Psychiatr Prax 2001; 28(1): 35-42
DOI: 10.1055/s-2001-10504
ORIGINALARBEIT
Originalarbeit
Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Psychiatrische Behandlung von Gefangenen in allgemeinpsychiatrischen Einrichtungen am Beispiel von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz

Norbert Konrad, Luciano Missoni
  • Institut für Forensische Psychiatrie, Freie Universität Berlin
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Publication Date:
31 December 2001 (online)

Zusammenfassung

Häufigkeit und Rahmenbedingungen der stationären und ambulanten Versorgung psychisch gestörter Gefangener in allgemeinpsychiatrischen Einrichtungen Deutschlands sind bislang nicht erforscht. Eine Befragung der Chefärzte psychiatrischer Kliniken und Abteilungen sowie der leitenden Anstaltsärzte der Justizvollzugsanstalten der Länder Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz ergab eine auffallend geringe Inanspruchnahme der stationären Behandlung von Gefangenen in allgemeinpsychiatrischen Einrichtungen. Bezogen auf die Gesamtaufnahmezahl der Gefangenen war eine stationär-psychiatrische Behandlung bei 0,1 bis maximal 2,3 % im Jahr 1997 erfolgt. Als Hintergrund werden die mit dem Gefangenenstatus gebundenen Hindernisse sowie Vorbehalte gegenüber Problempatienten diskutiert.

Psychiatric Treatment of Offenders in Psychiatric Institutions (General Clinical Psychiatry) in the Lander Nordrhein-Westfalen and Rheinland-Pfalz

Objective: The study was intended to provide information on the frequency and general condition of inpatient and outpatient treatment of mentally disturbed prisoners in general psychiatry in Germany. Methods: Directors of psychiatric institutions and chief physicians of prisons in Nordrhein-Westfalen and Rheinland-Pfalz were interviewed via a standardized questionnaire. Results: The use of inpatient psychiatric treatment was approximately 0.1 to 2.3 % in 1997 with reference to the total admissions in 1997. Conclusion: The rare use of psychiatric beds in general psychiatry may reflect obstacles concerning the status of prisoners and reservations regarding difficult patients.

Literatur

  • 1 Konrad N. Psychiatrie in Haft, Gefangenschaft und Gefängnis. In: Helmchen H, Henn FA, Lauter H, Sartorius N (Hrsg) Psychiatrie der Gegenwart, 4. Auflage. Band III. Berlin, Heidelberg, New York; Springer 2000
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  • 8 Konrad N. Zur Beachtung der Einweisungskriterien bei Unterbringungen in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB.  StV. 1992;  12 597-602
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1 Als Grundlage für die Adressaten dienten die Chefliste WDB 1998, die Bundesdirektorenkonferenz psychiatrischer Krankenhäuser und das Verzeichnis des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe über Fachkliniken für Psychiatrie und Psychotherapie. Die Verfasser möchten sich hier ausdrücklich bei den Leitern dieser Einrichtungen für die Überlassung der Unterlagen bedanken.

2 Die Verfasser bedanken sich hier bei den leitenden Ärzten der angeschriebenen Kliniken und Abteilungen für ihre freundliche Mitarbeit.

3 § 65 StrVollzG Verlegung: 1) Ein kranker Gefangener kann in ein Anstaltskrankenhaus oder in eine für die Behandlung seiner Krankheit besser geeignete Vollzugsanstalt verlegt werden. 2) Kann die Krankheit eines Gefangenen in einer Vollzugsanstalt oder in einem Vollzugsanstaltskrankenhaus nicht erkannt oder behandelt werden oder ist es nicht möglich, den Gefangenen rechtzeitig in ein Anstaltskrankenhaus zu verlegen, ist dieser in ein Krankenhaus außerhalb des Vollzuges zu bringen.

4 ¿ 101 StrVollzG Zwangsmaßnahmen auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge: 1) Medizinische Untersuchung und Behandlung sowie Ernährung sind zwangsweise nur bei Lebensgefahr, bei schwerwiegender Gefahr für die Gesundheit des Gefangenen oder bei der Gefahr für die Gesundheit anderer Personen zulässig; die Maßnahmen müssen für die Beteiligten zumutbar sein und dürfen nicht mit erheblicher Gefahr für Leben oder Gesundheit verbunden sein. Zur Durchführung der Maßnahmen ist die Vollzugsbehörde nicht verpflichtet, solange von der freien Willensbestimmung des Gefangenen ausgegangen werden kann (2) … 3) Die Maßnahmen dürfen nur auf Anordnung und unter Leitung eines Arztes durchgeführt werden.

5 Die Verfasser bedanken sich ausdrücklich bei den Anstaltsärzten für ihre freundliche Mitarbeit.

6 § 126a StPO, Einstweilige Unterbringung 1) Sind dringende Gründe für die Annahme vorhanden, dass jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit oder der verminderten Schuldfähigkeit begangen hat und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt angeordnet werden wird, so kann das Gericht durch Unterbringungsbefehl die einstweilige Unterbringung in einer dieser Anstalten anordnen, wenn die öffentliche Sicherheit es erfordert. Bedauerlicherweise wird nicht selten von Gutachtern den Gerichten die Einweisung von psychisch gestörten oder abnormen Straftätern mit dem hintergründigen Ziel empfohlen, die Allgemeinpsychiatrie von „unerwünschten” Patienten zu entlasten.

Prof. Dr. Norbert Konrad

Institut für Forensische Psychiatrie

Freie Universität Berlin

Limonenstraße 27

12203 Berlin

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