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DOI: 10.1055/s-2001-18195
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York
Die „Ära” der Bluttransfusionsapparate aus gerinnungsverzögernden Materialien im deutschsprachigen Raum
The “Age” of Anticoagulating Materials in Transfusion Devices in the German Speaking AreaPublication History
Publication Date:
05 November 2001 (online)
Apparate und andere Hilfsmittel aus gerinnungsverzögernden Materialien für Bluttransfusionen wurden im deutschsprachigen Raum hauptsächlich zwischen 1910 und 1940 in die Bluttransfusionspraxis übernommen oder neu entwickelt, also während eines Zeitraums von etwa 30 Jahren. Klinisch-praktisch setzte man sie noch nach dem Zweiten Weltkrieg ein, allerdings verloren sie nun allmählich ihre Bedeutung. Die Hauptdomäne dieser Gerätegruppe war die Übertragung von unverändertem Blut. Als gerinnungsverzögernde Materialien wurden zunächst Paraffin, später Kunstharze, hochpolierter Stahl, Bernstein und Kunstgummi eingesetzt.
Von Anfang an standen die Hilfsmittel aus gerinnungsverzögernden Materialien in Konkurrenz zu anderen Techniken. Mit den alternativen Verfahren wurde teilweise ebenfalls unverändertes Blut transfundiert, etwa mit Hilfe von direkten Gefäßanastomosen zwischen Spender und Empfänger, oder auch mit Systemen aus Glasspritzen, wie dem weit verbreiteten, 1919 publizierten Transfusionsapparat nach Franz Oehlecker, mit dem Blut von „Vene zu Vene” übertragen wurde. Bei dieser Konstruktion verhinderte man die Gerinnung des Blutes durch einen besonders kurzen Kontakt mit dem Apparat. Andere Verfahren arbeiteten mit Blutzusätzen, wie Natriumcitrat, und wirkten so der Gerinnung des Blutes während der Transfusion entgegen. Obwohl technisch leicht durchführbar, lehnten viele Heilkundige im deutschsprachigen Raum die Citratbluttransfusion aber ab und bevorzugten unverändertes Blut. Richard Lewisohn, einer der Pioniere dieses Verfahrens, klagte etwa noch 1933 darüber, dass die Citratbluttransfusion in Deutschland „stiefmütterlich” behandelt werde.
Warum war die Transfusion unveränderten Blutes im deutschsprachigen Raum so beliebt und warum etablierten sich die Apparate aus gerinnungsverzögernden Materialien gerade um 1910 in der Praxis? Welche Antworten auf diese Fragen aus der zeitgenössischen medizinischen Fachliteratur rekonstruiert werden können, ist Gegenstand des ersten Teils dieser Arbeit. Anschließend wird in derselben Quellengattung nach den Motiven der Konstrukteure gesucht, bis in die späten 1930er Jahre immer wieder Modifikationen oder auch neue Modelle zu entwickeln.
Literatur
- 1 Pelis K. Blood Clots - the Nineteenth-Century Debate over the Substance and Means of Transfusion in Britain. Annals of Science. 1997; 54 331-360
-
2 Schulz S.
Bluttransfusionsgeräte aus „echtem” und „Kunst-Bernstein”. Michael Ganzelewski und Rainer Slotta In: Bernstein - Tränen der Götter. Bochum 1996: 465-474 -
3 Schulz S.
Vom Paraffin zum Bernstein: Die „Evolution” von Bluttransfusionsapparaten aus gerinnungsverzögernden Substanzen im frühen 20. Jahrhundert. Vom Paraffin zum Bernstein: Die „Evolution” von Bluttransfusionsapparaten aus gerinnungsverzögernden Substanzen im frühen 20. Jahrhundert. Heinz Goerke und Christa Habrich In: Jahrbuch des Deutschen Medizinhistorischen Museums 10 (1997-1999). Ingolstadt 2000: 221-255 -
4 Schlich T.
„Welche Macht über Leben und Tod”. Wolfgang U. Eckart und Christoph Gradmann Die Etablierung der Bluttransfusion im Ersten Weltkrieg. In: Die Medizin und der Erste Weltkrieg. Pfaffenweiler 1996: 109-130 - 5 Schlich T. Die Erfindung der Organtransplantation. Erfolg und Scheitern des chirurgischen Organersatzes (1880-1930). Frankfurt a.M., New York 1998
Dr. Stefan Schulz
Abtl. für Geschichte der Medizin
Ruhr-Universität Malakowturm
Markstraße 258 a
44799 Bochum