Viszeralchirurgie 2001; 36(2): 109-111
DOI: 10.1055/s-2001-12718
DAS VISZERALCHIRURGISCHE PRÜFUNGSGESPRÄCH
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Rektumkarzinom

RectumcarcinomU. Markert, U. Roblick, P. Sterk, T. H. K. Schiedeck, H.-P. Bruch
  • Chirurgische Klinik der Universitätsklinik Lübeck, Direktor: Prof. Dr. med. H.-P. Bruch
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Publication Date:
31 December 2001 (online)

Frage 1: Nennen Sie die typischen diagnostischen Maßnahmen vor der operativen Versorgung eines Rektumkarzinoms und eines Rektumkarzinomrezidivs nach anteriorer Resektion.

Pro Jahr erkranken 18 000-20 000 Bundesbürger an einem kolorektalen Karzinom. 60 % der Tumoren liegen im Rektum und sind zur Hälfte bei der rektal-digitalen Untersuchung und zur anderen Hälfte im Rahmen einer Rektoskopie zu entdecken. Diese sollte bei positivem Tumorbefund mit einer PE-Entnahme zum Nachweis der Malignität und zur Festlegung des Gradings kombiniert werden. Sinnvoll ist auch die sofortige Durchführung einer Endosonographie. Bei kleinen Tumoren (Tis, T1/2) und dem Fehlen von Lymphknotenmetastasen kann auf ein Becken-CT verzichtet werden. Bei höheren Tumorstadien oder unklarem endosonographischen Befund ist ein CT (alternativ MRT) zur Beurteilung der Nachbarorgane notwendig.

Liegt kein Passagehindernis vor, sollte das Restkolon präoperativ endoskopisch abgeklärt werden (Sensitivität für Zweitkarzinome 98 %, sofortige Therapiemöglichkeit anderer Befunde). Alternativ kann eine Kolonkontrastuntersuchung (Sensitivität 90-95 %) durchgeführt werden.

Bei nicht passierbarer Stenose kann man sich auf eine intraoperative Palpation des Restkolons beschränken und eine Koloskopie im Rahmen der ersten Nachsorgeuntersuchung durchführen. Eine etwas zeitaufwendigere Alternative stellt die intraoperative Koloskopie nach Tumorresektion dar.

Ein Röntgen-Thorax, eine Sonographie des Abdomens und im Verdachtsfall ein CT der Leber vervollständigen die Suche nach Metastasen. Die Bestimmung der Tumormarker dient als Ausgangswert für die weitere Verlaufsbeobachtung. Zusätzliche Maßnahmen müssen vom klinischen Befund abhängig gemacht werden.

Beim Verdacht auf eine Tumorinfiltration der Nachbarorgane sollten weiterreichende Untersuchungen (Knochenszintigraphie, Blasenspiegelung mit/ohne Ureterschienung, gynäkologische Abklärung) erfolgen; gegebenenfalls sind die Kollegen anderer Fachrichtungen hinzuzuziehen [1]. Vor Re-Eingriffen empfiehlt sich das Einlegen von Ureterschienen in jedem Fall. Liegt eine Infiltration des Sakrums vor, hat sich bei geplanter Mitresektion des Knochens eine präoperative radiologische Markierung der Infiltrationshöhe bewährt.

Der Stellenwert der PET (Positronenemissionstomographie) ist derzeit noch nicht in prospektiv-randomisierten Studien überprüft. Eine Reihe von Hinweisen legt jedoch die Vermutung nahe, dass diese Untersuchung bei der Erfassung kleinerer, in den konventionellen Schichtbildverfahren speziell nach bereits erfolgter Tumorresektion nicht erfassbarer Metastasen einen hohen Stellenwert einnehmen wird. Gerade vor ausgedehnten, risikoreichen und die Lebensqualität einschränkenden Rezidiveingriffen (z. B. Beckenexenteration) sollte auf sie nicht verzichtet werden, um die angestrebte R0-Resektion mit möglichst hoher Sicherheit garantieren zu können [2]. Eine Kostenübernahmeabklärung mit der zuständigen Krankenkasse ist empfehlenswert.

Frage 2: Beschreiben Sie das Standardvorgehen bei der konventionell durchgeführten anterioren Rektumresektion (uT2-3, uN0, M0, 15 cm ab ano).

Die Operation beginnt, soweit nicht bereits zuvor geschehen, mit einer Proktorektoskopie durch den Operateur zur eigenen Beurteilung der Tumorhöhe, Lage und Mobilität. Nach Laparotomie und palpatorischer Untersuchung der Abdominalhöhle sowie Inspektion des Lokalbefundes werden bei Operabilität primär die peritonealen Verwachsungen zur linken Bauchwand gelöst. Unter Beachtung der leicht zu identifizierenden Umschlagsfalte können, beginnend auf Höhe des Promontoriums, das gesamte Sigma, das Colon descendens und die linke Flexur in einer nahezu gefäßfreien Schicht auf der Faszia gerota mobilisiert werden. Durch die sichere Schonung dieser Faszienstruktur verbleiben Ureter und Genitalgefäße im Retroperitoneum. Bei tiefsitzenden Rektumkarzinomen sollte das Omentum majus bis zur Mittellinie vom Kolon transversum gelöst werden, um genügend Mobilität für eine spannungsfreie Anastomose zu erreichen.

Erfolgt die Dissektion in der richtigen Schicht, lässt sich im Bereich des Promontoriums das Mesosigma nach Inzision des medialen Peritoneums problemlos unterfahren. Vor der Aorta und den hypogastrischen Nerven wird die Präparation nun nach kranial fortgesetzt; man gelangt zum Abgang der A. mesenterica inferior aus der Aorta. Diese kann beim Rektumkarzinom distal des Abganges der A. colica sinistra ascendens abgesetzt werden. Eine bessere Mobilisation des Linkskolons wird allerdings durch die abgangsnahe Absetzung (zur Schonung der Nervenstrukturen ca. 1-2 cm Abstand von der Aorta) ermöglicht. Ein onkologischer Vorteil konnte in randomisierten Studien bislang für kein Verfahren nachgewiesen werden. Es liegen jedoch Hinweise für onkologische Vorteile der Lymphknotendissektion mit hoher Ligatur vor [3]. Die Morbidität wird hierdurch nicht beeinflusst.

Wird die Präparation weiter nach kranial fortgesetzt, erreicht man die V. mesenterica inferior problemlos am Unterrand des Pankreas, wo diese ebenfalls abgesetzt wird. Dieses Vertauschen der Vorgehensweise (Arterie vor Vene) gegenüber früheren Beschreibungen spielt nach unserer Meinung beim Rektumkarzinom keine Rolle, da der Tumor im bisherigen Verlauf des Eingriffs unberührt geblieben ist. Selbstverständlich kann die Vene auch primär ligiert werden.

Nun wird das Beckenperitoneum umschnitten. Auf der Fascia pelvina visceralis wird das Rektum scharf ausgelöst. Die bislang noch häufig geübte Technik der stumpfen Auslösung sollte verlassen werden. Um gute Übersicht zu erlangen, kann das mobilisierte Rektum nach ventral gehalten werden. Gelegentlich erleichtert ein frühzeitiges kraniales Absetzen des Darms das Vorgehen.

Nun wird das Mesorektum 5 cm unterhalb des Tumors eröffnet und die Rektumwand zirkulär freigelegt. Zum Tumor hin wird eine Darmklemme gesetzt. Transanal erfolgt die Spülung des restlichen Rektums mit einer zytoziden Flüssigkeit vor dem Absetzen des Darmes mit einem Stapler. Der kraniale Absetzungsrand wird in Abhängigkeit von den Gefäßarkaden und der benötigten Darmlänge für eine spannungsfreie Anastomose gewählt. Ein ausreichender Sicherheitsabstand zum Tumor ist hier in der Regel kein Problem. Die darmwandnahen Gefäßarkaden werden zwischen feinen Overholtklemmen durchtrennt und dadurch wird eine kurze Strecke der Darmwand freigelegt. Der Darm wird nach Setzen einer Klemme zum Tumor hin offen abgesetzt. Nach kranial erfolgt die Versorgung entweder durch eine weiche Darmklemme und das Vorlegen einer Tabaksbeutelnaht oder mit Hilfe einer automatischen Tabakbeutelklemme. Nach Reinigen des Lumens ebenfalls mit einer zytoziden Flüssigkeit wird ein Zirkularstaplerkopf eingeknotet (ideal erscheint uns ein 29-mm-Kopf, nur bei sehr weitem Darm ein 33-mm-Kopf). Anlage der Deszendorektostomie torsions- und spannungsfrei durch Einführen des Zirkularstaplers transanal.

Zur Dichtigkeitsprüfung werden zunächst beide Anastomosenringe (komplette Vollwandringe?) begutachtet. Danach wird das Colon descendens vorsichtig mit der Hand komprimiert und das Rektum nach Füllen des kleinen Beckens mit Spülflüssigkeit, mit Luft aufgeblasen. Kleine Undichtigkeiten (Luftaustritt ohne makroskopisch erkennbare Öffnung) können übernäht werden, bei größeren Defekten sollte die Anastomose neu angelegt werden.

Die extraperitoneale Einlage einer Drainage an die Anastomose und der Verschluss des Retroperitoneums durch fortlaufende Nähte zur Extraperitonealisierung der Anastomose beenden den Eingriff am Darm. Schichtweiser Bauchdeckenverschluss.

Frage 3: Nehmen Sie Stellung zu Wertigkeit und Technik der TME.

Die theoretischen Grundlagen der TME (totale mesorektale Exzision) gehen auf Arbeiten von Westhus 1953, Stelzner 1962 [4] und Heald [5] zurück. Bezeichnet wird damit die Resektion eines Gewebeblocks, der, umgeben von der ventralen und dorsalen Grenzlamelle, alle das Rektum drainierenden Lymphknoten und eventuelle Tumorausläufer enthält. Die komplette Entfernung des Mesorektums (auch nach distal) unter Belassen der Organe des kleinen Beckens und der autonomen Nerven für Sexualfunktion und Kontinenz führt zur Resektion quasi aller in Frage kommenden Lymphabflussbahnen.

Zur Technik: Nach Unterfahren des Mesokolons erfolgt die Präparation unter sicherer Schonung des Plexus hypogastricus superior in kaudaler Richtung. Dorsal der hinteren Grenzlamelle wird sie in der nerven- und gefäßfreien Schicht bis zum Beckenboden fortgesetzt. Die Präparation sollte scharf erfolgen, um ein Einreißen des Mesorektums zu vermeiden. Bei richtiger Technik spannt sich zwischen dem mesorektalen Fettkörper und der präsakralen Faszie das lockere Bindegewebe spinngewebsartig auf und weist den Weg der optimalen Dissektionsebene. Distal ist der Plexus hypogastricus lateral am Mesorektum adhärent. Nur im blutarmen übersichtlichen Situs ist hier eine sichere Präparation möglich. Ventral erfolgt der Einstieg in die Präparationsebene beim Mann etwas kranial der Umschlagsfalte auf der Blase und wird unter Belassen einer Faszienschicht auf den Samenbläschen und der Prostata bis zum Beckenboden fortgesetzt.

Im Bereich des Beckenbodens gelangt man automatisch an die Rektumwand. Das Absetzen erfolgt in der Tiefe am besten mit einem Stapler. Alternativ ist nach Setzen einer Klemme zum Tumor hin auch ein offenes Absetzen möglich. Für die Anastomosenanlage in Zirkular-Stapling-Technik muss dann eine Tabaksbeutelnaht per Hand genäht werden.

Aufbauend auf den vorliegenden Literaturergebnissen zur Tumor- und Metastasenausbreitung beim Rektumkarzinom kann die TME bei Tumoren des mittleren und unteren Rektumdrittels empfohlen werden. Sie senkt die Rate der Lokalrezidive signifikant auf unter 10 % [6] [7]. Für Tumoren des oberen Rektumdrittels ist die Situation noch nicht abschließend zu beurteilen.

Frage 4: Stellenwert der laparoskopischen Rektumresektion beim Karzinom?

Im Prinzip sind alle oben beschriebenen Operationsschritte auch laparoskopisch durchführbar. Als Indikationen kommen je nach technischer Erfahrung des Operationsteams alle T1 - 3, N0 - 1-Karzinome in Frage. Bei sehr tief sitzenden Tumoren empfiehlt sich die Bergung über einen Pfannenstielschnitt, über den dann auch der distale Staplerverschluss des Rektums bis hinunter zum Sphinkter erfolgen kann.

Der Zugang, über den das Präparat geborgen wird, sollte geschützt sein, um Impfmetastasen zu vermeiden. Hierzu eignen sich z. B. über den Darm gezogenen Kamerabezüge oder auch die so genannte „Endohand”. Das Problem der Trokarkanalmetastasierung existiert, scheint jedoch in der Größenordnung der Narbenmetastasierung nach Laparotomie zu liegen.

Der Langzeitverlauf bei laparoskopisch operierten Patienten scheint im retrospektiven Vergleich mit stadiengleichen offen operierten Patienten günstiger zu sein.

Frage 5: Welche Rolle spielt die TEM in der Therapie des Rektumkarzinoms?

In den letzten Jahren konnte sich die TEM (transanale endoskopische Mikrochirurgie) mehr und mehr durchsetzen. Sie übernimmt dabei heute die Rolle der nur noch selten praktizierten Eingriffe über einen posterioren Zugang (Kraske, Wöllfler) [8]. Während Adenome und T1-Karzinome des unteren Rektumdrittels auch transanal offen entfernt werden können, stellen endoskopisch nicht abtragbare Adenome und das „low risk”-Karzinom uT1 im mittleren und oberen Rektumdrittel typische Indikationen der TEM dar. Die histologische Abklärung durch PE (Indikation zur TEM: „low-grade”-Karzinome G1/2) und eine Koloskopie sowie Proktorektoskopie möglichst durch den Operateur sind ebenso Voraussetzung wie die endosonographische Untersuchung, die bezüglich der präoperativen Tumorstadieneinteilung und der Beurteilung der pararektalen Lymphknoten die höchste Sensitivität besitzt. Bei Verdacht auf Lymphknotenmetastasen kommt die TEM nur unter palliativen Gesichtpunkten bei Patienten in Frage, die aufgrund ihres Allgemeinzustandes oder einer Fernmetastasierung nicht mehr kurativ operabel sind.

Der Einteilung in „high risk”- und „low risk”-Tumoren kommt bei der Indikationsstellung entscheidende Bedeutung zu. Es konnte gezeigt werden [9], dass sich die Langzeitergebnisse bei „low risk”-T1-Tumoren nach TEM bzw. radikaler chirurgischer Therapie nicht signifikant unterscheiden. Die Komplikationsrate der TEM ist jedoch bedeutend niedriger. Bei „high risk”-Tumoren liegen in ca. 35 % der Fälle Lymphknotenmetastasen vor. Hier treten nach TEM regelhaft Lokalrezidive auf, die durch eine radikale chirurgische Therapie in der Regel komplett vermieden werden können.

Frage 6: Palliative Behandlungsverfahren beim Rektumkarzinom.

Eine primär palliativer Eingriff beim Rektumkarzinom ist selten. Meist fallen die Tumoren aufgrund ihrer Lage frühzeitig durch Blutung (Passage von bereits eingedicktem Stuhl) und Stuhlunregelmäßigkeiten auf. Ist eine anteriore Rektumresektion oder, falls sie indiziert wäre, eine Rektumexstirpation dem Patienten wegen eines schlechten Allgemeinzustandes nicht mehr zumutbar, sind folgende palliative Maßnahmen denkbar:

Radiochemotherapie (dann in der Regel auch nicht mehr zumutbar) Endoskopische Stenteinlage Laserung Anlage eines doppelläufigen Sigma-AP’s

Das letztgenannte Verfahren ziehen wir anderen Stomavarianten wegen der geringeren Komplikationsraten und der problemlosen laparoskopischen Anlagemöglichkeit vor.

Eine Segmentresektion unter Belassung von LK-Metastasen im Sinne eines „kleinen Eingriffs” erscheint nicht sinnvoll. Hier ist die schichtgerechte Rektumresektion mit distalem Verschluss und Anlage eines endständigen AP ein mindestens ebenso schonendes Verfahren.

Literatur

  • 1 Kurzgefasste Interdisziplinäre Leitlinien. 2000 B6: 139 ff
  • 2 Franke J, Rosenzweig S, Reinartz P, Höer J, Kasperk R, Schumpelick V. Die Wertigkeit der Positronen-Emissionstomographie (18F-FDG-PET) in der Diagnostik von Rectum-Rezidivcarcinomen.  Chirurg. 2000;  71 80-85
  • 3 Mörschel M, Heintz A, Dienes H P, Juninger T. Lymphknotendissektion, Stadienverschiebung und perioperatives Risiko beim Rektumkarzinom.  Chirurg. 1996;  67 915-920
  • 4 Stelzner F. Die gegenwärtige Beurteilung der Rektumresektion und Rektumamputation beim Mastdarmkrebs.  Bruns Bertr. 1962;  204 41
  • 5 Heald R J, Husband E M, Ryall R DH. The mesorectum in rectal cancer surgery - the clue to pelvic recurrence?.  Br J Surg. 1982;  69 613-616
  • 6 Dahlberg M, Glimelius B, Pahlman L. Changing strategy for rectal cancer is associated with improved outcome.  Br J Surg. 1999;  86 379-384
  • 7 Arbman G, Nilsson E, Hallböök O, Sjöndahl R. Local recurrence following total mesorectal excision for rectal cancer.  Br J Surg. 1996;  83 375-379
  • 8 Konishi F, Okada M, Koijma M, Sato T, Togashi K, Hoshino T, Kanzaki M. Recent advances in colorectal cancer surgery.  Gan To Kagaku Ryoho. 2000;  27 ((7)) 980-986
  • 9 Heintz A, Mörschel M, Junginger T. Rektumkarzinom - Optimierung der Therapie durch lokale Exzision.  Zentralblatt für Chirurgie. 1999;  124 436-440

Dr. med. U. Markert

Leitender Oberarzt der Klinik für Chirurgie
Universitätsklinik Lübeck

Ratzeburger Allee 160

23538 Lübeck

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