PiD - Psychotherapie im Dialog 2001; 2(3): 261-269
DOI: 10.1055/s-2001-17177
Aus der Praxis
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Ein systemischer Zugang bei der Behandlung
sexueller Störungen

Ulrike  Brandenburg, Heinz  J.  Kersting
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Publication Date:
14 September 2001 (online)

Abstract

Anhand eines Erstgespräches mit einem impotenten Paar wird Systemische Sexualtherapie dargestellt, analysiert und diskutiert. Dabei wird deutlich, welch hohe therapeutische Potenz der systemische Ansatz bei der Behandlung von Menschen mit sexuellen Problemen hat. Nicht die Störung an sich, sondern die Störung in Bezug auf wen, auf was, auf wie - darum geht es.
Die systemische Therapie vermag mit ihren Möglichkeiten ein Verständnis herzustellen dafür, wie Sexualität kommuniziert wird. Durch ihre geplanten Irritationen bietet sie in einem zweiten Schritt an, dieses Kommunikationssystem - sofern vom Paar gewünscht - zu verändern. Insofern ist sie in der Lage, Patienten darin zu unterstützen, Sexualität neu zu konstruieren.
Am beschriebenen Fall wird aufgezeigt, wie das Paar unter der behutsam verstörenden, ressourcenorientierten und ermutigenden Anleitung durch die Therapeutin zu dem angst- und schambesetzten Thema der Impotenz eigene und neue Perspektiven bezüglich des Symptoms vornehmen kann. Über das Wagnis des Sich-einander-Zumutens erhöhen sich Nähe und emotionale Intimität und es entwickelt sich ein von dem Paar selbst initiierter Prozess von höchster therapeutischer Potenz. Dabei kann das Symptom der Impotenz bereits an Bedeutung verlieren, obwohl auf der Symptomebene noch gar nicht therapeutisch gearbeitet wurde.

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Adressen der Autoren:

Dr. med. Ulrike Brandenburg

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
des Universitätskrankenhauses der RWTH Aachen
Funktionsbereich:
Sexualwissenschaft/Gynäkologische Psychotherapie

Pauwelstr. 30
52074 Aachen

Prof. Dr. Heinz J. Kersting

Institut für Beratung und Supervision

Heckstr. 25

52080 Aachen

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