Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2001; 36(2): 77-78
DOI: 10.1055/s-2001-11059
EDITORIAL
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Bovine spongiforme Enzephalopathie (BSE)

T. W. Langenfeld, T. Menges, G. Hempelmann
  • Abteilung Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin Justus-Liebig-Universität, Gießen
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Publication Date:
31 December 2001 (online)

Durch das Auftreten der ersten mit BSE infizierten Rinder in Deutschland haben die Themen BSE und Creutzfeld-Jacob-Krankheit (CJK) eine neue Brisanz erhalten.

Die in der Presse erschienenen Artikelserien über diese Themen spiegeln das Interesse, aber auch die Hilflosigkeit der Öffentlichkeit wider. Die Fragen nach dem Erreger von BSE, dem Infektionsweg zum Menschen und dem Ausbruch und Verlauf der CJK können heute noch nicht vollständig geklärt werden. Auch im Krankenhaus- und Praxisbereich werden Fragen aufgeworfen. Wie kann man eine Übertragung von CJK durch medizinische Produkte und Instrumente ausschließen? Was kann speziell im Bereich der Anästhesiologie und der Intensivmedizin getan werden, um Übertragungswege zu vermeiden? Welche hygienischen Standards brauchen wir für ein zum jetzigen Zeitpunkt minimales infiziertes oder potentiell infiziertes Patientenkollektiv? Müssen die aufwendigen Hygienemaßnahmen, die jetzt nur wenige Patienten betreffen, allgemein ausgeweitet werden?

Unter dem Begriff der übertragbaren spongiformen Enzephalopathien wird eine Reihe tierischer und humaner Gehirnerkrankungen zusammengefasst. Sie sind durch eine lange Inkubationszeit gekennzeichnet, die Jahre bis Jahrzehnte umfassen kann. Nach Ausbruch der Erkrankung nimmt diese einen progressiven Verlauf mit letalem Ausgang. Dieser Erkrankungsformenkreis wurde 1986 durch die Rinderseuche BSE bekannt.

Als Erreger von BSE ist ein sogenanntes Prionprotein identifiziert worden. Prionen sind Proteine, die ohne Nukleinsäuren (DNA oder RNA) infektiös sind. Beim Menschen und bei vielen Tierspezies sind Prionproteine aber auch physiologisch vorhanden. So findet man sie auf der Oberfläche von humanen, neuronalen Zellen. Die Funktion dieser Prionproteine ist noch unklar. Sie scheinen eine Rolle bei der geordneten Motorik und dem Überleben von Purkinje-Fasern zu spielen.

Über die Vermehrung und Ausbreitung von Prionproteinen gibt es Theorien.

Die spongiformen Enzephalopathien können von einer Spezies auf die andere übertragen werden. Noch ist z. B. nicht geklärt, ob ein bovines, infektiöses Prionprotein, im menschlichen Körper eingedrungen, sich in ein humanes, infektiöses Prion umwandeln kann, oder ob es die normalen, humanen Prionproteine dazu bringt, sich in infektiöse zu transformieren. Auch ist unbekannt, ob die infektiösen Prionen entlang der Neurone oder über die Blut-Hirn-Schranke in das Gehirn eindringen können.

Die CJK ist die häufigste Erkrankung aus dem Formenkreis der übertragbaren spongiformen Enzephalopathien. Man unterscheidet die sporadische Form (85 % der CJK) von der familiären, autosomal-dominant vererbbaren Form (15 % der CJK).

Im Jahr 1996 wurden die ersten Fälle einer neuen Variante der CJK (nvCJK) beschrieben, die wahrscheinlich durch den BSE-Erreger ausgelöst wird. Diese neue Variante tritt bei jüngeren Menschen auf und ist durch einen schleichenden Verlauf mit letalem Ausgang gekennzeichnet.

Die humanen, spongiformen Enzephalopathien sind nicht im üblichen Sinne als infektiös anzusehen. Sie werden nach heutigem Kenntnisstand nicht durch sozialen Kontakt und pflegerische Maßnahmen übertragen. Eine Übertragung der sporadischen und familiären CJK via Blutprodukte kann mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, da auch bei jahrzehntelanger Inkubationszeit sonst Erkrankungsfälle bekannt wären. Dies kann man von der nvCJK noch nicht annehmen. Im allgemeinen sind infektiöse Prionproteine gegen die üblichen Verfahren zur Virusinaktivierung bei Blutprodukten resistent. Als hoch infektiös werden Gewebe aus dem ZNS und dem Auge angesehen. Eingriffe am Auge und am ZNS von Patienten mit einer Prionproteininfektion stellen eine potentielle Gefahr zur Übertragung von CJK dar. Das Hauptproblem bei der Infektion mit einer Prionproteinen ist deren extreme Stabilität gegenüber sämtlichen herkömmlichen Desinfektions- und Sterilisationsverfahren. Bisher gibt es nur allgemeine Empfehlungen zu Vorsichts- und Verhaltensmaßnahmen im Umgang mit an CJK-erkrankten Patienten, wie z. B. Verwendung von Einwegmaterialien, Tragen von Schutzkleidung und Schutzbrillen sowie das Verlegen des Eingriffs an das Ende des Operationsplanes, um anschließend eine angemessene Reinigung zu gewährleisten.

Wir brauchen im Bereich der Anaesthesiologie und der Intensivmedizin einen Katalog mit speziellen Verhaltens- und Hygienevorschriften für den Umgang mit Patienten, die an einer CJK erkrankt sind oder bei denen der Infektionsverdacht besteht.

Ein diesbezüglich erster Schritt ist von dem französischen Ministerium für Arbeit und Soziales 1995 gemacht worden. Danach sollten Materialien oder Instrumente, die in Kontakt mit CJK-Patienten gekommen sind, oder mit Patienten, die in Verdacht stehen, an CJK erkrankt zu sein, wie folgt desinfiziert und sterilisiert werden.

5 % NaOCL oder 5 % KOCI (mindestens 2 % freies Chlor)/24 h und anschließend Dampfsterilisation bei 135°C/1 h. Man kann anstelle von NaOCl und KOCl auch 1-2 Mol NaOH/24 h verwenden. Dieser Empfehlung haben sich mittlerweile viele Staaten angeschlossen.

Trotzdem besteht gerade im medizinischen Sektor Unsicherheit, wie man mit der Infektion von spongiolformen Enzephalopathien und der Erkrankung umzugehen hat. Ein Grund hierfür ist, dass man zum jetzigen Zeitpunkt das Ausmaß der infizierten Patienten noch gar nicht abschätzen kann.

In dieser und der letzten Ausgabe von AINS versuchen wir, den aktuellen Kenntnisstand hierzu und insbesondere zu Verhaltensweisen in Anästhesiologie, lntensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie zu vermitteln.

Tanja W. Langefeld Abteilung Anaesthesiologieund Operative IntensivmedizinJustus-Liebig-Universität Rudolf-Buchheim-Straße 7 35392 Gießen Tanja.W.Langefeld@chiru.med.uni-giessen.de

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