Gesundheitswesen 2000; 62(11): 583-588
DOI: 10.1055/s-2000-13044
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Einstellung von Medizinstudenten zu Behinderten

Attitude of Medical Students Towards Handicapped PersonsS. Riedel, A. Hinz, R. Schwarz
  • Universität Leipzig
    Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin
    Selbständige Abteilung Sozialmedizin
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
31. Dezember 2000 (online)

Zusammenfassung

Ärztinnen und Ärzte haben in ihrem Berufsalltag zunehmend mit Menschen zu tun, die langfristig mit chronischen Erkrankungen oder Behinderungen leben müssen. Neben fundiertem medizinischen Wissen sind somit Kenntnisse über psychosoziale Einflussfaktoren bei den jeweiligen Krankheitsbildern sowie eine positive Einstellung zu Behinderten für eine optimale Betreuung unerlässlich. An der Universität Leipzig wird deshalb innerhalb des sozialmedizinischen Kurses praxisorientiert ein Einblick in Leben mit Handicaps vermittelt, indem die Studenten in Selbsthilfegruppen und Behinderteneinrichtungen hospitieren. Bei einer Befragung von 250 Medizinstudenten des 5. Studienjahres vor und nach der Hospitation wurden neben Motiven für die Studienfachwahl, Berufszielen, ausgewählten Wertorientierungen und Meinungen zum Fach Sozialmedizin vor allem ihre Einstellungen zu Behinderten erfasst. Als Vergleichsgruppe wurden 28 Studenten der Förderpädagogik in die Studie einbezogen.

Es zeigte sich, dass zwar die Förderpädagogikstudenten eine positivere Haltung gegenüber Behinderten aufweisen, sich jedoch die Einstellung der Medizinstudenten von der der Gesamtbevölkerung kaum unterscheidet. Auch nach den direkten persönlichen Kontakten mit Behinderten blieben die Einstellungen, wie eine Zweitbefragung ergab, unverändert. Es erscheint deshalb notwendig, das praxisorientierte sozialmedizinische Angebot auszubauen und das Medizinstudium fächerübergreifend stärker an den Belangen behinderter Menschen zu orientieren.

Attitude of Medical Students Towards Handicapped Persons

In their daily professional work physicians are increasingly faced with persons who live with chronic diseases or handicaps. Beyond profound medical knowledge, an understanding of psychosocial factors and a positive attitude are essential for providing optimal treatment. In order to teach the medical students of Leipzig University how to balance these factors they are required to visit self-help groups and institutions for disabled persons as part of the course „Social Medicine”. 250 medical students of the 9th semester filled out a questionnaire designed to assess their attitudes toward handicapped persons as well as their motivation for choosing the medical profession. The questionnaire was given twice, once before their visitations and once following. 28 students of special supportive education served as a control group.

While the attitudes of the medical students were very similar to those of the standard population, the attitudes of the supportive education students were significantly more positive. A comparison of the results of the questionnaires before and after the visitations showed that the attitudes of the medical students remained essentially the same without any obvious changes due to their experiences during the visitations. This evidence suggests that there needs to be more emphasis in Social Medicine and medical education in general placed on the problems specific to handicapped people.

Literatur

  • 1 Bundesministerium für Arbeit und Soziales .Die Lage der Behinderten und die Entwicklung der Rehabilitation. Bonn; Eigenverlag 1998
  • 2 Meier J, Michel M, Riedel S. Sozialmedizin im ökologischen Kurs - Leipziger Erfahrungen mit einem sozialmedizinischen Praktikum.  Gesundh Wes. 1997;  59 51-55
  • 3 Seidel K H, Bergmann Ch. Entwicklung eines Fragebogens zur Messung der Einstellungen gegenüber Körperbehinderten.  Heilpädagogische Forschung. 1983;  10 290-320
  • 4 Cloerkes G. Einstellung und Verhalten gegenüber Körperbehinderten. Eine Bestandsaufnahme der Ergebnisse internationaler Forschung. Berlin; Marhold 1979
  • 5 Cloerkes G. Soziologie der Behinderten. Eine Einführung Heidelberg; Winter 1997 121
  • 6 Inglehart R, Klingemann H D. Dimensionen des Wertewandels. Theoretische und methodische Reflexionen anläßlich einer neuerlichen Kritik.  Politische Jahresschrift. 1994;  37 319-340
  • 7 Inglehart R. Kultureller Umbruch. Wertewandel in der westlichen Welt. Frankfurt/New York; Campus 1989
  • 8 ten Cate Th J, De Haes JC JM. Summative assessment of medical students in the affective domain.  Medical Teacher. 2000;  22 40-43

Dr. Steffi Riedel

Universität Leipzig
Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin
Selbständige Abteilung Sozialmedizin

Riemannstr. 32

04107 Leipzig

eMail: rieds@medizin.uni-leipzig.de

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