruppe nur bei 60 % (p < 0,05 PFC 1,8 g/kg vs. autologes Blut). Perflubron war also effektiver als autologes Blut zur Deckung eines O2-Defizits. Nebenwirkungen wie grippeartige Symptome oder Thrombopenien traten in der Perflubron-Gruppe nicht vermehrt auf. Auch wenn diese Studie primär nicht auf Unterschiede im Transfusionsbedarf ausgerichtet war, bleibt festzuhalten, dass die Anzahl allogener Transfusionen sich zwischen allen Gruppen nicht unterschied (1,6 - 24, Einheiten bis zur Entlassung aus dem Krankenhaus), d. h. das neue Konzept verminderte den Transfusionsbedarf nicht.
Ob die Fremdblutgabe durch das Konzept der Augmented Acute Normovolemic Hemodilution in Kombination mit Perflubron tatsächlich vermindert werden kann, war daher Ziel einer kürzlich abgeschlossenen, europäischen multizentrischen Phase-III-Studie [25]. In dieser Studie wurde A-ANH + Perflubron mit einer Standardtherapie ohne Hämodilution an 492 Patienten mit großen, nicht-kardiochirurgischen Eingriffen und einem zu erwartenden Blutverlust ≥ 20 ml/kg KG verglichen. Patienten der A-ANH-Gruppe wurden präoperativ auf eine Hämoglobinkonzentration von 8,0 ± 0,5 g/dl hämodiluiert und erhielten 1,8 g/kg KG Perflubron. Bei Unterschreiten einer Hämoglobinkonzentration von 6,5 g/dl wurde eine zweite Perflubron-Dosis von 0,9 g/dl gegeben, bei Unterschreiten von 5,5 g/dl oder beim Auftreten physiologischer Transfusionstrigger wurde zuerst autologes, dann allogenes Blut retransfundiert. Patienten der Standardtherapiegruppe wurden nicht hämodiluiert und erhielten bei Unterschreiten einer Hämoglobinkonzentration von 8,0 g/dl oder bei Auftreten physiologischer Transfusionstrigger eine autologe oder allogene Transfusion. Die unterschiedlichen Transfusionstrigger - 5,5 g/dl in der A-ANH- und 8,0 g/dl in der Standardtherapiegruppe wurden anhand eines mathematischen Modells unter der Annahme festgelegt, dass 2,7 g/kg Perflubron äquivalent zu circa 2,5 g/dl Hämoglobin seien. Postoperativ musste die Hämoglobinkonzentration bei allen Patienten bis zur Entlassung aus dem Krankenhaus > 8,5 ± 0,5 g/dl liegen. Studienendpunkte waren die Anzahl der allogenen und autologen Transfusionen sowie der Anteil der Patienten, die nicht transfundiert wurden. Erste Ergebnisse liegen als Abstract vor. 330 von 492 Patienten hatten einen Blutverlust ≥ 20 ml/kg. In dieser Zielpopulation war die Anzahl autologer und allogener Bluttransfusionen in der A-ANH-Gruppe gegenüber der Standardtherapiegruppe signifikant vermindert (Tab. [1]). Der Anteil von Patienten die keinerlei Transfusionen erhielten lag in der A-ANH- gegenüber der Standardtherapiegruppe signifikant höher (Tab. [1]). Alle anderen Blutprodukte (Gefrierplasmen, Thrombozytenkonzentrate) unterschieden sich nicht zwischen den Gruppen. Nebenwirkungen waren in beiden Gruppen gleich häufig und die Mortalität unterschied sich nicht. Diese Befunde belegen, dass Perflubron in Kombination mit A-ANH geeignet ist, die Fremdblutexposition von Patienten, die sich Operationen mit voraussichtlich großem Blutverlust unterziehen müssen, zu reduzieren. Kritisch muss jedoch angemerkt werden, dass nicht auszuschließen ist, dass dieses Ergebnis durch die unterschiedlichen Transfusionstrigger beeinflusst wurde und somit nicht ausschließlich auf der Wirkung des künstlichen O2-Trägers Perflubron beruht.
In einer weiteren klinischen Phase-III-Studie wurde Perflubron bei kardiochirurgischen Patienten während extrakorporaler Zirkulation (EKZ) untersucht. In dieser Studie wurde zu Beginn der extrakorporalen Zirkulation eine akute normovolämische Hämodilution durchgeführt und simultan Perflubron zur Sicherung der Oxygenierung gegeben. Die Studie, deren Ergebnisse bisher nicht publiziert sind, musste vorzeitig abgebrochen werden, da in der Perflubron-Gruppe vermehrt cerebrovaskuläre Komplikationen auftraten. Auch wenn ein ursächlicher Zusammenhang zwischen diesen Komplikationen und dem Perflubron nicht belegt werden kann und möglicherweise die sehr rasch durchgeführte Hämodilution zu Beginn der EKZ für die Probleme mitverantwortlich ist, wurden weitere klinische Studien zum Einsatz von Perflubron als O2-Träger vorläufig vom Hersteller (Alliance Corp.) gestoppt.
Scheiterte das Fluosol, weil es in falscher Indikation als O2-tragender Volumenersatz angewandt wurde, so scheint der Einsatz von Perflubron nach dem Paradigmenwandel - vom Blutersatz zur passageren Sicherung der Gewebeoxygenierung - auch klinisch erfolgversprechend zu sein. Als grundsätzlicher Nachteil aller Perfluorocarbone bleibt bestehen, dass die Anwendung als Sauerstoffträger die Kombination mit Erythrozyten zur dauerhaften Sicherung des O2-Transports erfordert. Vor einer möglichen klinischen Zulassung von Perflubron als künstlichem O2-Träger müssen allerdings noch ausstehende Fragen untersucht werden, die sich aus dem Abbruch der herzchirurgischen Studie ergeben sowie die Unbedenklichkeit höherer Dosen als der bisher verwendeten.
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Prof. Dr. Martin Welte
Klinik f. Anästhesiol./Intensivmed.
Klinikum Benjamin Franklin der FU Berlin
Hindenburgdamm 30
12200 Berlin