Zeitschrift für Palliativmedizin 2024; 25(05): e45-e46
DOI: 10.1055/s-0044-1788452
Abstracts │ DGP
Versorgungsqualität, Fehlerkultur und Outcome-Parameter

Sinnvoll oder sinnlos? Die Reanimation von hochbetagten Patienten – eine retrospektive Analyse

N Heuser
1   Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Standort Marburg, Klinik für Anästhesie und Intensivtherapie, Marburg
,
D Rupp
2   DRK Rettungsdienst Mittelhessen gGmbH, Gießen
,
S Glass
3   DGD Diakonie-Krankenhaus Wehrda, Akut- und Notfallmedizin, Marburg
,
M C Sassen
3   DGD Diakonie-Krankenhaus Wehrda, Akut- und Notfallmedizin, Marburg
4   Landkreis Marburg-Biedenkopf, Fachbereich Gefahrenabwehr, Marburg
,
A Morin
1   Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Standort Marburg, Klinik für Anästhesie und Intensivtherapie, Marburg
,
C Volberg
1   Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Standort Marburg, Klinik für Anästhesie und Intensivtherapie, Marburg
5   Philipps-Universität Marburg, Dekanat Humanmedizin, AG Ethik in der Medizin, Marburg
› Author Affiliations
 

Hintergrund Die Reanimation beim außerklinischen Herzstillstand (OHCA) ist ein in der Notfallmedizin stark beforschtes Einsatzbild. Durch feste Algorithmen und intensives Training können Überlebensraten bis zu 11% erreicht werden [1]. Es kommt jedoch immer mehr zu einer Verschiebung der Alterskurve hin zu hochbetagten Menschen, sodass auch die Versorgung dieses alternden Patienenklientels zunehmend Relevanz im Notarztdienst hat [2]. Auch der Anteil hochbetagter Patienten (>80 Jahre), welche außerklinisch reanimiert werden nimmt immer weiter zu, wobei sich die Frage der Sinnhaftigkeit aufdrängt. So waren im Jahr 2022 mehr als 34% der in Deutschland reanimierten Personen älter als 80 Jahre [1]. Dies ist insofern interessant, da ein hohes Alter, sowie Gebrechlichkeit und Komorbidität als schlechte Prädiktoren für das Outcome einer Reanimation gelten [3] [4]. In diesem Zusammenhang gibt es auch ethische Empfehlungen der Fachgesellschaften, die Vorgaben machen, ab wann eine Reanimation als aussichtslos betrachtet werden kann und dann auch abgebrochen werden sollte [5]. Inwieweit diese Empfehlungen jedoch Anwendung finden, ist unklar.

Methode Retrospektive Auswertung von außerklinischen Reanimationen bei Patienten≥80 Jahre des Zeitraums 01.01.2014 – 31.12.2022.

Ergebnisse Insgesamt wurden 578 Datensätze ausgewertet. Ein ROSC konnte bei 26% (n=148) erzielt werden, jedoch überlebten nur 6,1% (n=35) der Patienten. Die Reanimationsdauer betrug im Median 17 Minuten (IQR: 18 Minuten). Je älter die Patienten waren, desto schlechter war das Überleben (p=0,05) und umso kürzer war die Reanimation bis zur Beendigung (p<0,001). Ebenfalls war die Reanimation bei schlechterem ASA-Status signifikant kürzer bis zum Abbruch (p<0,001). Assistenzärzte reanimierten signifikant länger als Fachärzte (p=0,02), während es zwischen verschiedenen Fachrichtungen keinen Unterschied gab (p=0,09). Bei den überlebenden Patienten zeigte sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen kurzer Reanimationsdauer und gutem CPC-Wert (Median: CPC1/2=5 Min. vs. CPC 3/4=18 Min.; p=0,01).

Schlussfolgerung Ein höheres Lebensalter sowie ein schlechterer Gesundheitsstatus sind beim OHCA mit einer schlechteren Prognose vergesellschaftet. Dies deckt sich mit Ergebnissen anderer Arbeiten [3] [4]. Wir können darstellen, dass eine kurze Reanimationszeit mit einem besseren CPC-Wert einhergeht. Bei der Reanimation hochbetagter Patienten sollte deshalb noch stärker darauf geachtet werden, dass reversible Ursachen schnell behoben werden, um einen ROSC und ein gutes Outcome zu erzielen. Reanimationen von mehr als 20 Minuten sollten analog den ToR-Kriterien [3] auf jeden Fall vermieden werden, um dem Patienten entsprechend der ethischen Grundprinzipien nicht zu schaden und, bei nur minimaler Chance auf Überleben, den Sterbeprozess nicht unnötig in die Länge zu ziehen.



Publication History

Article published online:
26 August 2024

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  • Literatur

  • 1 Fischer M., Wnent J., Gräsner J.-T., Seewald S., Brenner S., Bein B., Ristau P., Bohn A.. & die teilnehmenden Rettungsdienste im Deutschen Reanimationsregister, (2023), Öffentlicher Jahresbericht 2022 des Deutschen Reanimationsregisters: Außerklinische Reanimation 2022 [Internet]., Verfügbar unter: www.reanimationsregister.de/berichte.html
  • 2 Roessler M, Eulitz N. Palliativmedizin im Notarztdienst. Anaesthesist, Mai 2018; 67 (05) 366-74
  • 3 Goto Y, Funada A, Maeda T, Okada H, Goto Y. Field termination-of-resuscitation rule for refractory out-of-hospital cardiac arrests in Japan. J Cardiol, März 2019; 73 (03) 240-6
  • 4 Smith RJ, Reid DA, Santamaria JD. Frailty is associated with reduced prospect of discharge home after in-hospital cardiac arrest. Intern Med J 2019; 49 (08) 978-85
  • 5 Morrison LJ, Kierzek G, Diekema DS, Sayre MR, Silvers SM, Idris AH. u. a. , (2010), Part 3: Ethics: 2010 American Heart Association Guidelines for Cardiopulmonary Resuscitation and Emergency Cardiovascular Care., Circulation