Dtsch Med Wochenschr 2001; 126(27): 798
DOI: 10.1055/s-2001-15560
Pro & Contra
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Osteodensitometrie bei Osteoporose - Die Begrenzung ist falsch!

Osteodensitometry in osteoporosis: it is wrong to limit itS. Götte
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Publication Date:
31 December 2001 (online)

Die Osteoporose ist von der Weltgesundheitsorganisation zu einer der zehn bedeutendsten Erkrankungen ernannt worden. Das erste Jahr der Bone and Joint Decade, 2001, ist in Deutschland diesem Krankheitsbild gewidmet. Trotz enormer nationaler wie internationaler interdisziplinärer Bemühungen der vergangenen 10-20 Jahre wird der Versorgungsgrad von Osteoporosepatienten erst auf 20 % geschätzt, d. h. 80 % aller Osteoporosekranken sind in Deutschland nicht erkannt und werden demzufolge nicht behandelt.

Die Unterversorgung von Osteoporosepatienten leistet der enormen gesundheitsökonomischen Kostenproblematik Vorschub. Die Osteoporose-Folgekosten werden heute in Deutschland auf ca. 10 Mrd. DM berechnet, wobei den ca. 150 000 Schenkelhalsfrakturen mit ca. 6,5 Mrd. DM der größte Kostenblock zuzuschreiben ist. Unter Berücksichtigung der demographischen Entwicklung wird mit einer erheblichen Zunahme der Osteoporosekranken und mit einer Verdopplung der Osteoporosefolgekosten bis ins Jahr 2030 gerechnet.

Die Kostensituation ist Ausdruck der gesundheitsökonomischen Bedeutung. Für den betroffenen Patienten steht die Beeinträchtigung der Lebensqualität im Vordergrund.

Bemerkenswert ist die Inzidenz der Osteoporose, die in folgenden Zahlen zum Ausdruck kommt: Von den über 50-jährigen Frauen leidet jede dritte an Osteoporose. Bei 40 % der betroffenen Frauen führt die Erkrankung zu einer Fraktur. 30 % der Frauen über 70 Jahren haben mindestens eine osteoporosebedingte Fraktur erlitten. Eine deutliche Zunahme der Frakturrate ist nach erfolgter Erstfraktur zu verzeichnen. Auch wenn die Osteoporose durch ihre postmenopausale Form bei Frauen besonders gehäuft auftritt, ist das Krankheitsbild auch bei Männern mit ca. 20 %iger Inzidenz ebenfalls nicht zu vernachlässigen.

Besonders tragisch erscheinen diese Zahlen vor dem Hintergrund, dass es möglich ist, Risikopatienten leicht zu demaskieren und mittels Osteodensitometrie zu verifizieren sowie den Grad von Osteopenie und Osteoporose individuell und als Voraussetzung für eine indikationsgebundene und kostenorientierte Behandlung zu bestimmen. Dies, zudem wir die Möglichkeit haben, die unterschiedlichen Stadien einer Osteoporose differenziert medikamentös zu behandeln und es nachgewiesen ist, dass hierdurch das Frakturrisiko in Korrelation zu den Osteodensitometrie-Messergebnissen signifikant gesenkt werden kann.

Vollkommen unverständlich ist die Entscheidung des Bundesausschusses Ärzte - Krankenkassen, die Osteodensitometrie ab 1.4.2000 auf die Patienten zu reduzieren, bei denen einerseits eine Osteoporose vorliegt, die andererseits aber auch bereits eine osteoporosebedingte (nicht adäquates Trauma) Fraktur erlitten haben. Diese Entscheidung ist besonders unverständlich, da die Osteodensitometrie die einzige quantifizierende Methode darstellt, mit der die Knochendichte gemessen und im Verlauf valide kontrolliert werden kann. Die Osteodensitometrie kann - und so wird sie selbstverständlich von allen osteologisch Verantwortlichen eingesetzt - wie keine andere Methode eine quantifizierende Aussage über eine tatsächliche Abnahme der Knochendichte bei anamnestischen Frakturrisiko erbringen und bestimmt gleichzeitig den Grad der Abnahme der Knochendichte und damit Behandlungsnotwendigkeit und Behandlungsausmaß. Die Osteodensitometrie erlaubt somit, das individuelle Stadium der Erkrankung festzustellen und eine dem Stadium der Erkrankung entsprechende medizinisch sinnvolle, notwendige und wirtschaftliche Behandlung durchzuführen. Somit ist es gerade mit Hilfe der Osteodensitometrie im Hinblick auf die Diskussion über das Medikamentenbudget möglich, mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen sinnvoll und indikationsbezogen umzugehen. Die Osteodensitometrie ist der Garant der qualitätsgestützten Osteoporosediagnostik und -therapie. Ganz abgesehen davon ermöglicht die Osteodensitometrie die frühzeitige qualitätsgestützte Osteoporosebehandlung mit der Folge, die individuelle Lebensqualität zu erhalten und die erheblichen Osteoporosefolgekosten zu vermeiden.

Ergänzende Informationen können neben der Osteodensitometrie durch die Diagnostik der osteologischen Knochenan- bzw. Knochenabbaumarker erhalten werden. In Ergänzung der Osteodensitometrie tragen sie zu einer weiteren Optimierung der Behandlung und einem optimierteren Umgang mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen bei.

Die Unsinnigkeit der Begrenzung der Osteodensitometrie im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung wird neben der Forderung nach einer individuellen qualitätsgestützten Osteoporo-setherapie auch durch die Schere der Osteodensitometriekosten von ca. 30 Mio. DM pro Jahr und den Osteoporosefolgekosten von ca. 10 Mrd. DM deutlich. Die Einschränkung der Osteo-densitometrie als vertragsärztliche Leistung kann nur als Bauernopfer zu Lasten aller Osteoporosepatienten durch Politik und Kassen zu Gunsten einer Punktwertstabilisierung anderer Kassenleistungen gesehen werden. Vollkommen verkannt wird allerdings die damit verbundene Verschlechterung der Versorgungsqualität durch die Übertragung der Osteodensitometrie auf die individuelle Entscheidungsebene. Die gesundheitspolitischen Entscheidungen sind - zumindest hinsichtlich der Osteodensitometrie - von Kriterien geprägt, die an medizinischen Erkenntnissen und Versorgungsmöglichkeiten betroffener Patienten vorbeigehen und Bewertungen wie Lebensqualität als auch gesundheitsökonomische Perspektiven nicht erkennen lassen.

Literatur

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  • 3 Melton L J, Atkinson E J, O’Connor M K, O’Fallon W M, Riggs B L. Bone density and fracture risk in men.  J Bone Miner Res. 1998;  13 1915-1923
  • 4 Osteoporosis. Clinical guidelines for prevention and treatment, Royal College of Physicians July 2000
  • 5 Osteoporosis Int. 7-80 (suppl 4))

Dr. S. Götte

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