Pneumologie 2000; 54(1): 10-15
DOI: 10.1055/s-2000-9054
ÜBERSICHT
Georg Thieme Verlag Stuttgart ·New York

Die nichtinvasive Beatmung in der Beatmungsentwöhnung

J. Lorenz, S. Friesecke, M. Huntemann, C. Kelbel
  • Abteilung für Pneumologie, Infektiologie, Intensivmedizin und Schlafmedizin, Kreiskrankenhaus Lüdenscheid
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Publication Date:
31 December 2000 (online)

Beatmungsentwöhnung

Die invasive maschinelle Beatmung mittels Endotrachealtubus ist ein etabliertes Verfahren in der Behandlung der akuten Ateminsuffizienz. Sie dient der Oxigenierung des Blutes, der CO2-Elimination und schützt die Atemorgane vor weiteren Schäden. Gleichzeitig jedoch sind mit der externen Überdruckbeatmung eine Reihe von unerwünschten Wirkungen und möglichen Komplikationen verknüpft. Neben Druck-/Volumenschädigungen, die heute weitgehend verhindert werden können, stellt sich bei beatmeten Patienten unvermeidbar eine positive Flüssigkeitsbilanz ein, während die kardiale Auswurfleistung bei gesundem Herzen und bei insuffizientem rechten Herzen unter Beatmung reduziert ist. Auch ist die Perfusion und Sauerstoffaufnahme wichtiger innerer Organe eingeschränkt. Eines der wesentlichen Risiken intubierter und beatmeter Patienten ist die Pneumonie. In einer prospektiven Studie stieg das Pneumonierisiko mit der Beatmungsdauer nahezu linear an und betrug nach 10 Tagen Beatmung 6,5 %, nach 20 Tagen 19 % und nach 30 Tagen 28 % [[1]]. Die kumulative Prävalenz einer Pneumonie wurde für die ersten 3 Tage unter Beatmung auf 8,5 %, für Tag 7 auf 21,1 %, für Tag 14 auf 32,4 % und für eine Beatmung über mehr als 14 Tage auf 45,6 % berechnet [[2]]. Aus all diesen Gesichtspunkten ergibt sich die Notwendigkeit, die maschinelle Beatmung so früh wie möglich zu beenden. Den Prozeß der stufenweisen Reduktion der Beatmungsintensität mit dem Ziel, die Beatmung zu beenden, nennt man Beatmungsentwöhnung.

Die einfachste Form der Beatmungsentwöhnung ist die periodische Diskonnektion des Patienten vom Beatmungsgerät mit zunehmender Dauer solcher Spontanatmungsphasen. Der Patient kann extubiert werden, wenn er über mindestens 30 Minuten ohne Zeichen der Erschöpfung und Verschlechterung der arteriellen Blutgase spontan atmen kann. Mit dieser einfachen Methode können etwa 75 % aller Beatmeten, auch bei Einschluß von Patienten mit bronchopulmonalen Vorerkrankungen, erfolgreich im ersten Versuch entwöhnt werden [[3], [4]]. Eine wichtige Voraussetzung zur erfolgreichen Beatmungsentwöhnung ist die Selektion geeigneter Patienten. Erste Voraussetzung ist, daß der Patient die pulmonale Störung, die zur maschinellen Atemhilfe geführt hat, überwunden hat. Dies bedeutet, daß bei einem maximalen positiven endexspiratorischen Druck von 5 cmH2O eine arterielle Sauerstoffsättigung von mindestens 90 % bei einem inspiratorischen Sauerstoffanteil (FiO2) von maximal 45 % erreicht wird. Diese Bedingung berücksichtigt allerdings nur die Gasaustauschfunktion der Lunge und nicht die Fähigkeit der Ventilationspumpe, die Atemarbeit zu übernehmen. Weitere, allgemein akzeptierte Voraussetzungen zur erfolgreichen Beatmungsentwöhnung ist die hämodynamische Stabilität des Patienten (Ausschluß einer myokardialen Ischämie, einer Schock-Konstellation oder neu aufgetretener Arrhythmien), der Ausschluß einer neu aufgetretenen Infektion und einer offensichtlichen zentral-nervösen Dysfunktion. Da die oben genannte Erfolgsrate von 75 % auch dann nicht übertroffen wird, wenn all diese Regeln beachtet werden, sind in neuerer Zeit zahlreiche Untersuchungen durchgeführt worden, um geeignete Entwöhnungskandidaten prospektiv identifizieren zu können. Dabei wurden Gasaustauschparameter, Parameter der Atemmuskelkraft und -reserven, Parameter der Atemarbeit sowie kombinierte Parameter geprüft [[5]]. Allein die große Anzahl der vorgeschlagenen Entwöhnungsdeterminanten zeigt, daß keiner dieser Parameter befriedigen konnte. Die Beurteilung der Entwöhnbarkeit Langzeitbeatmeter, insbesondere bei Vorliegen kardiopulmonaler Vorerkrankungen, erfordert eine komplexe Synopsis, die in erster Linie klinische Erfahrung benötigt. Diejenigen Patienten, die nach wiederholten Spontanatmungsversuchen nicht erfolgreich extubiert werden können, benötigen eine Entwöhnungsstrategie. Alle derzeit praktizierten Entwöhnungsstrategien beruhen auf dem Prinzip, den Anteil der Atemarbeit, die vom Patienten zu leisten ist, im Verhältnis zur Gesamtatemarbeit kontinuierlich zu erhöhen, bis der Patient zur Spontanatmung fähig ist. Das Verfahren der synchronisierten intermittierenden mandatorischen Ventilation (SIMV) stützt sich zum Beispiel auf die kontinuierliche Rücknahme des Anteils maschinell übernommener Atemzüge. Andere Verfahren reduzieren die Atemarbeit durch eine inspiratorische Druckunterstützung jeden Atemzuges („pressure support ventilation”, PSV), wobei die Entwöhnung durch schrittweise Reduktion der Druckunterstützung umgesetzt wird [[6]]. Systematische Beobachtungen zeigen, daß es mit Hilfe solcher Entwöhnungsstrategien gelingt, etwa 80 % der Patienten, die durch periodische Spontanatmungsversuche nicht entwöhnt werden können, letztlich der Extubation zuzuführen [[3], [4]]. Somit gilt etwa einer von 20 Patienten, die bei Vorliegen chronisch kardiopulmonaler oder neuromuskulärer Vorerkrankungen beatmet werden müssen, als nicht entwöhnbar. Die Durchführung der beschriebenen Entwöhnungsstrategien impliziert einen erheblichen Aufwand an Mühen, Personaleinsatz, Zeit und ökonomischen Ressourcen. Dies wird deutlich, wenn man bedenkt, daß mehr als 40 % der Zeit, in der der Patient vom Beatmungsgerät abhängig ist, der Entwöhnung gewidmet werden muß [[7]].

Literatur

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Prof. Dr. med. Joachim Lorenz

Abteilung für Pneumologie, Infektiologie, Intensivmedizin und Schlafmedizin Kreiskrankenhaus Lüdenscheid

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