Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2001; 36(Suppl 2): 71-75
DOI: 10.1055/s-2001-18178
GESCHICHTE DER VOLUMENTHERAPIE
ORIGINALARBEIT
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Die Anfänge der Volumentherapie

The Beginnings of Volume TherapyM. Goerig
  • Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
05. November 2001 (online)

Die Ursprünge eines gezielten Volumenersatzes

Der englische Arzt Thomas Latta (1793 - 1833) kann als der eigentliche Vater der modernen Infusionstherapie bei akut auftretender Hypovolämie angesehen werden. Schon 1831 verabreichte er Choleraerkrankten bis zu 10 Liter einer intravenösen Salzlösung und konnte sie retten [1]. Im Resümee seiner ersten Publikation wies er darauf hin, dass der Misserfolg der Infusionstherapie seiner Überzeugung durch folgende Faktoren bedingt war:

das verabreichte Flüssigkeitsvolumen war zu gering der Zeitpunkt der therapeutischen Maßnahmen erfolgte zu spät die Grunderkrankung des Patienten war so schwerwiegend, dass eine Infusionstherapie ohne Erfolg blieb.

Über Jahrzehnte blieben Lattas Empfehlungen nahezu unbeachtet. Neues Interesse an einem Flüssigkeitsersatz auf intravenösem Weg wurde nach den kriegerischen Auseinandersetzungen während des deutsch-französischen Krieges von 1870 - 1871 erkennbar, als Sanitätsoffiziere die Frage eines geeigneten Flüssigkeitsersatzes bei verwundeten Soldaten diskutierten. Noch während des Krieges waren sie sich allerdings uneins, ob zur Verhütung des Verblutungstodes es wichtiger ist, Erythrozyten oder das Plasma und damit Flüssigkeit zu verabreichen. Den Chirurgen Ernst von Bergmann (1836 - 1907) beschäftigte dieses Problem ebenfalls und in seinen 1871 veröffentlichten Kriegsberichten brachte er zum Ausdruck, dass „viele Verwundete überlebt [hätten], wenn es möglich gewesen wäre, schnell genug den Flüssigkeitsbestand des Körpers aufzufüllen. Wir glauben mit Sicherheit annehmen zu können, dass das erforderliche Flüssigkeitsvolumen nicht blutkörperchenhaltig zu sein braucht”. Es ist nicht bekannt, ob von Bergmann bei den vom ihm betreuten Soldaten eine Infusionstherapie mit Kochsalzlösungen gewagt hat. Er dürfte aber mit Fällen konfrontiert worden sein, bei denen an eine Transfusion von Menschen- oder Tierblut gedacht worden war, eine Maßnahme, die damals oft von dramatischen Folgen überschattet war. Diese Gefahren und die Schwierigkeiten bei ihrer Durchführung führten dann zur Suche nach geeigneten Blutersatzlösungen.

Literatur

  • 1 Latta T. Malignant Cholera.  Lancet. 1831;  2 274
  • 2 Goltz F. Über den Tonus der Gefäße und seine Bedeutung für die Blutbewegung.  Virchows Arch. 1864;  29 394-432
  • 3 Kronecker H, Sander J. Bemerkung über lebensrettende Transfusion mit anorganischer Salzlösung bei Hunden.  Berl klin Wochenschr. 1879;  16 767
  • 4 Kümmell H. Ueber die Wirkung und die Gefahren der intraarteriellen Infusion alkalischer Kochsalzlösung bei acuter Anämie.  Cbl f Chir. 1882 ;  9 305-309
  • 5 Landerer A. Handbuch der allgmeinen chirurgischen Pathologie und Therapie. Urban & Schwarzenberg, Wien und Leipzig 1890
  • 6 Ott D. Über den Einfluss der Kochsalzinfusion auf den verbluteten Organismus im Vergleich mit anderen zur Transfusion verwendeten Flüssigkeiten.  Virchows Archiv pathol Anatomie. 1883;  93 114-168
  • 7 Hercher F. Die Behandlung der Gefäßatonie mit hypertonischer Kochsalzlösung.  Münch med Wochenschr Feldärztliche Beilage. 1916;  49 1740-1742
  • 8 Schück F. Schockbekämpfung durch intravenöse Injektion hypertonischer Löungen.  Zbl f Chir. 1932 ;  34 2027-2029
  • 9 Hecht G, Weese H. Periston - ein neuer Flüssigkeitsersatz.  Münch med Wochenschr. 1943;  1 11-15
  • 10 Duesberg R, Schroeder W. Pathophysiologie und Klinik der Kollapszustände. Hirzel, Stuttgart 1944

Dr. Michael  Goerig

Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

Martinistraße 52

20240 Hamburg