Dtsch Med Wochenschr 2001; 126(42): 1189-1190
DOI: 10.1055/s-2001-17886
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© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Statine als neue Therapiemöglichkeit der Osteoporose? -Wunschdenken im Kontrast zur Datenlage

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Publication Date:
28 April 2004 (online)

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Der Übersichtsartikel »Statine als neue Therapiemöglichkeit der Osteoporose?« zeichnet m. E. ein zu optimistisches Bild der Wirksamkeit der bis jetzt untersuchten HMG-CoA Reductasehemmer (Statine); insbesondere stellen die Autoren die vergleichende Wertigkeit der Studien mit positivem und negativem Ausgang nicht objektiv dar [10].

Bei den vier zur Unterstützung der Hypothese einer durch Osteoblastenstimulation erzielten Frakturreduktion angeführten klinischen Studien [4] [5] [11] [16] handelt es sich ausschließlich um retrospektive Fall-Kontrollstudien, bei denen die Möglichkeit einer unbeabsichtigten Vorselektion wahrscheinlich ist. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn es Hinweise gibt, dass Statine bevorzugt an Personen verschrieben wurden, die von vornherein ein erniedrigtes Frakturrisiko haben. Ein protektiver Effekt wird vorgetäuscht, falls für diese Faktoren die Kontrollgruppen nicht egalisiert sind. So wurde z.B der Body-Mass-Index (BMI), welcher sowohl mit erhöhtem Cholesterinspiegel als auch mit erhöhter Knochendichte und erniedrigtem Frakturrisiko einhergeht, in zwei von drei der als Argument herangezogenen Frakturstudien nicht [4] [16] und in der dritten aufgrund fehlender Daten nur zum Teil berücksichtigt [11]. Weitere mögliche, jedoch gewichtige Einflüsse, die in keiner der angeführten Studien berücksichtigt wurden sind körperliche Fitness und Aktivität, Calcium- und Vitamin-D Einnahme sowie der Einfluss anderer Medikamente wie z. B. Diuretika, welche einen günstigen Einfluss auf den Knochenstoffwechsel haben [5]. Durch den Randomisierungsprozess prospektiver Studien werden solche Faktoren, insbesondere auch noch unbekannte, egalisiert. Die einzigen beiden prospektiven randomisierten - für Frakturdaten re-evaluierten - Studien, konnten keinen Effekt oder Trend von Statinen auf die Frakturhäufigkeit nachweisen (obwohl sie eindeutig die statistische Trennschärfe besaßen, einen von den Vorgängerstudien nahegelegten Effekt der Frakturreduktion von 45-55% nachzuweisen) [12] [13].

Weiterhin werden von den Autoren drei neuere, bereits im September 2000 veröffentlichte Studien (zwei davon über Frakturdaten, eine über Knochendichte) vorenthalten, von denen ebenfalls keine einen überzeugenden Zusammenhang darlegen konnte [3] [9] [14].

Die Auswertung der »Women’s Health Initiative Observational Study« Kohortenstudie ergab keine signifikante Reduktion für Arm-, Handgelenks-, Hüft- oder anderer Frakturen. Auch bei einer Subgruppenanalyse der Patienten mit längerer Statineinnahme ergab sich keine Frakturreduktion [9].

VanStaa und Mitarbeiter reanalysierten die bereits von Meier zugrundegelegte »UK General Practice Database« und konnten bei einer Auswertung von 81 000 Patienten mit Frakturen (im Gegensatz zu Meier, der die Daten von nur 3940 Frakturpatienten auswertete) gegenüber der gleichen Anzahl vergleichbarer Kontrollpatienten keine durch Statine assoziierte Frakturreduktion dokumentieren. Auch die Subgruppenanalyse bezüglich längerer Einnahmedauer sowie Einnahme neuerer Statine wie Simvastatin oder Atorvastatin ergab keine Frakturreduktion [14] [15].

Wenn man der Hypothese folgt, dass Statine zu einer Frakturreduzierung aufgrund eines positiven Einflusses auf den Knochenstoffwechsel führen, wäre auch ein eindeutiger Effekt auf die Knochendichte oder zumindestens auf Knochenstoffwechselparameter zu erwarten, da ansonsten eine Frakturreduktion durch Statine zwar auch noch möglich - jedoch dann von der ursprünglichen Hypothese unabhängig wäre (z. B. durch die durch Statine nahegelegte Reduktion einer zerebrovaskulären Demenz [8] und eine möglicherweise dadurch reduzierte Fallneigung). Im Gegensatz zur der angeführten Edwards-Studie [5] zeigte die Knochendichteanalysen der wesentlich größeren »Women’s Health Initiative Observational Study« unter Statineinahme nur eine minimale relative Knochendichteerhöhung [3], die nach Aussage der Studienleiterin Dr. Cauley verschwindet, wenn die Kontrollgruppe für Faktoren wie ethnische Zugehörigkeit sowie Verschreibung von Blutdruckmedikamenten (welche beide Einfluss auf die Knochendichte haben) egalisiert wird [2]. Weiterhin zeigt die bisher einzige pro-spektive Patientenstudie, die Knochenanbau- und Knochenresorptionsparameter unter Statineinnahme untersucht, durch Fluvastation über 3 Monate gegenüber einer Vitamin C-Kontollgruppe keine signifikanten Effekte auf die untersuchten Parameter (Serumosteocalcin, alkalische Phosphatase sowie Urin-CrossLaps) [1].

Unbestritten ist, dass eine endgültige Beurteilung einer möglichen Frakturreduktion durch Statine erst durch prospektive randomisierte Studien mit Frakturreduktion als primärem Studienendpunkt zu erzielen ist. Wie oben versucht darzulegen, deutet die bisherige Datenlage jedoch darauf hin, dass dies mit den bis jetzt zur Verfügung stehenden, für Cholesterinsenkung entwickelten Statinen eher nicht oder nur unzureichend zu erreichen ist. Weiterhin unbestritten bleibt, dass der theoretische Ansatz durch Statine eine Osteoporosebehandlung zu entwickeln, forschungswürdig bleibt und sich in der Zukunft durch verbesserte Applikationsformen (z.B transdermal [6], mit dadurch wesentlich höher zu erreichenden Plasmaspiegeln) oder durch Entwicklung von neuen Substanzen mit höherer Knochenaffinität vielleicht realisieren lässt.