Geburtshilfe Frauenheilkd 2023; 83(06): e35
DOI: 10.1055/s-0043-1769878
ABSTRACTS | MGFG

Primärprävention des Ovarialkarzinoms durch opportunistische Salpingektomie – ein neuer De-Facto Standard in Deutschland

A. Kather
1   Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Fortpflanzungsmedizin, Universitätsklinikum der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Jena, Deutschland
,
J. Vorwergk
1   Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Fortpflanzungsmedizin, Universitätsklinikum der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Jena, Deutschland
,
J. J. Cruz
1   Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Fortpflanzungsmedizin, Universitätsklinikum der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Jena, Deutschland
,
A. R. Mothes
1   Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Fortpflanzungsmedizin, Universitätsklinikum der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Jena, Deutschland
,
C. R. Beteta
2   Klinik für Gynäkologie mit onkologischer Chirurgie, Universitätsmedizin Berlin - Charité, Berlin, Deutschland
,
J. Boer
3   Nord-Ostdeutsche Gesellschaft für Gynäkologische Onkologie, NOGGO e.V., Berlin, Deutschland
,
M. Keller
3   Nord-Ostdeutsche Gesellschaft für Gynäkologische Onkologie, NOGGO e.V., Berlin, Deutschland
,
M. Pölcher
4   Gynäkologisches Krebszentrum, Rotkreuzklinikum München, München, Deutschland
,
A. Mustea
5   Klinik für Gynäkologie und Gynäkologische Onkologie, Universitätsklinikum Bonn, Bonn, Deutschland
,
J. Sehouli
2   Klinik für Gynäkologie mit onkologischer Chirurgie, Universitätsmedizin Berlin - Charité, Berlin, Deutschland
,
I. B. Runnebaum
1   Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Fortpflanzungsmedizin, Universitätsklinikum der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Jena, Deutschland
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Hintergrund Die Rolle der Eileiter bei der Entstehung des aggressiven high-grade serösen Ovarialkarzinoms (HGSOC) ist inzwischen wissenschaftlich anerkannt. Da es bisher keine effektiven Früherkennungsstrategien für das Ovarialkarzinom gibt, etabliert sich international zunehmend die opportunistische Salpingektomie (OS) als Primärprävention für Frauen der Normalbevölkerung mit durchschnittlichem Krebsrisiko und abgeschlossener Familienplanung. Im Rahmen einer geplanten gynäkologischen Beckenoperation werden nach entsprechender Aufklärung beide Eileiter komplett entfernt. Die Ovarien und ihre versorgenden Blutgefäße bleiben erhalten. International haben bisher nur 13 Fachgesellschaften ein Statement zur OS herausgegeben. In dieser Studie soll die Bedeutung der OS in Deutschland untersucht werden.

Methoden (1) Befragung operativ tätiger Gynäkologinnen und Gynäkologen in Deutschland in den Jahren 2015 und 2022 durch die Frauenklinik des Universitätsklinikums Jena in Kooperation mit der Frauenklinik der Charité-Universitätsmedizin Berlin und mit Unterstützung durch die NOGGO e. V. und die AGO e. V.

(2) Abfrage der Fallzahlen von in Deutschland stationär durchgeführten Salpingektomien aus den Jahren 2005-2020 vom statistischen Bundesamt (Destatis).

Ergebnisse (1) Umfrage: Teilnehmer-Zahl 2015: n=203, 2022: n=166. Fast alle Befragten (2015: 92%, 2022: 98%) hatten bereits eine OS durchgeführt, mit der Intention, das Risiko für maligne (2015: 96%, 2022: 97%) und benigne (2015: 47%, 2022: 38%) Erkrankungen zu reduzieren. Im Jahr 2022 gaben deutlich mehr Teilnehmer an, die OS in >50% der Fälle oder immer durchzuführen (2015: 57%, 2022: 89%). Die Mehrheit der Befragten befürwortet eine Empfehlung der OS für alle Frauen mit abgeschlossener Familienplanung (2015: 68%, 2022: 74%).

(2) Fallzahlanalyse: Zwischen 2005 und 2020 hat sich die Zahl an Salpingektomien, die in deutschen Krankenhäusern stationär durchgeführt wurden, vervierfacht (2005: 12.286, 2020: 50.398). Damit lag die Salpingektomie im Jahr 2020 in der Liste der häufigsten stationär durchgeführten Eingriffe bei Frauen auf Rang 40, noch vor der Appendektomie (49.697 Fälle, Rang 41). Hysterektomien wurden in 45% der Fälle in Kombination mit einer Salpingektomie durchgeführt, bei weiteren 31% wurden die Eileiter zusammen mit den Ovarien entfernt (Salpingoovariektomie). Bei Frauen im Alter von 35-49 Jahren lag der Anteil an Hysterektomien mit Salpingektomie bei 66–69%. Die meisten Salpingektomien (67%) wurden 2020 mit Hauptdiagnosen kodiert, die eine benigne Indikation zur Hysterektomie darstellen.

Fazit Die Fallzahlanalyse und das Meinungsbild der befragten Gynäkologinnen und Gynäkologen zeigen, dass sich die opportunistische Salpingektomie in Deutschland zu einem häufig durchgeführten Routine-Eingriff zur Prävention des Ovarialkarzinoms entwickelt hat. Drei Viertel aller Befragten befürworten eine Empfehlung der OS für alle Frauen mit abgeschlossener Familienplanung.



Publication History

Article published online:
21 June 2023

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