retten! 2017; 6(05): 432
DOI: 10.1055/s-0043-119606
Wissenschaft kompakt
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Reanimation: Sollte nach präklinischem Kreislaufstillstand immer transportiert werden?

Weitere Informationen

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
21. November 2017 (online)

Nach den Reanimationsleitlinien der AHA (2010 und 2015) soll beim außerklinischen Herz-Kreislauf-Stillstand (OHCA) bei Erfüllen der Kriterien der „Termination of Resuscitation“-Regel (TOR) der Abbruch von Reanimationsmaßnahmen erwogen werden und so auf einen Transport verzichtet werden. Die Kriterien der TOR-Regel sind:

  • präklinisch kein Wiedererlangen des Spontankreislaufs (kein ROSC)

  • Kreislaufstillstand in Abwesenheit des Rettungsdienstes

  • keine präklinische Defibrillation vor Transportbeginn

Die Umsetzung dieser Regel ist aufgrund ethischer Bedenken weltweit eine Herausforderung. Außerdem berichten Beobachtungsstudien über Einzelfälle, die trotz Erfüllen der TOR-Regel überlebten.

In Dallas-Fort Worth besteht für den Rettungsdienst eine lokale Vorgabe, dass alle Patienten, die bei einem OHCA behandelt wurden, auch in die Klinik transportiert werden.

Daher untersuchten Xiong et al. in dem Zeitraum von 2006 bis 2011 reanimationsspezifische Charakteristika der Patienten, die präklinisch bei einem nicht traumatischen OHCA keinen ROSC erlangten. Außerdem wurde im gleichen Patientenkollektiv das Überleben bis zur Krankenhausentlassung ausgewertet. Es handelt sich dabei um eine Subgruppenanalyse von Daten mit hoher Datenqualität, die im Rahmen der PRIMED- und der Epistry-Studie erfasst wurden, deren Ziel die Untersuchung von traumatischem OHCA war.

Insgesamt wurden in einem 5-Jahres-Zeitraum 10 994 nicht traumatische OHCA eingeschlossen. Davon wurden 5220 (47,5 %) nach Standard der erweiterten Reanimationsmaßnahmen behandelt und ins Krankenhaus transportiert. Aufgrund fehlender Daten mussten 121 (2,3 %) Patienten ausgeschlossen werden. Somit wurden 5099 Patienten untersucht.

Von den 5099 Patienten erlangten 856 (16,8 %) präklinisch ROSC und 4243 (83,2 %) präklinisch keinen ROSC. Von den 5099 Patienten überlebten insgesamt 5,6 % bis zur Krankenhausentlassung (präklinisch ROSC 208/856 = 24,3 % vs. präklinisch kein ROSC 79/4243 = 1,9 %). Da die Gruppe der Patienten ohne präklinischen ROSC groß war, machen diese Patienten doch 27,5 % aller Überlebenden aus – trotz der niedrigen relativen Überlebensrate.

Bei den Überlebenden ohne präklinischen ROSC hatten 34 % (n = 27) einen defibrillierbaren Rhythmus, während bei den verstorbenen Patienten ohne präklinischen ROSC nur bei 14,8 % (n = 618) ein defibrillierbarer Rhythmus festgestellt wurde. Auch wurden die Überlebenden ohne präklinischen ROSC häufiger defibrilliert, sie waren jünger und erlitten OHCA häufiger an öffentlichen Orten oder in Anwesenheit des Rettungsdienstes.

Da der Anteil an Patienten ohne präklinischen ROSC 27,5 % aller Überlebenden ausmacht, empfehlen die Autoren zukünftig, alle Patienten, die mit einem OHCA präklinisch behandelt werden, unter Fortführung der erweiterten Reanimationsmaßnahmen auch ins Krankenhaus zu transportieren.

Ein weiterer Schwerpunkt der Untersuchung war der Vergleich des Überlebens bis zur Krankenhausentlassung bei Patienten, die keinen präklinischen ROSC hatten, abhängig von der TOR-Regel. Dabei zeigte sich, dass 2827 (66,6 %) der Patienten die TOR-Regel erfüllten und 1401 (33,3 %) die TOR-Regel nicht erfüllten. Bei den Patienten, die die TOR-Regel erfüllten, überlebten 1,1 %, während in der anderen Gruppe die Überlebenswahrscheinlichkeit bei 3,4 % lag.

Auffällig war bei den Patienten, die die TOR-Regel erfüllten, dass bei 1,7 % der Patienten initial ein defibrillierbarer Rhythmus festgestellt wurde, aber keine Defibrillation erfolgte.

Im Kontrast zu den untersuchten Daten sind in der AHA-Reanimationsleitlinie Auswertungen angeführt, in denen für die TOR-Regel eine Spezifität von 100 % und ein positiver prädiktiver Wert von 100 % für das Versterben angegeben wurden und die Kliniktransporte um 37 % reduziert werden konnten.

Außerdem geben die Autoren an, dass sie ausschließlich das Überleben bis zur Krankenhausentlassung untersucht haben. Eine Aussage über die Lebensqualität bzw. den neurologischen Zustand der Überlebenden ist aus den Daten nicht möglich.

Fazit

Nach den von Xiong et al. erhobenen Daten liegt die Überlebenswahrscheinlichkeit bei OHCA ohne präklinisches ROSC bei 1,9 %, wobei diese Patientengruppe 27,5 % aller Überlebenden ausmacht. Außerdem wurde festgestellt, dass auch bei Erfüllen der TOR-Regel 31 (1,1 %) Patienten einen OHCA überleben.

Daher empfehlen Xiong et al., dass alle präklinisch behandelten Patienten mit einem OHCA in ein Krankenhaus transportiert werden sollten.

Die Autoren der Studie betonen auch, dass durch entsprechende Hilfsmittel während des Transports die Fortführung qualitativ hochwertiger erweiterter Reanimationsmaßnahmen sichergestellt werden soll.

Dr. med. Andreas Klinger, Würzburg
Prof. Dr. med. Thomas Wurmb, Würzburg