Pneumologie 2000; 54(8): 324-332
DOI: 10.1055/s-2000-7025
ÜBERSICHT
Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Die Tuberkulosesituation in Deutschland 1998

R. Loddenkemper, D. Sagebiel, C. Meyer, B. Hauer, M. Forßbohm1
  • Deutsches Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose (DZK), Lungenklinik Heckeshorn, Berlin
  • 1Gesundheitsamt Wiesbaden
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Publication Date:
31 December 2000 (online)

Einleitung

Die Tuberkulose ist unverändert weltweit bei Jugendlichen und Erwachsenen die am häufigsten zum Tode führende Infektionskrankheit. Ein Viertel aller vermeidbaren Todesfälle auf der Welt wird durch Tuberkuloseinfektionen verursacht. Jährlich sterben 2 - 3 Millionen Menschen, darunter 100 000 Kinder, an dieser Erkrankung. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt, dass aktuell nahezu ein Drittel der Weltbevölkerung infiziert ist. Von den 100 Millionen Menschen, die sich jährlich neu mit Mycobacterium tuberculosis infizieren, erkranken im Laufe ihres Lebens ca. 5 - 10 % an einer aktiven Tuberkulose. Die Zahl der jährlichen Neuerkrankungen wird weltweit auf insgesamt 7 - 8 Millionen geschätzt. Über 95 % aller Tuberkulosefälle treten in Entwicklungsländern auf. Wie in den Vorjahren steigen die Tuberkuloseinzidenzen in Osteuropa und der ehemaligen Sowjetunion seit dem Zusammenbruch der politischen Systeme und damit der medizinischen Versorgungsstrukturen dramatisch an.

Begünstigt durch Faktoren wie HIV-Infektion, zunehmende Verarmung, Migration, medizinische Unterversorgung und unzureichende Umsetzung internationaler Empfehlungen im Rahmen nationaler Tuberkuloseprogramme ist die Tuberkulose weltweit weiter auf dem Vormarsch. Etwa ein Drittel der Zunahme der Erkrankungshäufigkeit in den letzten fünf Jahren wird von der WHO auf die Ko-Morbidität mit HIV zurückgeführt.

Von besonderer Bedeutung für die Erkrankungssituation - auch in Deutschland - ist die dramatische Zunahme der Tuberkuloseerkrankungen und -mortalität in Osteuropa, und hier insbesondere in den GUS-Staaten. Aus Osteuropa wird gegenwärtig eine Viertelmillion neuer Tuberkulosefälle pro Jahr berichtet. Die Inzidenzraten in Osteuropa liegen durchschnittlich bei 43,3 pro 100 000 Einwohner [[9]]. Inadäquate Therapie durch fehlerhafte Verordnungen, Mangel an Medikamenten, ungenügende Therapiekontrolle und fehlende Compliance der Patienten haben zudem dazu geführt, dass medikamentenresistente Tuberkulosen insbesondere in Osteuropa zugenommen haben. Schätzungen gehen von weltweit 50 Millionen Menschen aus, die mit resistenten Bakterienstämmen infiziert sind.

Die seit 1996 durchgeführte DZK-Studie (Studienleiter: Dr. M. Forßbohm) zur Epidemiologie der Tuberkulose in Deutschland, an der 2/3 aller deutschen Gesundheitsämter teilnehmen und die 60 % aller Patienten in Deutschland erfasst, beschreibt für 1998 Resistenzraten von 31,5 % gegen mindestens ein Tuberkulose-Erstrangmedikament für in den GUS-Staaten geborene Tuberkulosepatienten, die in Deutschland leben. Die Multiresistenz (MDR), d. h. Resistenz gegen mindestens INH und RMP, stieg in dieser Gruppe 1998 auf 11,8 % an, während die MDR in Deutschland insgesamt von 1,2 % (1996) auf 1,4 % (1998) anstieg. Die Resistenzsituation in der deutschen Bevölkerung stellt sich in dieser Studie vergleichsweise stabil dar [[1]].

Die epidemiologische Situation der Tuberkuloseerkrankungen in Deutschland ist seit Jahren stabil. Die Gesamtinzidenz für 1998 beträgt 12,7 pro 100 000 Einwohner gegenüber 13,6 pro 100 000 Einwohner im Jahr 1997. Dieser insgesamt rückläufige Trend muss jedoch das Augenmerk vermehrt auf Risikogruppen mit erhöhter Auftretenswahrscheinlichkeit für Tuberkuloseerkrankungen in Deutschland lenken. Neben der Kontrolle und effizienten Bekämpfung muss das Erreichte durch gezielte präventive und diagnostische Maßnahmen stabilisiert werden sowie insbesondere mit neuen gesundheitspolitischen Handlungsanweisungen den akuten epidemiologischen Tendenzen und Erfordernissen angepasst werden. Effektive, kostengünstige und erfolgreiche Prävention und Therapie von Tuberkulose erfordert deshalb auch eine fundierte Datengrundlage zur Untermauerung neuer Handlungsanweisungen. Hierfür wird das neue Infektionsschutzgesetz eine wichtige Grundlage schaffen.

Im folgenden sollen die Daten des 25. Informationsberichtes des DZK für das Jahr 1998 unter besonderer Berücksichtigung der bekannten Risikopopulationen dargestellt werden. Die Zahlenangaben aus der Studie wurden aktualisiert.

Literatur

  • 1 Deutsches Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose .25. Informationsbericht. Frankfurt/Main: Pmi Verlagsgruppe (erhältlich beim DZK) 1999
  • 2 Statistisches Bundesamt Wiesbaden .- VII B-176. 
  • 3 Statistisches Jahrbuch 1999 für die Bundesrepublik Deutschland. Stuttgart: Metzler-Poeschel Verlag
  • 4 Ständige Impfkommission am Robert-Koch-Institut (STIKO) .Impfempfehlungen. Epidemiologisches Bulletin des Robert-Koch-Instituts 1998 15: 109-112
  • 5 Auswertung von R. Küchler (Berlin), U. Müller-Brundaler und R. Urbanczik (Schiffweiler); Korrespondenz bitte an Dr. R. Küchler, Krankenhaus Neukölln, Rudower Str. 98, 12351 Berlin. 
  • 6 Forßbohm M. Studie des DZK zur Epidemiologie der Tuberkulose - Zwischenbericht 1996. In: Deutsches Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose, 23. Informationsbericht Frankfurt/Main: Pmi Verlagsgruppe (erhältlich beim DZK) 1997
  • 7 Forßbohm M. Studie des DZK zur Epidemiologie der Tuberkulose - Zwischenbericht 1997. In: Deutsches Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose, 24. Informationsbericht Frankfurt/Main: Pmi Verlagsgruppe 1998
  • 8 Robert-Koch-Institut . Zur Struktur der Tuberkulosemorbidität in Deutschland - Ergebnisse der Studie des DZK zur Epidemiologie der Tuberkulose.  Epidemiologisches Bulletin. 1998;  49 349-351
  • 9 Loddenkemper R, Hauer B, Sagebiel D, Forßbohm M. Tuberkuloseepidemiologie in Deutschland und der Welt mit Schwerpunkt Osteuropa.  Bundesgesundheitsblatt. 1999;  42 683-693
  • 10 Iseman M D. Treatment of multidrug-resistant tuberculosis.  N Engl J Med. 1993;  329 784-791
  • 11 Magdorf K. Gezielte Tuberkulintestung und Chemoprävention bei Kindern. Die wichtigste Maßnahme zur Tuberkulose-Prävention, Tb-Letter. 10 1999: 1
  • 12 Brodehl J. Kommission für Infektionskrankheiten und Impffragen in Zusammenarbeit mit der DGPI; Tuberkulintestung im Kindesalter. Monatsschrift für Kinderheilkunde (MoKi). 7/1999: 691-692

Generalsekretär Prof. Dr R Loddenkemper

Deutsches Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose Lungenklinik Heckeshorn

Zum Heckeshorn 33 14109 Berlin

Email: E-mail: loddheck@zedat.fu-berlin.de