Gesundheitswesen 2000; 62(6): 335-341
DOI: 10.1055/s-2000-11471
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Verbessert sich der Gesundheitszustand nach Wiederaufnahme einer ABM-Tätigkeit?

E. Swart, H. Mächler
  • Institut für Sozialmedizin, Medizinische Fakultät, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
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Publication Date:
31 December 2000 (online)

Zusammenfassung

Einleitung: Aufgrund struktureller Probleme der ostdeutschen Wirtschaft nach der Wiedervereinigung Deutschlands wird sich an der hohen Arbeitslosigkeit in den nächsten Jahren kaum etwas grundlegend ändern. Über mehrere zehntausend ABM-Stellen wird versucht, die negativen sozialen und finanziellen Folgen für einen Teil der von der Arbeitslosigkeit besonders betroffenen Gruppen zu mildern. In der vorliegenden Studie wurden die gesundheitlichen Auswirkungen der Wiederaufnahme einer regelmäßigen Arbeitstätigkeit im Rahmen einer ABM-Maßnahmeuntersucht.

Methodik: Mittels eines Fragebogens wurden Beschäftigte von 2 Magdeburger ABM-Gesellschaften zu ihrem subjektiv empfundenen Gesundheitszustand und den Änderungen gegenüber der vorangegangenen Arbeitslosigkeit befragt.

Ergebnisse: 217 ABM-Beschäftigte nahmen an der anonymen Befragung teil (Beteiligungsrate: 50 %; Durchschnittsalter 45 Jahre; durchschnittliche Dauer der vorangegangenen Arbeitslosigkeit 1,5 Jahre). Knapp die Hälfte der Befragten (48 %) sieht einen positiven Einfluss der ABM-Maßnahme auf ihre Gesundheit. In der Altersgruppe ab 50 Jahre wird dieser Zusammenhang am stärksten gesehen. Die Häufigkeit subjektiv empfundener Beschwerden (Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Magenbeschwerden u. a.) hat sich bei der Hälfte der Beschäftigten nicht verändert, bei den übrigen ist sie mehrheitlich zurückgegangen. Bei als belastend empfundenen Arbeitsbedingungen bzw. körperlicher Überforderung machen sich positive Auswirkungen in geringerem Ausmaß bemerkbar. Die Sinnhaftigkeit von ABM-Maßnahmen (in den Augen der Befragten) korreliert mit positiven Auswirkungen der Tätigkeit auf die Gesundheit und andere Lebensbereiche.

Schlussfolgerung: Der negative Einfluss der Arbeitslosigkeit auf die physische und psychische Gesundheit ist seit langem bekannt. Unsere Ergebnisse zeigen darüber hinaus, dass im Gegenzug auch eine befristete Wiederaufnahme einer geregelten Arbeit positive Auswirkungen auf die Gesundheit hat und gesundheitliche Belastungen verringern kann. Dieser Zusammenhang wird durch die Arbeitsbedingungen und durch das soziale Umfeld der ABM-Beschäftigten beeinflusst. Diese Fragestellung bedarf weiterer Beachtung, um die sozialmedizinische Bedeutung von ABM-Maßnahmen zu klären.

Can Health Status be Improved by Job-Creating-Measures?

Due to structural problems of the East German economy the level of unemployment will probably remain high for the next ten years. Thus, thousands of health-employment-schemes are established to reduce negative social and financial consequences of unemployment for those groups that are most affected. In this study the effects of temporary re-employment on health within the bounds of a job-creating measure are examined.

By questionnaire employees of two firms in Magdeburg that exclusively occupies former unemployed men and women were asked about their subjective health status and changes in health status since re-employment.

217 employees filled the questionnaire (response rate: 50 %; mean age: 45 years, mean duration of former unemployment: 18 months). About one half of the employees (48 %) report positive effects on health after re-employment. This percentage is highest in the age group 50 years and older. The frequency of health impairments remained unchanged for half of the workers, the rest mainly stated fewer impairments. Poor working conditions or physical overtaxing decreases the positive effects of re-employment. Employees who had a positive attitude towards their work report on positive effects on health and other aspects of life more than average.

Conclusions: Negative consequences of unemployment on physical and psychological health are well understood. On the other hand, our study demonstrates positive effects on health and a reduction of health impairments by temporary job-creating measures. This is influenced by the working conditions and the social environment of the employees. Further investigation are needed for detailed medical evaluation of job-creating schemes.

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Dr. Enno Swart

Institut für Sozialmedizin, Medizinische FakultätOtto-von-Guericke-Universität Magdeburg

Leipziger Straße 44, 39120 Magdeburg

Email: enno.swart@medizin.uni-magdeburg.de

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