Laryngorhinootologie 2017; 96(10): 671-672
DOI: 10.1055/s-0043-117012
Referiert und Diskutiert
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Ballondilatation der Eustachischen Röhre unter lokaler Betäubung

Moritz Meyer
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
10. Oktober 2017 (online)

Luukkainen V et al. Balloon Eustachian tuboplasty under local anesthesia: Is it feasible? Laryngoscope 2017; 127: 1021–1025

Ist die Ballondilatation der Eustachischen Röhre bei Tubenventilationsstörungen unter Lokalanästhesie sicher und machbar?

In der prospektiven Studie untersuchten finnische Ärzte, wie 13 ihrer Patienten mit einem neuartigen Verfahren einer topischen Anästhesie der Eustachischen Röhre, während der Ballondilatation (BET), zurechtkamen. Eine Vergleichsgruppe bildeten 12 Patienten mit funktioneller endoskopischer Sinus Chirurgie (FESS), ebenfalls unter örtlicher Betäubung. Nach dem Eingriff wurden die Patienten nach ihrem Erleben mit den Eingriffen befragt.

Über den BET-Katheter wurde unter endoskopischer Kontrolle 1 ml Creme der Wirkstoffkombination Lidocain + Prilocain in die Eustachischen Röhre appliziert. Die Dilatation erfolgte mit einem Acclarent Area 6 x 16 mm Ballon-Katheter. Die lokale Anästhesie der FESS erfolgte mit Xylometazolin, Kokain und Lidocain.

Beide Patientengruppen waren hinsichtlich Alter und Geschlecht vergleichbar und unterschieden sich auch nicht hinsichtlich der Medikation vor, während und nach der Operation.

Keiner der BET- Patienten berichtete über Schmerzen oder Beschwerden während der Applikation der Creme zur Anästhesie. Die Überwachung der Herzfrequenz ergab eine unwesentliche Veränderung der Herzfrequenz von 8 ± 2 Schläge pro Minute. Die durchschnittliche und auch die absolute Herzfrequenz war in der FESS-Gruppe leicht höher.

Beide Patientengruppen wurden nach dem Eingriff gebeten, den im Verlauf der Operation empfundenen Schmerz auf einer visuellen Analogskala von 0 (keine Schmerzen) bis 10 (unerträgliche Schmerzen) anzugeben. Der durchschnittliche VAS-Score für den maximalen Schmerz betrug in der BET-Gruppe 5,0 ± 0,7 und war mit dem Wert von 3,2 ± 0,7 in der FESS-Gruppe vergleichbar. Die Abfrage über Beschwerden, ebenfalls mittels VAS-Score von 0 bis 10, ergab schlechtere Werte in der BET-Gruppe im Vergleich zur FESS-Gruppe.

Anästhesie und Schmerzunterdrückung empfanden 77 % in der BET- und 92 % in der FESS-Gruppe als ausreichend. Die Unterschiede waren nicht signifikant.

Ein bis 2 Stunden nach dem Eingriff wurden die Patienten erneut nach Schmerzen und Beschwerden befragt. Der VAS-Score beider Gruppen war vergleichbar (BET-Gruppe: 0,8 ± 0,2, FESS-Gruppe: 1,4 ± 0,3). Die Beschwerden waren aber in der FESS-Gruppe leicht höher als in der BET-Gruppe (BETGruppe: 0,9 ± 0,2, FESS-Gruppe: 1,9 ± 0,4; p = 0,041).

Bei der Entlassung wurde abschließend erkundet, ob die Patienten eine lokale Betäubung einer Vollnarkose bei einem erneuten Eingriff vorziehen würden. In der BET-Gruppe favorisierten 12 der 13 Patienten erneut eine lokale Betäubung, in der FESS-Gruppe alle Patienten.

FAZIT

Nach Auffassung der Autoren ist die Ballondilatation der Eustachischen Röhre unter Lokalanästhesie ein sicheres und praktikables Verfahren. Allerdings bedarf es weiterer methodischer Verbesserungen, um Beschwerden und Schmerzen im Zusammenhang mit dem Eingriff zu reduzieren.

Richard Kessing, Zeiskam

Studien-Kommentar

★★★★ Die Durchführung einer endonasal endoskopischen NNH-OP oder einer Ballondilatation der Eustachischen Röhre in lokaler Betäubung, ist das wirklich praktikabel? Natürlich werden wir seitens der Patienten häufig diesbezüglich gefragt.

Insbesondere die geschützte anatomische Lage der Eustachischen Röhre und deren Öffnung retronasal stellt uns HNO-Ärzte hinsichtlich Diagnostik und Therapie vor eine besondere Herausforderung. Somit ist es nicht verwunderlich, dass diese durchaus sensible Region durch lokale Anästhesie schwierig zugänglich erscheint.

Bei der geringen Fallzahl von 13 Patienten zur Ballondilatation der Eustachischen Röhre und 12 Patienten zur endonasal endoskopischen NNH-OP sind weitreichende Schlüsse hinsichtlich der Durchführbarkeit der Eingriffe in lokaler Betäubung in der Routine nicht möglich, insbesondere, wenn davon ausgegangen werden muss, dass das Patientenkollektiv selektiert wurde. Ein randomisiertes Patientenkollektiv wäre weitaus aussagekräftiger hinsichtlich einer Durchführbarkeit des Eingriffs als „office procedure“.

Leider präsentieren die Autoren keine postoperativen Ergebnisse der Ballondilatation der Eustachischen Röhre. Somit kann kein Vergleich zu Ergebnissen aus Interventionen aus Studien der Ballondilatation in Vollnarkose gezogen werden. Ein Eingriff in Vollnarkose ermöglicht dem Operateur einerseits einen größeren Handlungsspielraum hinsichtlich des operativen Handlings, wie z. B. die Auswahl und das intraoperative Wechseln des Zugangsweges (transnasales vs. transorales Vorgehen). Auch bei einer endonasal endoskopischen NNH-OP ist insbesondere bei Auftreten schwieriger Situationen (z. B. bei Blutungen) in Vollnarkose ein größerer Handlungsspielraum möglich.

Des Weiteren konnten Studien zeigen, dass Eingriffe in Vollnarkose zu einem gesteigerten Glauben an die Wirksamkeit der Intervention seitens des Patienten führen können.

Trotz topischer und systemischer Analgesie auf höchster Stufe des WHO-Stufenschemas haben die Patienten ein maximales Schmerzlevel von 5,0 +/- 0,7 bei Durchführung der Operation. Im Vergleich dazu haben Patienten bei Durchführung einer endonasal endoskopischen NNH-OP deutlich weniger Schmerzen (3,2 +/- 0,7). Es gilt zudem zu bedenken, dass bei insgesamt sechs Patienten zur Prämedikation oder intraoperativen Medikation Midazolam verwendet wurde. Somit ist eine retrograde Amnesie wahrscheinlich und die Aussage des Patienten zu Schmerzen während der Operation nur eingeschränkt valide.

Als Fazit bearbeitet die Studie eine interessante Fragestellung und zeigt, dass die Eingriffe der Ballondilatation der Eustachischen Röhre und der endonasal endoskopischen NNH-OP in lokaler Betäubung durchgeführt werden können. Jedoch erscheinen das maximale Schmerzlevel und das Level der Unbehaglichkeit insbesondere bei der Ballondilatation hoch. Aufgrund der geringen Fallzahl und des selektierten Patientenkollektivs sind weitreichende Schlüsse hinsichtlich der Durchführbarkeit der Eingriffe in lokaler Betäubung in der Routine nicht möglich. Insbesondere bei Kindern und Patienten mit schwierigen anatomischen Verhältnissen lassen ein Vorgehen der Intervention in Vollnarkose größeren intraoperativen Handlungsspielraum zu.


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