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DOI: 10.1055/s-0042-1753590
Ressourcen, Belastungen und Versorgungsbedarfe von ungewollt schwangeren geflüchteten und „illegalisierten“ Frauen: ein Realist-Review
Einleitung In den Gesundheitswissenschaften sind die spezifischen Risikofaktoren einer ungewollten Schwangerschaft für geflüchtete und „illegalisierte“ Frauen bekannt. Die subjektiven und gesellschaftlichen Bedingungen reproduktiver Gesundheit von geflüchteten und „illegalisierten“ Frauen in humanitären Kontexten sowie die prä- und postnatalen Versorgungssysteme in den Ankunftsländern sind jedoch nur teilweise erforscht. Ähnliches gilt für die fluchtspezifischen Stressoren und Belastungen nach der Migration, die sich aus dem Zusammentreffen von Fluchterfahrungen und ungewollten Schwangerschaften ergeben. Die Studie „Erfahrungen, Lebenslagen ungewollt Schwangerer – Angebote der Beratung und Versorgung“ unter vulnerablen Gruppen (ELSA-VG) analysiert die Kontexte, Mechanismen und Folgen von Belastungen und Ressourcen bei diesen ungewollt schwangeren Frauen sowie ihre Versorgungsbedarfe u.a. mittels eines Realist Reviews (RR).
Methoden Es wurden wissenschaftliche Publikationen sowie graue Literatur mit einer iterativen Stichwortsuche in elektronischen Datenbanken (z. B. PubMed) in Übereinstimmung mit den RAMESES-Publikationsstandards für Realist Reviews durchsucht und zusammengeführt. Das Screening der Funde ergab 34 Publikationen aus den Jahren 2000 bis 2021, die in das RR einbezogen wurden. Theoriegeleitete Kontext-Mechanismus-Folge-Konfigurationen (CMOs) wurden extrahiert, um die zugrundeliegenden Prozesse und Mechanismen der Lebenslagen und Versorgungsbedarfe der Zielgruppen zu erklären.
Ergebnisse Zu den vorherrschenden CMOs, die sich durch ihre wechselseitigen Beziehungen auszeichnen, gehören postmigratorische Stressoren (z. B. Akkulturationsstress), die zu Beginn der ungewollten Schwangerschaften verstärkt auftreten, sowie ein allgemein höheres Risiko für ungewollte Schwangerschaften bei geflüchteten und „illegalisierten“ Frauen. Reproduktive Normen und asylrechtliche Besonderheiten bedingen ihre reproduktiven Entscheidungen und Diskontinuitäten in ihrer Versorgung erhöhen die Nachfrage nach niedrigschwelligen Angeboten.
Schlussfolgerung Grundsätzlich ist ein Forschungsdefizit im Hinblick auf diese Zielgruppe in dieser besonderen Lebens- und Entscheidungssituation zu verzeichnen. Künftige Forschung sollte einen qualitativen, Mixed-Method orientierten Ansatz mit einem ganzheitlichen, nicht homogenisierenden Blick auf geflüchtete und „illegalisierte“ Frauen und ihre reproduktiven Rechte und Entscheidungen wählen. Geschlechter- und kultursensible Forschungsansätze sollten ihre spezifischen Lebensumstände und Versorgungsbedarfe erkunden. Angebots- und Versorgungsdefizite sollten aufbauend auf dieser Forschung den Bedürfnissen angepasst werden. Es besteht ein erhöhter Bedarf an vertrauensvoller und kultursensibler Beratung und Versorgung, die aus mehrsprachiger Information und Sprachmittlung bestehen sollte. Diese ersten Ergebnisse des RR, durchgeführt im Rahmen der ELSA-VG-Studie, sind ein erster Baustein.
Publication History
Article published online:
22 August 2022
© 2022. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart,
Germany