Handchir Mikrochir Plast Chir 2001; 33(5): 325-326
DOI: 10.1055/s-2001-17764-2
Kommentar

Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Kommentar zum Beitrag von W. Baer, P. Schaller und S. Ruf

Koinzidenz von Lipom und Liposarkom der rechten Hand bei einem 84-jährigen Patienten: Eine FalldarstellungP. M. Vogt1 , B. Hentschel2 , C. Kuhnen3 , H. U. Steinau1
  • 1 Klinik für Plastische Chirurgie und Schwerbrandverletzte, Handchirurgie-Zentrum, Referenz-Zentrum für Gliedmaßentumoren (Direktor: Univ.-Prof. Dr. med. H. U. Steinau)
  • 2 Radiologisches Institut der Berufsgenossenschaftlichen Kliniken Bergmannsheil, Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum
  • 3 Pathologisches Institut der Berufsgenossenschaftlichen Kliniken Bergmannsheil, Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum
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Publication Date:
29 April 2004 (online)

Der Beitrag von W. Baer und S. Ruf stellt den seltenen Fall eines Liposarkoms dar, das zentral in einem Lipom der Thenarregion der rechten Hand lokalisiert war. Diese Falldarstellung berührt eine Reihe von relevanten Fragen der aktuellen Therapie des Liposarkoms.

Das zu den häufigsten Weichgewebssarkomen zählende Liposarkom ist vornehmlich an den unteren Extremitäten (Oberschenkel) und im Retroperitoneum lokalisiert. Für die extrem seltene Lokalisation an der Hand existieren in der Literatur nur wenige Mitteilungen (Sawhney und Mitarb. 1975[9], Brien und Mitarb. 1995[1], Capelastegui und Mitarb. 1999[2], Ogose und Mitarb. 2000[7]).

Die Einteilung der Liposarkome erfolgt heutzutage nach WHO-Vorgaben in folgende Typen: 1 = hochdifferenzierte (G1-)Liposarkome, 2 = myxoide und 3 = rundzellige Liposarkome, 4 = dedifferenzierte Liposarkome, 5 = pleomorphe Liposarkome. Die meisten Liposarkome fallen in eine von zwei großen Gruppen, von denen die myxoid/rundzelligen Liposarkome die eine, hochdifferenzierte und dedifferenzierte Liposarkome die andere darstellen.

Die myxoiden und rundzelligen Liposarkome sind hierbei als eine Entität beziehungsweise in ein Spektrum bösartiger lipomatöser Tumoren einzuordnen, da gleiche zytogenetische Befunde mit einer 12;16-Translokation vorliegen. Molekularbiologisch/zytogenetische Techniken haben sich daher auch als wesentliche Hilfsmethoden für die konventionelle histologische Diagnosestellung erwiesen (Katenkamp 2000[6]).

Während die Diagnose des Liposarkoms klinisch kaum zu stellen ist, bietet die Kernspintomographie Möglichkeiten der Differenzierung. In der T2-gewichteten Sequenz zeigen sich diese Sarkome sehr signalintensiv, wobei eine inhomogene Tumorkonfiguration nachgewiesen ist. Da Liposarkome einen hohen Anteil an fibroblastenähnlichen Spindelzellen und eine starke Septierung aufweisen, erscheint es plausibel, dass Liposarkome sich in der MRT eher „sarkomtypisch“ darstellen. Eine Unterscheidung zu den übrigen Sarkomen erscheint nur in Ausnahmen möglich. Der radiologische Verdacht auf ein Liposarkom kann sich, wie auch in dem vorliegenden Fall, aufgrund einer in T1-Gewichtung muskelisointensen und in T2-Gewichtung signalreichen Abbildung ergeben (Jelinek und Mitarb. 1993[5]).

Als Standard in der Diagnosesicherung der Weichgewebssarkome gilt heute die initiale Inzisionsbiopsie mit Beurteilung des Schnittes auch unter Hinzuziehung eines Referenzpathologen und Einsatz moderner molekularbiologisch-pathologischer Methoden. Nach histologischer Sicherung und Staging erfolgt dann die adäquate onkologische Resektion.

Anzumerken ist, dass eine radikale Resektion nur bei gesicherter Malignität durchgeführt werden darf.

Zu diskutieren ist die Frage, ob Liposarkome generell durch Entartung von Lipomen entstehen. Bislang existieren lediglich Kasuistiken, bei denen dies, ebenso wie in der vorgestellten Kasuistik, postuliert wird (Sternberg 1952[10]). Darüber hinaus treten aber gutartige morphologische Varianten auch bei benignen Lipomen in Form fokal myxoider, spindelzelliger und pleomorpher Areale auf, insbesondere wenn die Tumoren einen raschen Wachstumsschub durchmachen.

Wie die Autoren richtig anführen, ist bislang für lipogen differenzierte Tumoren eine sarkomatöse Entartung nicht allgemein anerkannt. In der Tat ist die überwiegende Anzahl der so dokumentierten Liposarkome, die sich in benignen Lipomen entwickelt haben sollen, entweder als fehldiagnostizierte dedifferenzierte Liposarkome anzusehen (Sternberg 1952[10], Sampson und Mitarb. 1960[8]), oder die entsprechenden Tumoren waren unzureichend aufgearbeitet worden.

Falls es sich wirklich um ein „sklerosierendes“ Liposarkom gehandelt hat, dann ist dieser Tumor als ein G1- und nicht als G2-Tumor zu graduieren. Interessant wäre es zu wissen, um welchen Subtyp eines Liposarkoms es sich im vorliegenden Fall gehandelt hat.

Es existiert zwar in der Literatur, wie von den Autoren zitiert, immer noch das Dogma, dass die Größe von Sarkomen (größer oder kleiner als 5 cm) die Indikation zum Extremitätenerhalt bestimme. Jedoch liegen insbesondere für das Liposarkom hierzu keinerlei relevante Daten vor. Für Sarkome unter 5 cm Größe wird bei weiter Exzision sogar der Verzicht auf adjuvante Therapiemaßnahmen nahegelegt (Geer und Mitarb. 1992[4]). Unter allen Extremitätenlokalisationen ergibt sich aber bei T1-Sarkomen (unter 5 cm Größe) für die Lokalisation an der Hand eine schlechtere Prognose, wobei die Faktoren hierfür nicht bekannt sind (Brien und Mitarb. 1995[1]).

Generell gilt heute bei der chirurgischen Therapie der Weichgewebssarkome des Erwachsenenalters die „weite Exzision“ mit einem Sicherheitsabstand von 5 cm zur Seite und 2 cm zur Tiefe im Sinne der intrakompartimentalen Resektion als Goldstandard. Dieses bedeutet die Entfernung innerhalb eines gesunden Gewebemantels. Bei besonderen Lokalisationen, wie an der Hand, können bei unumgänglicher Amputation zur Erreichung des Sicherheitsabstandes bei Resektion hochmaligner Sarkome heute mit modifizierten Amputationsformen (zum Beispiel Strahlamputationen) unter Einschluss der modernen rekonstruktiv-plastischen Techniken funktionserhaltende Resektionen durchgeführt werden. Wegen der geschilderten Komplexität ist daher die Zuweisung an ein Zentrum mit umfassenden Erfahrungen in der plastisch-rekonstruktiven Onkologie zu fordern.

Bei niedrigmalignen Sarkomen, wie einem G1-Liposarkom mit exzellenter Langzeitprognose und minimalem Metastasierungsrisiko, sind auch knappe R0-Resektionen an der Hand zu rechtfertigen, zumal damit ein Funktionserhalt gewährleistet wird.

Immer noch kommt es bei der Diagnosestellung von Weichgewebssarkomen zu monatelangen Verzögerungen, da derartige Verdachtsdiagnosen wie Hämatom oder Muskeldistorsion vermutet werden. Die Kernspintomografie und ihre Möglichkeiten der T1- und T2-Gewichtung geben heute bei unklaren Raumforderungen diagnostische Hinweise auf einen Weichteiltumor insbesondere bei der Differenzierung von Lipomen und Liposarkomen (Demas und Mitarb. 1988[3], Jelinek und Mitarb. 1993[5]), aber insbesondere an der Hand auch für arteriovenöse Malformationen, fibrolipomatöse Hamartome und Riesenzelltumoren der Sehnenscheiden (Capelastegui und Mitarb. 1999[2]). Zusammen mit der bioptisch histologischen Sicherung kann eine frühzeitigere und somit prognoseverbessernde Therapie von Weichgewebssarkomen erfolgen.

Literatur

  • 1 Brien E W, Terek R M, Geer R J, Caldwell G, Brennan M F, Healey J H. Treatment of soft-tissue sarcomas of the hand.  J Bone Joint Surg [Am]. 1995;  77 564-571
  • 2 Capelastegui A, Astigarraga E, Fernandez-Canton G, Saralegui I, Larena J A, Merino A. Masses and pseudomasses of the hand and wrist: MR findings in 134 cases.  Skeletal Radiol. 1999;  28 498-507
  • 3 Demas B E, Heelan R T, Lane J, Marcove R, Hajdu S, Brennan M F. Soft-tissue sarcomas of the extremities: Comparison of MR and CT in determining the extent of disease.  Am J Roentgenol. 1988;  150 615-620
  • 4 Geer R J, Woodruff J, Casper E S, Brennan M F. Management of small soft-tissue sarcoma of the extremity in adults [see comments].  Arch Surg. 1992;  127 1285-1289
  • 5 Jelinek J S, Kransdorf M J, Shmookler B M, Aboulafia A J, Malawer M M. Liposarcoma of the extremities: MR and CT findings in the histologic subtypes.  Radiology. 1993;  186 455-459
  • 6 Katenkamp D. Maligne Weichgewebstumoren. Betrachtungen zum diagnostischen Beitrag der Pathologie.  Deutsches Ärzteblatt. 2000;  97 452-456
  • 7 Ogose A, Kobayashi H, Morita T, Hasegawa K, Hirata Y. Well-differentiated liposarcoma of the hand. Case report [In Process Citation].  Scand J Plast Reconstr Surg Hand Surg. 2000;  34 185-187
  • 8 Sampson C C, Saunders E H, Grenn W E, Laurey J R. Liposarcoma developing in a lipoma.  Archiv Pathol. 1960;  69 506-510
  • 9 Sawhney K K, McDonald J M, Jaffe H W. Liposarcoma of the hand.  Am J Surg. 1975;  41 117-120
  • 10 Sternberg S S. Liposarcoma arising within a subcutaneous lipoma.  Cancer. 1952;  5 975-978

Prof. Dr. med. Peter M. Vogt

Klinik für Plastische Chirurgie und Schwerbrandverletzte, Handchirurgie-Zentrum, Referenz-Zentrum für Gliedmaßentumoren, Berufsgenossenschaftliche Kliniken Bergmannsheil Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum

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Email: peter.vogt@ruhr-uni-bochum.de

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