Gesundheitswesen 2022; 84(08/09): 858
DOI: 10.1055/s-0042-1753974
Abstracts | DGSMP/DGMS
Workshop

Gutes Hören im Alter – Voraussetzung für Soziale Gesundheit und Teilhabe

U Weber
,
G Böhme
,
C Schlenker-Schulte
 

Einleitung Mit zunehmendem Alter werden viele Menschen schwerhörig, aber nicht alle Betroffenen sind mit einem Hörgerät versorgt und selbst wenn, verbleiben die Geräte oft ungenutzt in der Schublade. Gutes Hören im Alter ist aber eine wichtige Voraussetzung für soziale Gesundheit und Teilhabe. Denn durch die zunehmend beeinträchtigte Kommunikation ziehen sich viele schwerhörige ältere Menschen aus mehr und mehr sozialen Situationen zurück, was Depressionen und den Abbau kognitiver Ressourcen begünstigen kann.

Ziel des Projekts „Autonomie-Ressource Information und Kommunikation_aktiv hören (AutaRK_aktiv hören)“ (Vorhabennummer ZS/2019/07/99750, Forschungsverbund „Autonomie im Alter“, Förderung: Europäische Union (EFRE) und Bundesland Sachsen-Anhalt) ist, die negativen Folgen einer unversorgten Hörminderung im Alter wie soziale Isolation und eingeschränkte Teilhabe zu minimieren. Es sollen die Kontext-Faktoren (ICF) identifiziert werden, die die Akzeptanz für das Tragen von Hörtechnik fördern oder hindern.

Methoden Im Rahmen der Mixed Methods Studie (qualitative und quantitative Befragung) wurden im quantitativen Teil ältere Menschen mit einer Hörschädigung und einer Versorgung mit Hörgeräten anhand eines standardisierten Fragebogens (Paper-Pencil- und Online-Version) zu ihren Erfahrungen mit Hörgeräten befragt. Die qualitativen Daten wurden erhoben in Face-to-Face-Interviews sowie in Dialog-Journalen per E-Mail und WhatsApp, bei denen der gemeinsame Austausch über mehrere Wochen, teils über Monate hinweg erfolgte.

Ergebnisse An der quantitativen Befragung beteiligten sich N=170 schwerhörige Teilnehmende im Alter von 55-94 Jahren, wobei gleich viele Frauen wie Männer teilnahmen. In den qualitativen Interviews wurden 20 schwerhörige Menschen im Alter von 43-90 Jahren befragt. Die Triangulation der Ergebnisse deutet daraufhin, dass der Weg zum ersten Hörgerät eine zentrale Rolle bei der Akzeptanz von Hörgeräten einnimmt. Hier wünschen sich die Betroffenen mehr unabhängige und realistische Informationen zum länger andauernden Anpassungs-Prozess, zum Hören mit Hörgerät und zur Wahl eines guten Hörakustikers/einer guten Hörakustikerin. Dieser/diese ist für die Betroffenen der/die wichtigste Ansprechpartner:in, wobei das persönliche Gespräch von fast allen bevorzugt wird. Tele-Hören (wie z. B. Remote-Anpassung oder Video-Sprechstunden) ist nur für wenige eine Option. Ein weiterer Förderfaktor ist das regelmäßige Tragen der Hörgeräte, denn das Hören mit Hörgeräten muss wieder erlernt werden und die Handhabung erfordert Routine. Hier kann das soziale Umfeld durch eine verständnisvolle und nicht fordernde Begleitung des Prozesses positiven Einfluss nehmen.

Schlussfolgerung Realistische Informationen und ein gut begleiteter Anpassungs-Prozess können als Förderfaktoren angesehen werden. Daneben sind aber hörfreundlich gestaltete Umwelten mit wenig Störgeräuschen oder der Einsatz von Kommunikations-Strategien ebenso förderlich für gutes Hören im Alter und eine gelingende Teilhabe



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
22. August 2022

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