Gesundheitswesen 2025; 87(S 01): S71-S72
DOI: 10.1055/s-0045-1802033
Abstracts │ BVÖGD, BZÖG, DGÖG, LGL
03.04.2025
Potenzial der Abwasseruntersuchung für den Bereich der Öffentlichen Gesundheit
08:30 – 10:30

Abwassermonitoring in Deutschland – Aktueller Stand und Perspektive

T Greiner
1   Robert Koch-Institut, Abteilung für Infektionsepidemiologie, Berlin
,
J Schumacher
1   Robert Koch-Institut, Abteilung für Infektionsepidemiologie, Berlin
› Institutsangaben
 

Spuren von verschiedenen Krankheitserregern gelangen u.a. über Stuhl oder Urin ins Abwasser, wo sie nachgewiesen und quantifiziert werden können. Dadurch ist eine Überwachung dieser Erreger unabhängig von Teststrategien und Testverhalten in der Bevölkerung möglich.

Seit November 2022 wurde im Vorhaben Abwassermonitoring für die epidemiologische Lagebewertung (AMELAG) von Robert Koch-Institut (RKI) und Umweltbundesamt (UBA) eine Abwassersurveillance zunächst für SARS-CoV-2 etabliert. Das Vorhaben wird gefördert vom Bundesministerium für Gesundheit. Weiterhin beteiligt sind das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz, die 16 Bundesländer, Kläranlagen sowie Labore, der Sanitätsdienst der Bundeswehr, die Technische Universität Darmstadt und weitere Universitäten. Aufgebaut wurden Strukturen für Probenahme, -transport und -verarbeitung sowie eine digitale Dateninfrastruktur und automatisierte Auswerteprozesse. Die Ziele des Vorhabens sind: (1) die Ausweitung der Abwassersurveillance auf bundesweit ca. 170 Kläranlagen, (2) die Harmonisierung der Arbeitsabläufe, Qualitätskontrolle und Normalisierung der Daten sowie der Trendberechnung, und (3) die Ausweitung der Abwassersurveillance auf weitere Erreger, wie z.B. Influenzaviren, Respiratorisches Synzytial-Viren, sowie auf antimikrobielle Resistenzen. Weitere Ziele sind die Evaluation des aufgebauten Abwassersurveillance-Systems und die wissenschaftliche Weiterentwicklung.

Die im Vorhaben gewonnen Daten werden seit dem Herbst 2023 im Wochenbericht zur Abwassersurveillance des RKI sowie im Infektionsradar des BMG veröffentlicht. Dabei werden die Entwicklungen der Viruslast einzelner Standorte von Kläranlagen und die eines bundesweit aggregierten Indikators abgebildet. Zudem werden die Anteile an Virusvarianten an einzelnen Standorten ermittelt. In Zusammenschau mit den Daten aus der syndromischen und virologischen Surveillance akuter Atemwegserkrankungen unterstützt die Abwassersurveillance die Bewertung des COVID-19-Infektionsgeschehens. Die generierten Daten stehen dem ÖGD und der interessierten Öffentlichkeit als Open Data zur Verfügung.

Im Dezember 2023 hat das durch die EU geförderte Projekt „EU – Wastewater integrated Surveillance in Health“ (EU-WISH) begonnen, das Nachweise von Krankheitserregern im Abwasser in allen teilnehmenden EU-Mitgliedsstaaten etablieren und das Vorgehen vereinheitlichen soll. Dazu wurde ein Konsortium aus 62 Institutionen aus 26 Mitgliedsstaaten gebildet, das nationale Abwassersurveillance unterstützen, Expertenwissen austauschen und Handlungsempfehlungen entwickeln soll. Hier sind RKI und UBA an verschiedenen Arbeitspaketen beteiligt.

Weiterhin beteiligen sich RKI und UBA am Vorhaben GLOWACON (Global Consortium for Wastewater and Environmental Surveillance for Public Health) der Europäischen Kommission. Ziel ist der Aufbau eines internationalen Sentinelsystems für die frühe Detektion, Prävention und Überwachung von epidemischen Gefahren und Ausbrüchen. Zusätzlich arbeitet die Europäische Kommission an der abwasserbasierten Überwachung verschiedener Erreger an sogenannten „Supersites“. Dies sind Metropolen bzw. Verkehrsknotenpunkte in der Europäischen Union. Dort sollen regelmäßig Proben auf verschiedene Erreger und Spurenstoffe untersucht werden.



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
11. März 2025

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