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DOI: 10.1055/s-0042-1753911
Evaluation eines Versorgungsangebotes für Schwangere ohne Papiere – AnDOCken
Einleitung Schätzungen zufolge leben und arbeiten bis zu 520.000 Menschen ohne gültigen Aufenthaltsstatus in Deutschland. Allein in Hamburg sind davon mehrere Tausend Menschen betroffen, darunter ca. 50 % Frauen. Studien haben gezeigt, dass insbesondere schwangere Frauen ohne legalen Aufenthalt hohe Bedarfe an medizinischer Versorgung aufweisen, jedoch aufgrund ihrer ungeklärten Aufenthaltssituation von einem regulären Krankenversicherungsschutz und damit grundsätzlich von dem Zugang zur gesundheitlichen Regelversorgung ausgeschlossen sind. Seit 2018 erhält AnDOCken, die Ärztliche und Soziale Praxis für Menschen ohne Papiere der Diakonie Hamburg, speziell für den Ausbau der Versorgung von schwangeren Frauen ohne gültigen Aufenthaltsstatus und Krankenversicherung eine Förderung durch die SKala-Initiative.
Methoden Die Begleitevaluation der Schwangerenversorgung, die vom Institut für Medizinische Soziologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf durchgeführt wurde, diente der explorativen Erhebung des Wissenszuwachses im Versorgungs- und Unterstützungsverlauf durch die Praxis AnDOCken. In einem Prä-Post-Design wurde das schwangerschaftsrelevante Wissen der Patientinnen mittels einer tabletbasierten Online-Befragung untersucht. Zur Reduktion möglicher Teilnahmebarrieren wurde hierzu in enger Abstimmung mit dem Praxisteam ein zielgruppengerechtes und den örtlichen Praxisabläufen angepasstes Instrument entwickelt. Die mehrsprachige Befragung (Deutsch, Englisch, Französisch) wurde im Zeitraum 11/2020 – 12/2021 durchgeführt und richtete sich an alle schwangeren Patientinnen der Praxis ohne legalen Aufenthalt in Deutschland, die sich zu Befragungsbeginn im ersten Trimester ihrer Schwangerschaft befanden.
Ergebnisse An der Befragung nahmen n=47 Frauen zu t1 und n=18 Frauen zu t2 teil. Trotz insgesamt geringer Fallzahlen ließ sich in den meisten abgefragten Bereichen ein signifikanter Wissenszuwachs erkennen. Eine Herausforderung stellte die Erreichbarkeit der schwangeren Frauen, insbesondere für die Zweitbefragung dar. Das niedrigschwellig konzipierte Befragungsinstrument und die Durchführung mittels Tablets wurden seitens der Teilnehmerinnen gut angenommen. Als hilfreich hat sich auch die Multilingualität des Evaluationsteams erwiesen, wodurch bereits während der Fragebogenentwicklung die Inhalte übersetzt und hinsichtlich einer leicht verständlichen Sprache angepasst wurden.
Schlussfolgerung Insgesamt zeigte sich, dass eine Evaluation von Praxismaßnahmen auch bei dieser vulnerablen Zielgruppe möglich ist. Sie bedarf einer umfassenden Vorbereitung und Abstimmung zwischen Praxis- und Evaluationsteam sowie einer zielgruppen- und kontextgerechten Implementierung durch die Praxismitglieder. Der Fragebogen stellte sich als angemessen für die Zielgruppe heraus und kann auch zukünftig – ggf. mit inhaltlicher Modifikation – routinemäßig zur Selbstevaluation in den Praxisalltag integriert werden. Hierzu ist zu empfehlen, eine verantwortliche Person für das Durchführen der Befragung einzuplanen.
Publikationsverlauf
Artikel online veröffentlicht:
22. August 2022
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Georg Thieme Verlag
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