Rofo 2001; 173(5): 387-390
DOI: 10.1055/s-2001-13347
EDITORIAL
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Das interdisziplinäre Gefäßzentrum: Ein Weg zur konsequenten Prozessoptimierung im Krankenhaus

The Interdisciplinary Vessel Center: A Means for Process Optimization in HospitalW. Gross-Fengels, H. Imig, B. Schulenburg
  • Gefäßcentrum Hamburg-Harburg (GCH)
    Allg. Krankenhaus, Harburg
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Publication Date:
31 December 2001 (online)

Diagnose und Behandlung von Gefäßerkrankungen waren in den letzten Jahren einem erheblichen Wandel unterworfen. Minimal invasive, endovaskuläre und perkutane Verfahren treten zunehmend in Wettstreit mit konventionellen operativen Methoden [2]. Für die Primär- und Sekundärprophylaxe stehen neue potente Medikamente zur Verfügung. Neben deutlich verbesserten Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten zeigen die demographischen und epidemiologischen Daten, dass sich in den nächsten 20 Jahren der Bedarf an Gefäßbehandlungen, insbesondere bei Patienten mit einer peripheren arteriellen Verschlusserkrankung, verdoppeln wird.

Auf der anderen Seite stehen die Strukturen der Krankenhäuser aufgrund der Finanzkrise der Sozialkassen sowie des verstärkten Wettbewerbes der Leistungserbringer zunehmend zur Disposition. Von Seiten der Krankenhausadministration entsteht vielerorts ein zunehmender Druck, die Fächer und Abteilungsgrenzen durchlässiger zu gestalten und interdisziplinäre Diagnose-, Behandlungs- und Stationsbereiche einzuführen.

Fachdisziplinen, die in der Vergangenheit schon enger kooperiert haben, prüfen derzeit, inwieweit eine Zusammenarbeit sich stärker strukturieren und institutionalisieren lässt. In diesem Zusammenhang wird verstärkt über die Bildung von Zentren diskutiert. Im weiteren Sinne verstehen wir darunter die Zusammenführung verschiedener Fachdisziplinen, um organ- oder erkrankungsspezifische Diagnose- und Behandlungsverfahren interdisziplinär einzusetzen. Die Krankenhäuser passen sich somit in ihren Organisationsstrukturen stärker den Bedürfnissen der Patienten an. Hierbei wird eine ganzheitliche Ausrichtung der Behandlungsabläufe angestrebt. Verstärkt sollen prä- und poststationäre Behandlungsverfahren sowie die Primär- und Sekundärprophylaxe berücksichtigt werden. Die Rolle der Hausärzte als Zuweiser zu speziellen Diagnose- und Behandlungseinrichtungen wird vom Gesetzgeber gestärkt.

Zentrumsbildungen wurden in der Vergangenheit erfolgreich z. B. in folgenden Bereichen umgesetzt

Herz-Zentrum Perinatal-Zentrum Onkologisches Zentrum Trauma-Zentrum Zentrum für Endoprothetik

Erstaunlich ist die z. T. hohe Akzeptanz solcher Institutionen. So kam es in Hamburg, z. B. nach der Einrichtung von Perinatal-Zentren innerhalb von 2 Jahren zu einer mehr als 35 %-igen Fallsteigerung an diesen beiden Häusern mit rückläufigen oder stagnierenden Behandlungszahlen in den konkurrierenden Einrichtungen.

Die Bildung solcher Zentren ist keineswegs den Universitätskliniken oder Krankenhäusern der höchsten Versorgungsstufe vorbehalten. Vielmehr müssen sich kompetente und spezialisierte Vertreter der jeweiligen Fachrichtungen zusammenfinden und kooperativ und konstruktiv zusammenarbeiten. Diese Situation kann sich zweifellos auch an Fachkliniken oder Häusern der Grund- und Regelversorgung ergeben. Zentrumsbildungen führen zwangsläufig auch zu einer Beeinflussung der Patientenströme, d. h. die Institutionen, die spezialisierte Leistungen in größeren Zahlen bisher bereits durchgeführt haben, werden diese Leistungen in noch größerem Umfang nach der Zentrumsbildung erbringen. Diese Entwicklung wird je nach geographischen Verhältnissen zu Lasten derjenigen Institutionen gehen, die entsprechende Leistungen bisher nur im geringen Umfange erbracht haben. Aus medizinökonomischen sowie aus Qualitätsaspekten heraus ist dieser Konzentrationsprozess sinnvoll und wird von den Krankenkassen und Planungsbehörden zunehmend aktiv unterstützt. Je kleiner die Fallzahl, desto kleiner die Chance, über die Lernkurve bei der Durchführung spezialisierter Verfahren hinauszukommen, und desto höher ist die Quote vermeidbarer Komplikationen. Kosten, Untersuchungs- und Behandlungszeiten sowie Komplikationsquoten sind somit in Abteilungen mit hoher Fallzahl deutlich niedriger als in Institutionen, die spezialisierte Eingriffe wie z. B. Karotis-Desobliterationen, endovaskuläre Aneurysmaausschaltungen oder renale Stent-Behandlungen nur gelegentlich durchführen. Lediglich die Ausbildungssituation wird durch diesen Konzentrationsprozess erschwert, da solche Eingriffe in peripheren Abteilungen entfallen. Für die jüngeren Kollegen müssen somit krankenhaus- und trägerübergreifende Ausbildungsmöglichkeiten geschaffen werden.

Neben dieser generellen Notwendigkeit, Zentren zu bilden, kommt diese Entwicklung auch der fachlichen Seite zugute. Nicht in der Konkurrenz, sondern in der Kooperation liegen alle Vorteile:

Bei gemeinsamer Nutzung von Bettenkapazitäten, Personal, Geräten und Räumen können die Wirtschaftlichkeit und Flexibilität erhöht werden. Durch die Kombination von interventionellen Techniken mit operativen Maßnahmen werden die Qualität der Patientenversorgung verbessert, die Invasivität reduziert und die Innovationskraft gefördert. Die gemeinsame Indikation zu Diagnose- und Therapie reduziert sachliche Inkompetenz und konkurrierendes Fehlverhalten. Eine ausufernde Indikationsstellung, die zu Lasten der Patienten und Krankenkassen geht, wird verhindert (peer-review).

Literatur

  • 1 Cachovan M. Gefäßchirurgie: Eine interdisziplinäre Aufgabe? Aus der Sicht des Angiologen.  Zentralblatt Chirurgie. 2000;  125 89-90
  • 2 Günther R W. Interventionelle Radiologie. Kooperative Zukunft von Radiologen und Chirurgen.  Fortschr Röntgenstr. 1991;  155 1-3
  • 3 Lackner K. Zentrumsbildungen an Universitäten aus radiologischer Sicht. In: Imig H, Schröder A, Gross-Fengels W (Hrsg.) Gefäßchirurgie. Darmstadt; Steinkopff Verlag 1998
  • 4 Largiadèr J, Schneider E. Die Behandlung der arteriellen Durchblutungsstörung - Eine Zentrumsaufgabe?.  Gefäßchirurgie. 1996;  1 133-134

Prof. Dr. W. Gross-Fengels

Allg. Krankenhaus Harburg
Abt. für Diagnostische und Interventionelle Radiologie

Eißendorfer Pferdeweg 52

21075 Hamburg

Phone: 040/7921-2001

Fax: 040/7921-2844

Email: radiologie_harburg@t-online.de

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