Grundproblematik und Fragestellung: Die
Qualität der ärztlichen Leichenschau ist von verschiedener
Seite wiederholt kritisiert worden. Mit der vorgelegten Studie sollen
Informationen über die praktische Durchführung
der Leichenschau gewonnen werden, die für eine Qualitätsverbesserung
der Leichenschau notwendig sind.
Methode: 1000 zufällig ausgewählte Ärzte
aus dem Bereich der Ärztekammer Westfalen-Lippe wurden
mit Hilfe eines Fragebogens zur Person, zu praktischen Aspekten
der Durchführung der Leichenschau sowie zur Beeinflussung
durch Dritte bei der Festlegung der Todesart befragt. Außerdem
sollte für vier typische Fallkonstellationen die Todesart
bestimmt werden.
Ergebnisse: Von den 1000 Fragebogen
wurden knapp 30 % zurückgesandt, 289
konnten ausgewertet werden. Obwohl die Dauer der Leichenschau mehrheitlich
mit durchschnittlich 20-30 Minuten angegeben wurde, entkleideten
nur 25 % der Ärzte die Leiche in jedem
Falle vollständig. Etwas weniger als die Hälfte
der Ärzte wurde bei der Festlegung der Todesart schon einmal von
Dritten beeinflusst, am häufigsten durch die Polizei. Bei
der Einschätzung der Fallbeispiele bezüglich der
Todesart wurde vor allem von Internisten unverständlich
häufig ein natürlicher Tod diagnostiziert.
Folgerungen: Bei einer flüchtig
durchgeführten Leichenschau und bei unvollständiger
Entkleidung der Leichen bleibt das Auffinden von Anhaltspunkten
für einen nichtnatürlichen Tod dem Zufall überlassen.
Doch auch bei Fehlen solcher Anhaltspunkte sollte in unklaren Fällen,
auch gegen Beeinflussungsversuche durch Dritte, die Todesart als
ungeklärt klassifiziert werden. Zur Vermeidung von Abhängigkeiten
und Konflikten bei der Leichenschau wäre eine Reform des
Systems mit Einführung spezialisierter Leichenschauärzte
erstrebenswert.
External examination of the corpse in
practice
Background and Objective: The quality of the external
examination of corpses has repeatedly been criticized. This study
provides information on the performance of the external examination
of bodies in practice which is necessary for improving the quality
of the examination.
Methods: 1000 randomly selected medical
practitioners from the »Ärztekammer Westfalen-Lippe« were
sent a questionnaire concerning personal data, the performance of
the external examination of bodies and possible influencing of the
decision on the manner of death (i. e. natural, unnatural
or uncertain) by a third person. In addition reports of four typical
cases were presented and a classification of the manner of death
was requested.
Results: The return rate of the questionnaires
was almost 30 %, 289 questionnaires were evaluated.
Although most doctors stated that the external examination took
them 20 to 30 minutes, only 25 % undressed the
body completely. Almost 50 % of the doctors had
been influenced by a third person in the decision on the manner
of death at least once, most often by the police. The four short
cases were incomprehensibly often classified as »natural
death«, especially by internists.
Conclusions: Signs of an unnatural cause
of death will only be detected by chance if the body is only briefly
examined and not undressed completely. If such signs are absent
the manner of death should be classified as »uncertain« in
unclarified or doubtful cases, even against attempted influencing
by third persons. In order to avoid conflicts of interests it would
be desirable if only specialized medical practitioners would perform
the external examination of corpses.
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Korrespondenz
Dr. med. B. Vennemann
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Münster
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