Laryngorhinootologie 2018; 97(01): 70-71
DOI: 10.1055/s-0043-124782
Facharztfragen
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Fragen für die Facharztprüfung


Verantwortlicher Herausgeber dieser Rubrik: Dr. med. Gerlind Schneider, Jena
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Publikationsdatum:
04. Januar 2018 (online)

Innenohr, Gleichgewichtssinn und Otobasis

Sprechen Sie über die juvenile chronisch-rezidivierende Parotitis!

Antwort: Insgesamt sind Speicheldrüsenerkrankungen im Kindes- und Jugendalter selten. Die juvenile chronisch-rezidivierende Parotitis ist charakterisiert durch eine mindestens zweimal jährlich auftretende Schwellung der Glandula parotis. Sie kann ein- oder beidseitig auftreten. Die juvenile chronisch-rezidivierende Parotitis betrifft überwiegend Jungen zwischen dem 2. bis 15. Lebensjahr. Nach der akuten viralen Entzündung durch Mumpsviren ist sie die zweithäufigste Erkrankung der Ohrspeicheldrüse im Kindes- und Jugendalter. In mehr als 90 % der Fälle sistiert die Erkrankung mit Pubertätseintritt.

Die Ätiologie ist nicht eindeutig geklärt. Es werden verschiedene Auslöser wie bakterielle oder virale Infektionen, Gangveränderungen (kongenital oder erworben), Autoimmuneffekte und immunologische Veränderungen (Immunglobulinmangel) vermutet. Eine multifaktorielle Genese ist zu vermuten.

Klinisch zeigt sich eine schmerzhafte, akut auftretende Schwellung der Gl. parotis, die ein- oder beidseitig und auch mit Seitenwechsel auftreten kann. Die Dauer des Schubs reicht von Stunden bis zu Tagen. Die Anzahl der Schübe variiert von 2mal jährlich bis nahezu monatlich. Es können lange symptomfreie Intervalle auftreten. Palpatorisch findet sich eine relativ derbe, homogen vergrößerte Drüse, aus der sich trübes, flockiges Sekret ausmassieren lässt. Im Ultraschall zeigt sich ein typisches Bild aus echoarmen Parenchym mit Hypodensitäten und wolkenähnlichen Binnenstrukturen. Im akuten Stadium findet sich eine Hypervaskularisation. Die Gangstrukturen können erweitert sein.

Die Diagnose ergibt sich aus dem schubförmigen Verlauf, dem klinischen Befund der nicht eitrigen Parotitis und dem typischen Sonografiebefund. Die Sialendoskopie hat gleichzeitig diagnostischen und therapeutischen Charakter. Dabei zeigen sich ein blasses Gangepithel durch die Rarefizierung der Vaskularisation und das typische flockige Sekret. Die Gangstrukturen sind weniger elastisch als beim Gesunden und lassen sich schwerer aufdehnen und dilatieren. Die Therapie während der Sialendoskopie besteht in der Lavage des Gangsystems und der Aufdehnung von Engstellen. In Studien wird ein positiver Effekt von Prednisolon in der Lavageflüssigkeit beschrieben. Alternativ wird auch ein guter Effekt einer Instillation von Kortison direkt in die Papille und den Ductus parotideus ohne Sialendoskopie beschrieben, wobei die schwierigere Sondierbarkeit des Ganges bei der juvenilen chronisch-rezidivierenden Parotitis zu beachten ist. Bei den in der Regel jüngeren Kindern sollten deshalb Sialendoskopie und Instillation von Prednisolon in Narkose erfolgen, um Gangverletzungen mit Folgeschäden zu vermeiden.

Therapeutisch erfolgt im akuten Schub die Gabe von Analgetika. Eine Antibiose ist bei dieser nichtbakteriellen Entzündung nicht indiziert und wird viel zu häufig unkritisch verordnet. In den sehr seltenen Fällen einer bakteriellen Superinfektion sind Antibiotika indiziert. Im symptomfreien Intervall sollte die Sialendoskopie mit Lavage und Prednisoloninstillation geplant werden. Zusätzlich sollten speichelfördernde Maßnahmen erklärt und auf eine ausreichende Trinkmenge hingewiesen werden, da die Speichelproduktion insgesamt reduziert ist. Sollte es unter der o. g. Therapie und auch nach wiederholten Sialendoskopien zu keine Besserung der Symptomatik kommen, ist bei jüngeren Kindern mit noch langem Zeitintervall zur Pubertät und hohem Beschwerdedruck als ultima ratio die Parotidektomie indiziert.