Aktuelle Kardiologie 2018; 7(01): 36-44
DOI: 10.1055/s-0044-100364
Übersichtsarbeit
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Aortenstenose mit niedrigem Gradienten: Wann ist die Stenose tatsächlich schwer und wer profitiert vom Klappenersatz?

Low Gradient Aortic Stenosis: When Is It Severe and Who Requires Aortic Valve Replacement?
Jan Minners
Klinik für Kardiologie und Angiologie II, Universitäts-Herzzentrum Freiburg Bad Krozingen GmbH, Bad Krozingen
,
Nikolaus Jander
Klinik für Kardiologie und Angiologie II, Universitäts-Herzzentrum Freiburg Bad Krozingen GmbH, Bad Krozingen
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Publication Date:
28 February 2018 (online)

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Zusammenfassung

Die Aortenstenose mit niedrigem Druckgradienten bezeichnet eine Konstellation, bei der in der echokardiografischen Basisdiagnostik eine Aortenöffnungsfläche (AÖF) < 1,0 cm² und ein mittlerer Druckgradient ≤ 40 mmHg gefunden werden und der Schweregrad somit nicht sicher eingeordnet werden kann. Die neuen Leitlinien und echokardiografischen Empfehlungen stellen erstmals den Schlagvolumenindex (SVI) ins Zentrum der weiteren Differenzierung. Der SVI dient der Entdeckung einer – nicht immer auf den ersten Blick erkennbaren – Pumpfunktionsstörung, die einen relativ niedrigen Druckgradienten bei schwerer Aortenstenose erklären könnte. Die echokardiografische Bestimmung des SVI ist allerdings fehleranfällig und stützt sich auf Parameter, die auch schon für die Bestimmung der AÖF verwendet werden. Deshalb müssen diese Messungen sorgfältig überprüft und der Befund einer hochgradigen Aortenstenose bei erniedrigtem SVI durch Zusatzuntersuchungen bekräftigt werden. Bestätigt sich der Befund einer schweren Stenose, ist auch bei niedrigem Druckgradienten in symptomatischen Patienten – sowohl bei erhaltener als auch reduzierter Ejektionsfraktion – ein Klappenersatz indiziert. Bei Aortenstenose mit niedrigem Druckgradienten und normalem SVI liegt hingegen keine hochgradige Stenose vor und rechtfertigt eine weitere konservative Therapie.

Abstract

Low gradient aortic stenosis indicates a constellation of echocardiographic parameters with an aortic valve area < 1.0 cm² and a mean gradient of ≤ 40 mmHg in which grading of stenosis severity remains unclear. New guidelines and echocardiographic recommendations promote stroke volume index (SVI) as most important measure for further differentiation in these cases. SVI is able to detect left ventricular impairment – even in patients with preserved ejection fraction – and may, therefore, explain a relative low gradient in truly severe aortic stenosis. However, echocardiographic assessment of SVI is prone to measurement errors and is, furthermore, derived from parameters already used for the calculation of AVA. Therefore, basic measurements have to be cross-checked and the finding of a severe aortic stenosis in the presence of low SVI has to be confirmed by additional tests. If the diagnosis of a severe aortic stenosis is reliably established, aortic valve replacement is indicated in symptomatic patients with preserved and in those with reduced ejection fraction. In contrast, low gradient aortic stenosis with normal SVI indicates non-severe stenosis and watchful waiting is warranted.

Was ist wichtig?
  • Parallel zu den Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie für Klappenerkrankungen erschienen 2017 auch die neu gefassten Empfehlungen für die echokardiografische Diagnostik der Aortenstenose. Hier wird übereinstimmend ein neues Stufenschema zur Diagnostik der Aortenstenose vorgeschlagen.

  • Bei der Aortenstenose mit niedrigem Druckgradienten (Aortenöffnungsfläche < 1,0 cm², mittlerer Druckgradient ≤ 40 mmHg) erfolgt die weitere Differenzierung im nächsten Schritt anhand von Schlagvolumenindex und Ejektionsfraktion.

  • Für unklare Fälle bekommt erstmals die Mehrschicht-Computertomografie eine zentrale Rolle, um Patienten mit hochgradiger Stenose zu identifizieren.