Laryngorhinootologie 2017; 96(10): 741-742
DOI: 10.1055/s-0043-114746
Facharztfragen
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Fragen für die Facharztprüfung

Randolf Riemann
,
Gerlind Schneider
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Publication Date:
10 October 2017 (online)

Innenohr, Gleichgewichtssinn und Otobasis

Sprechen Sie über Tränenwegsstenosen!

Antwort: Zum Tränenweg zählt man das obere und untere Tränenpünktchen (Puncta lacrimalis) mit dem oberen und unteren Tränenkanälchen (Canaliculus lacrimalis), den Tränensack (Saccus lacrimalis) und den Tränen-Nasen-Gang (Ductus lacrimalis). Der Ductus lacrimalis mündet in den unteren Nasengang. Der Musculus orbicularis oculi komprimiert den Tränensack und erzeugt einen Unter- bzw. Überdruck. Dadurch wird die Tränenflüssigkeit angesaugt und weitergeleitet. Bei vermehrter Tränenproduktion oder Störung des Abflusses kommt es zu einem Überlaufen der Tränenflüssigkeit über den Lidrand (Epiphora). Je nach Lage der Stenose in Bezug auf den Tränensack werden präsaccale, saccale und postsaccalen Stenosen unterschieden. Ätiologisch können Verletzungen, Entzündungen, Tumoren oder angeborene Engstellen zu einer Tränenwegsstenose führen. Bei 2–4 % der Neugeborenen besteht eine angeborene Stenose der Tränenwege, die in den allermeisten Fällen auf einer noch nicht richtig funktionierenden Hasner-Klappe oder Detritus in den Tränenwegen zurückzuführen sind. Die Therapie erfolgt zunächst symptomatisch mit Tränenwegsmassagen und abschwellenden Augen- und Nasentropfen. In 80–90 % der Fälle kommt es darunter zu einer spontanen Eröffnung der Tränenwege. Bei Persistenz (über den 6. Lebensmonat) wird eine Tränenwegsspülung und stumpfe Sondierung mit Durchstoßen der Hasner-Klappe durchgeführt. Die erworbene Tränenwegsstenose des Erwachsenen nimmt mit dem Alter an Häufigkeit zu. Im hohen Alter weist jeder 3. eine Tränenwegsstenose auf, wenngleich diese aufgrund der gleichzeitig nachlassenden Tränensekretion häufig wenig symptomatisch wird. Bei erworbenen Tränenwegsstenosen wird die Lage der Engstelle durch eine Tränenwegsspülung oder Endoskopie diagnostiziert. Mit einer Tränenwegsendoskopie können auch therapeutisch Engstellen dilatiert werden und stenosierendes Material entfernt werden. Stenosen der Tränenpünktchen und präsaccale Stenosen werden mikrochirurgisch erweitert oder rekonstruiert und mittels Platzhalter bis zur Ausheilung offen gehalten. Postsaccale und saccale Stenosen sind die Domäne der endonasalen Tränenwegschirurgie. Präoperativ muss die Lage der Stenose sicher nachgewiesen werden, da präsaccale Stenosen mit dieser Operation nicht therapierbar sind. Für die Darstellung der knöchernen anatomischen Strukturen ist ein CT der Nasennebenhöhlen präoperativ durchzuführen. Das Prinzip der endonasalen Tränenwegschirurgie (Dacryocystorhinostomie nach West) besteht in der Eröffnung des Tränensackes in die Nase zur Verbesserung der Drainage der Tränenwege. Die Erfolgsrate liegt bei über 90 %. Alternativ kann die Operation perkutan erfolgen (Operation nach Toti). Die Vorteile des endonasalen Zugangs sind keine sichtbaren Narben und die gleichzeitige Therapie von chronisch-entzündlichen Nasennebenhöhlenerkrankungen. Bei der Operation wird endoskopisch oder mikroskopisch der Tränensack durch Abtragung der knöchernen Begrenzung im Bereich des Os lacrimale und Agger nasi freigelegt. Gegebenenfalls muss dabei das vordere Siebbein mit operiert werden. Der Tränensack wird eröffnet und die Öffnung maximal erweitert. Optional kann besonders bei entzündlich bedingten Stenosen ein Silikonschlauch zur Schienung eingelegt werden. Dieser Platzhalter sollte für 3 Monate belassen werden. Das bei der Operation entnommene Gewebe sollte zum Tumorausschluss histologisch untersucht werden. Die postoperative Nachsorge erfolgt mit Nasenpflege, ggf. kortisonhaltigem Nasenspray und antibiotischen Augentropfen und sollte sowohl den HNO-Arzt als auch den Augenarzt einbeziehen.