Dtsch Med Wochenschr 2001; 126(27): 799-800
DOI: 10.1055/s-2001-15562
Pro & Contra
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Osteodensitometrie bei Osteoporose - zur Diagnose nicht ausreichend

Osteodensitometry in osteoporosis: inadequate for diagnosisR. Gärtner
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Publication Date:
31 December 2001 (online)

Die Definition der Osteoporose hat sich in den letzten Jahren geändert. War früher die typische Fraktur nach Bagatelltrauma das diagnostische Kriterium, so ist es heute die Knochendichte. Die Osteodensitometrie wird als ein quantifizierbares Verfahren eingesetzt, um das zu beschreiben, was Radiologen früher subjektiv als vermehrt »strahlengängig« oder »radioluzent« im konventionellen Röntgen der Knochen bezeichneten. Die gegenwärtige Bedeutung der Osteodensitometrie für die Diagnose einer Osteoporose ist in der Definition der »Consensus Development Conference 1993« wiedergegeben: »Die Osteoporose ist eine systemische Skeletterkrankung mit verminderter Knochendichte und einer Verschlechterung der Mikroarchitektur, mit der Folge einer erhöhten Knochenbrüchigkeit und erhöhtem Frakturrisiko« [3] . Die Verfügbarkeit von verschiedenen Methoden, die Knochendichte objektiv bestimmen zu können, hat diese Definition der Osteoporose, die auf der von Melton und Wahner [1] [2] basiert, beeinflusst. Diese Autoren definierten die klinische Osteoporose als das Vorhandensein einer Fraktur nach inadaequantem Trauma und dem Nachweis einer verminderten Knochendichte unterhalb einer »Frakturschwelle«. Eine verminderte Knochendichte mit einem 2-3fach erhöhten Frakturrisiko wurde als Osteopenie bezeichnet. Die »WHO Working Group« versuchte dem in der Definition von 1994 [1] [3] gerecht zu werden. Eine Knochendichte unterhalb der 2,5fachen Standardabweichung bezogen auf junge Erwachsene (T-Score) wurde als Osteoporose bezeichnet. Kanis et al. [8] erarbeiteten auf dieser Basis die noch heute geltenden diagnostischen Kriterien: Die Osteopenie ist danach definiert als eine Knochendichte mit einem T-score zwischen -1 und -2,5 SD, eine Osteoporose bei mit einem T-Score unter -2,5 SD und eine manifeste Osteoporose mit einer oder mehreren Frakturen und einem T-Score unter -2,5 SD.

Die Osteoporose-bedingten Frakturen sind die entscheidende klinische Manifestation, die sowohl die Beschwerden als auch möglicherweise die Lebenserwartung eines Patienten beeinträchtigen. Die meisten Frakturen nach minimalen Traumen bei älteren Personen entstehen auf dem Boden einer Osteoporose, aber es ist keineswegs so, dass alle diese Frakturen mit einer verminderten Knochendichte assoziiert sind, bzw. vorhergesagt werden können [11]. Es gibt inzwischen zahlreiche Studien, die einen Zusammenhang zwischen erniedrigter Knochendichte und einem erhöhten Frakturrisiko belegen, aber die Ergebnisse schwanken je nach Alter der eingeschlossenen Patienten, Beobachtungsdauer und Methode der Bestimmung der Knochendichte [7] [10] . Es gibt keine objektiven Messgrößen, die Werte zwischen den verschiedenen Geräten sind unterschiedlich, und die quantitative Bestimmung der Knochendichte mittels DPX und QCT ergeben unterschiedliche Frakturrisiken. Dies ist auch verständlich, da mittels QCT unterschieden werden kann zwischen Spongiosa und Compacta, während die DPX-Methode immer nur beides erfasst und außerdem durch degenerative, sklerotische Veränderungen an der Wirbelsäule oft beeinträchtigt ist. Die besten Ergebnisse in Hinblick auf eine Korrelation zwischen Knochendichte und Fraktur ergeben sich, wenn man die Knochendichte an dem Ort bestimmt, an dem die Fraktur auftritt. So ist der Zusammenhang zwischen einer Schenkelhalsfraktur und der Knochendichte an der Wirbelsäule weniger gegeben als die Knochendichte am Schenkelhals und der Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer Schenkelhalsfraktur [6]. Dasselbe gilt für den Radius. Andere Einflussgrößen wie Alter, eine bereits stattgefundene Fraktur oder eine positive Familienanamnese sind von der Knochendichte unabhängige Faktoren, die das Frakturrisiko beeinflussen. Auch die Geometrie des Schenkelhalses beispielsweise hat einen erheblichen Einfluss auf das Risiko, eine Schenkelhalsfraktur zu erleiden. Die Länge des Schenkelhalses ist ein von der Knochendichte und dem Alter unabhängiger Parameter, mit der die Wahrscheinlichkeit einer Schenkelhalsfraktur vorausgesagt werden kann. Eine um eine Standardabweichung verlängerte Hüftachse verdoppelt das Risiko, eine Fraktur zu erleiden [5]. Die unterschiedliche Geometrie der Hüftachse, wie sie bei Weißen, Schwarzen oder Asiatinnen gefunden wird, hat einen signifikanten Einfluss auf die Frakturwahrscheinlichkeit und ist unabhängig von der Knochendichte [4] [6]. Ähnliches gilt auch für die Wirbelsäule, die Dicke der Wirbelkörper, Wirbelsäulenverkrümmungen und der Muskelstatus, die das Frakturrisiko signifikant beeinflussen.

Diese Vielzahl der Risikofaktoren lassen Zweifel darüber aufkommen, wie sicher sich die Diagnose der Osteoporose stellen lässt auf der Basis eines so einfachen Parameters wie einer Knochendichtemessung. Es gibt keine »Frakturschwelle«, die Wahrscheinlicheit einer Fraktur steigt kontinuierlich mit zunehmend verminderter Knochendichte und andere Risikofaktoren sind zusätzliche, signifikante Einflussgrößen. Daneben gibt es praktische Einschränkungen, warum die Definition der WHO-Arbeitsgruppe (13), die allein auf dem T-Score basiert, kontrovers diskutiert wird [2]. Ein nicht unwichtiger Punkt dabei ist der Unterschied zwischen den Referenzdaten der verschiedenen Hersteller von Geräten zur Knochendichtemessung und den Studienkollektiven. Beispielsweise sind die Mittelwerte für die Dichtewerte des Schenkelhalses der »National Health and Nutrition Examination« Population etwa 3 - 5 % niedriger als die Referenzwerte der Herstellerfirmen und die Standardabweichung 26 - 30 % höher [9] . Die T-Score-»cut-off points« variieren auch an anderen anatomischen Stellen teilweise erheblich [2]. Somit wird klar, dass mit der Densitometrie allein unterschiedliche Patientenkollektive erfasst werden, das Diagnosekriterium also unscharf ist.

Unabhängig von der Diskussion darüber, ob die Knochendichte allein für die Diagnose einer Osteoporose ausreichend ist, stellt sie doch einen wichtigen Surrogatmarker dar, um beispielsweise das Lebensrisiko, eine Hüftfraktur zu erleiden, zu bestimmen [1]. Für das Risiko, eine Wirbelkörperfraktur zu erleiden, sind solche Untersuchungen noch ausstehend.

Zusammenfassend kann man gegenwärtig sagen, dass die Densitometrie allein ein unzureichendes Kriterium für die Diagnose einer Osteoporose ist. Sie stellt nur einen wichtigen Risikofaktor für das Erleiden einer osteoporotischen Fraktur dar, eine eindeutige »Frakturschwelle« kann mit der Knochendichtemessung nicht definiert werden. Zusätzliche Risikofaktoren wie Alter, Genetik, körperliche Verfassung und die Geometrie des Skelettsystemes sind wesentliche Einflussgrößen für das Auftreten osteoporotischer Frakturen. In klinischen Studien ist die Knochendichte allein auch nicht ausreichend, um einen therapeutischen Effekt eines Medikamentes zu demonstrieren, hierzu sind immer noch die Frakturdaten der entscheidende Parameter.

Für die Praxis benötigen wir aber unter allen oben genannten Einschränkungen diesen wichtigen Surrogatmarker, um Patienten identifizieren zu können, die unter Einbeziehung der bereits bekannten und noch zu definierenden Risikofaktoren mit effektiven aber doch teuren Medikamenten behandelt werden sollten, um osteoporotische Frakturen zu verhindern. Es muss aber jedem klar sein, dass eine mit welcher Methode auch immer gemessene, verminderte Knochendichte allein nicht die Diagnose eines so komplexen Krankheitsbildes wie die Osteoporose zulassen kann. Es ist ein Befund der weiter abgeklärt werden muss, sekundäre Ursachen müssen ausgeschlossen werden und therapeutische Konsequenzen sollten erst danach erfolgen. Konkret bedeutet das für die Praxis, dass keinesfalls ein Densitometrie-Ergebnis allein eine Therapie erlaubt.

Literatur

  • 1 Black D, Cummings S R, Melton L J. Appendicular bone mineral and woman¿s lifetime risk of hip fracture.  J Bone Miner Res. 1992;  7 639-646
  • 2 Black D M, Palermo L, Genent H K, Cummings S R. Four reasons to avoid the use of BMD T-score in treatment decisions for osteoporosis.  J Bone Miner Res. 1996;  11 118 (Suppl)
  • 3 Consensus Development Conference . Diagnosis, prophylaxis, and treatment of osteoporosis.  Am J Med. 1993;  94 646-650
  • 4 Cummings S R, Cauley J A, Palermo L. et al . Racial differences in hip axis lenghts might explain racial differences in rates of hip fractures.  Osteoporosis Int. 1994;  4 226-229
  • 5 Faulkner K G. Hip axis lenght and osteoporotic fractures.  J Bone Miner res. 1993;  10 506-508
  • 6 Glüer C C, Cummings S R, Pressman A. Prediction of hip fractures from pelvic radiographs: The study of osteoporotic fractures.  J Bone Miner Res. 1994;  9 671-677
  • 7 Ito M, Hayashi K, Ishida. et al . Discrimination of spinal fracture with various bone minaral measrements.  Calcif Tissue Int. 1997;  60 11-15
  • 8 Looker A C, Wahner H W, Dunn W L. Proximal femur bone mineral levels of US adults.  Osteoposis Int. 1995;  5 389-409
  • 9 Marshall D, Johnell O, Wedel H. Meta-analysis of how well measures of bone density prdicts occurence of osteoporotic fractures.  BMJ. 1996;  312 1254-1259
  • 10 Melton L J III, Thamer M, Ray N F. Fractures attributable to osteoporosis: Report from the National Osteoporosis Foundation.  J Bone Miner Res. 1997;  12 16-23
  • 11 Melton L J III, Wahner H W. Defining osteoporosis.  Calcif Tissue Int. 1989;  45 263-264
  • 12 World Health Organisation .Assessment of fracture risk and its application to screening for postmenopausal osteoporosis. Geneva; WHO WHO technical report series 1994

Prof. Dr. Roland Gärtner

Medizinische Klinik Innenstadt der Universität München

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