Laryngorhinootologie 2017; 96(10): 674
DOI: 10.1055/s-0043-119253
Leserbrief
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Leserbrief zu
Ernst, A, P. Schlattmann, F. Waldfahrer, M. Westhofen
Die Behandlung des M. Menière mit Betahistin: Kritische Anmerkungen zur BEMED-Studie. Laryngo-Rhino-Otol 2017; 96 (08): 519–521

G. Hesse
,
H. Schaaf
Weitere Informationen

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
10. Oktober 2017 (online)

Die Kollegen Ernst, Schlattmann, Waldfahrer und Westhofen fassen in der LRO vom August 2017 ein Round-table-Gespräch zur Wirkung des Betahistins beim M. Menière zusammen, in der nur ihre Betahistin befürwortende Sicht der Dinge referiert wird, während die ebenfalls diskutierten Gegenpositionen gar nicht erwähnt werden. Man könnte dies mit „Erstaunen“ abtun, wenn es als ein offensichtlicher Meinungsartikel in der „Ärztezeitung“ oder einem ähnlichen, werbeorientierten Blatt publiziert worden wäre.

Wenn man aber davon ausgeht, dass die LRO ein HNO-Publikationsorgan ist, auf deren Wissenschaftlichkeit man sich verlassen kann, dann muss die Frage erlaubt sein, ob dieser Artikel, „peer reviewed?“ ist und warum er ohne Angabe des Interessenkonfliktes veröffentlicht wurde.

Inhaltlich haben auch wir bereits im Vorfeld auf problematische Aspekte bei der referierten BEMED-Studie hingewiesen. Das betrifft vor allem die Differenzierung gegenüber der Migräne, dem psychogenen Schwindel, dem Lagerungsschwindel oder jeder anderen Form des vom Patienten berichteten Schwindels. Diese Probleme schlechter Differenzierung treffen aber leider für die allermeisten Studien zu und wurden kaum bemängelt, wenn das Ergebnis im Sinne der Untersucher ausfiel.

So hat diese Studie – trotz der Schwächen – ein eindeutiges – negatives – Ergebnis, was für die Betahistin-Anwender und für die Betahistin-Hersteller sicherlich unbefriedigend ist. In deren Logik ist es verständlich, dass die Bedeutung dieser Studie möglichst klein gehalten wird, aber es ist eben wissenschaftlich falsch.

So muss unangenehm auffallen, dass die Schlussfolgerung: „Betahistin ist ein bewährtes Medikament“ im Fazit nicht mehr wissenschaftlich sauber, sondern sehr meinungsorientiert und „Eminenz basiert“ von Meinungsführern in Sachen „Schwindel“ formuliert wird. Bei (hoffentlich) jedem anderen wäre eine solche Schlussfolgerung im peer review Verfahren als „nicht verständlich oder nicht aus der Untersuchung herleitbar“ abgelehnt worden.

Immanent logisch ist dieser Artikel nicht mit einem Interessenkonflikt gekennzeichnet, so dass sich die Frage aufdrängt, ob hier eine bezahlte Anzeige vorliegt oder eine von der interessierten Industrie in Auftrag gegebene Meinungsäußerung.

In diesem Zusammenhang erscheint es umso wichtiger, dass die in der Neurologie angestoßene Forderung nach einer pharmaunabhängigen Forschung auch in der HNO Gehör findet und eklatante wissenschaftliche Ungenauigkeiten in einem funktionierenden Peer-Review erfasst werden.