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DOI: 10.1055/s-0043-1769292
Autoantikörper in der Muttermilch – Stillen als Chance oder Risiko?
Die optimale Ernährung von Früh- und Neugeborenen ist Muttermilch [6]. Muttermilch enthält unter anderem immunologische Faktoren, die die Abwehrfunktion der Schleimhäute unterstützen, das Immunsystem positiv beeinflussen und das Infektionsrisiko für Neonaten senkt [5] [6].
Bei Schwangeren mit Nachweis von Autoantikörpern, z.B. Ro/SS-A- oder La/SS-B-Antikörper (Ak) oder Autoantikörper gegen Thrombozyten, kann bereits intrauterin eine Transmission an den Feten erfolgen [1] [2] [4]. In der Folge kann es bei Ro/SS-A- oder La/SS-B-Ak zu einem neonatalen Lupus (NLE) mit z.B. fetalem atrioventrikulären Block oder dermatologischen Manifestationen kommen [1] [2]. Bei Transmission von thrombozytären Autoantikörpern kann eine fetale Thrombopenie auftreten [4].
Neben dem Nachweis der Autoantikörper im Serum der Schwangeren, können diese bei einem Teil auch in der Muttermilch nachgewiesen werden [2] [4]. Eine Transmission der Autoantikörper im Rahmen der Ernährung mit Muttermilch ist möglich. Dies führt zu der Frage, ob in solchen Fällen eine Muttermilchernährung für den Neonaten sicher ist oder ein Risiko darstellt.
Anhand von 3 Fällen berichten wir über die Unsicherheit und Überlegungen im Rahmen der Muttermilchernährung dieser Kinder im Kontext der Klinik des Kindes und der mütterlichen Erkrankung durch Autoantikörper.
Wir berichten von einem sehr unreifen Frühgeborenen (23 4/7 Schwangerschaftswochen, 430g Geburtsgewicht) mit NLE und Nachweis der entsprechenden Autoantikörper sowohl im Serum als auch in der Muttermilch. Bei dem zweiten Fall handelt es sich um das Neugenborene einer Mutter mit Nachweis von Autoantikörpern sowohl im Serum als auch in der Muttermilch, welches bis zur U2 keine eigene Klinik zeigte. Der 3. Fall ist ein Neugeborenes mit schwerer und anhaltender Thrombopenie bei mütterlicher Immunthrombopenie (ITP).
Alle 3 Fälle wurden mit Muttermilch ernährt. Bei dem 3. Fall erfolgte eine Stillpause bei sehr niedrigen Thrombozyten in der Neonatalperiode; im Anschluss wurde die Ernährung mit Muttermilch fortgesetzt.
Mütter mit eigener Autoimmunerkrankung oder Nachweis von Autoantikörpern ohne eigene Klinik, die ihre Neugeborenen mit ihrer Muttermilch ernähren möchten, stehen häufig vor der Frage, ob sie dadurch ihren Kindern Schaden zufügen. Die Literatur zu dieser Problematik zeigt, dass in den meisten Fällen das Stillen nicht zu einer Agravierung der Klinik geführt hat [1] [2] [4]. Eine wesentliche gastrointestinale Aufnahme der Autoantikörpern ist in den meisten Fällen unwahrscheinlich [1] [2] [4] – bei sehr unreifen Frühgeborenen kann aufgrund der Unreife des Darms die Resorption erhöht sein [2] [3].
Die Ernährung von Früh- und Neugeborenen, auch bei Nachweis von maternalen Autoantikörpern, sollte wenn von der Mutter gewünscht mit Muttermilch erfolgen. Stillpausen sollten die absolute Ausnahme sein. Das Risiko für das Kind ist, gerade im Kontext des Benefits einer Muttermilchernährung, in den meisten dieser Fälle vernachlässigbar.
Publikationsverlauf
Artikel online veröffentlicht:
06. Juni 2023
© 2023. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany
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Literatur
- 1 Klauninger R. et al. Serologic follow-up of children born to mothers with Ro/SSA autoantibodies. Lupus. 2009; 18 (09) 792-8 PMID: 19578103
- 2 Askanase AD. et al. The presence of IgG antibodies reactive with components of the SSA/Ro-SSB/La complex in human breast milk: implications in neonatal lupus. Arthritis Rheum 2002; 46 (01) 269-71 PMID: 11817601
- 3 Book: Intestinal Absorption Of Macromolecules and Immune Transmission from Mother to Young: ByKároly Baintner
- 4 Hauschner H. et al. Persistent neonatal thrombocytopenia can be caused by IgA antiplatelet antibodies in breast milk of immune thrombocytopenic mothers. Blood. 2015; 126 (05) 661-4
- 5 Nutrients. 2018 Aug 8;10(8):1038. doi: 10.3390/nu10081038. Human Milk Oligosaccharides and Immune System Development Julio Plaza-Díaz, Luis Fontana , Angel Gil . PMID: 30096792
- 6 Victora CG. et al. Breastfeeding in the 21st century: epidemiology, mechanisms, and lifelong effect. Lancet 2016; 387 10017: 475-90 PMID: 26869575