Zeitschrift für Phytotherapie 2022; 43(S 01): S20-S21
DOI: 10.1055/s-0042-1749476
Referate | Phytotherapie 2022 – innovativ

Fichtenbalsam – ein sehr effektives traditionelles Heilmittel aus der österreichischen Volksmedizin

Thomas Goels
1   Abteilung für Pharmakognosie, Department für Pharmazeutische Wissenschaften, Universität Wien, Wien, Österreich
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Elisabeth Eichenauer
1   Abteilung für Pharmakognosie, Department für Pharmazeutische Wissenschaften, Universität Wien, Wien, Österreich
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Julia Langeder
1   Abteilung für Pharmakognosie, Department für Pharmazeutische Wissenschaften, Universität Wien, Wien, Österreich
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H. Elke Heiß
1   Abteilung für Pharmakognosie, Department für Pharmazeutische Wissenschaften, Universität Wien, Wien, Österreich
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Johannes Saukel
1   Abteilung für Pharmakognosie, Department für Pharmazeutische Wissenschaften, Universität Wien, Wien, Österreich
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Sabine Glasl
1   Abteilung für Pharmakognosie, Department für Pharmazeutische Wissenschaften, Universität Wien, Wien, Österreich
› Institutsangaben
 

Verletzt man die Rinde von Kieferngewächsen (Pinaceae), reagieren die Nadelbäume mit der Bildung von Exsudaten, die der Pflanze als Wundverschluss dienen und sie vor mikrobiellem Befall schützen. Diese Exsudate werden oft landläufig als „Harz“ oder „Pech“ bezeichnet. Pharmazeutisch korrekt ist zwischen den festen, spröden, nicht flüchtigen Harzen einerseits und den viskosen, pastösen, in ätherischem Öl gelösten Balsamen andererseits zu unterscheiden. Der Balsam der Fichte (Picea abies) wird – eingearbeitet in lipophile Grundlagen wie Schweineschmalz oder Butter – als probates Mittel zur Wundheilung eingesetzt. Diese Verwendung ist bekannt in der österreichischen Volksmedizin, aber auch in vielen anderen Regionen Mitteleuropas und im skandinavischen Raum.

Der „Fichtenbalsam (Piceae abietis balsamum)“ und die „Fichtenbalsamsalbe offizinal (Unguentum balsami Piceae abietis officinale)“ haben Eingang gefunden in das Österreichische Arzneibuch. Die Monografie fordert neben einer bestimmten Konsistenz und Farbe die dünnschichtchromatographische Prüfung auf Identität und beschreibt nicht näher definierte Zonen im Vergleich zu den Referenzen Coffein und Thymol. Studien zur Wirksamkeit eines Medizinprodukts, das ein Exsudat der Fichte enthält, zeigen gute Ergebnisse bei der Behandlung von Dekubitus und schlecht heilenden Wunden nach Operationen [1] [2].

Ziel der präsentierten Untersuchungen war es, wissenschaftlich fundierte Befunde für die wundheilende Wirkung des Fichtenbalsams zu liefern und Inhaltsstoffe zu definieren, die an der Wirkung beteiligt sind. Darüber hinaus sollten analytische Methoden entwickelt werden, die eine Qualitätskontrolle der Rohprodukte (z. B. Balsame unterschiedlicher Herkunft) und daraus hergestellter Zubereitungen erlauben.

Im Rahmen der phytochemischen Untersuchungen ([Abb. 1]) wurden nach Extraktion, Aufreinigung und Fraktionierung des Balsams Hydroxyzimtsäuren (p-Cumarsäure, Kaffeesäure, Ferulasäure), das Lignan Pinoresinol und als Hauptinhaltsstoffe Diterpenharzsäuren vom Abietan- und Pimarantyp ([Abb. 2]) isoliert [3]. Sowohl Fraktionen als auch ausgewählte Reinsubstanzen (1 µM, 3 µM, 10 µM) wurden in vitro anhand eines Scratch Assays an HaCaT Keratinozyten getestet mit Lysophosphatidsäure (10 µM) als Positivkontrolle. Dabei wurde eine Lücke im Keratinozyten-Monolayer provoziert und der promigratorische Einfluss der Testlösungen nach 24-stündiger Exposition gemessen. Das Einwandern von Keratinozyten wurde als promigratorisch bzw. „wundheilungsfördernd“ interpretiert. Während die Hydroxyzimtsäuren keinen Effekt aufwiesen, zeigten angereicherte Fraktionen, einzelne Diterpenharzsäuren und Pinoresinol deutliche Effekte [3]. Darüber hinaus wurden Methoden für die DC, HPLC-UV/DAD-MS, UHP-SFC-MS und ATR-IR entwickelt, die es erlauben, den Fichtenbalsam von Exsudaten der Schwarzföhre und Lärche zu unterscheiden [4].

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Abb. 1 Extraktionsschema Piceae abietis balsamum.
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Abb. 2 Inhaltsstoffe von Piceae abietis balsamum.

Es stehen somit Verfahren zur Verfügung für die Überprüfung der Qualität unterschiedlicher Ausgangsmaterialien sowie daraus hergestellter Präparate.



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
13. Juni 2022

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Georg Thieme Verlag
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  • Literatur

  • 1 Sipponen A. et al. Beneficial effect of resin salve in treatment of severe pressure ulcerrs: a prospective randomized and controlled mulicentre trial. Dermatol 2008; 158: 1055-1062
  • 2 Sipponen A. et al. Natural coniferous resin salve used to treat complicated surgical wounds: Pilot clinical trial on healing and costs. Int J Dermatol 2012; 51: 726-732
  • 3 Goels T. et al. Norway spruce balm: phytochemical composition and ability to enhance re-epithelialization in vitro. Planta Med 2020; 86: 1080-1088
  • 4 Goels T. et al. Exudates of Picea abies, Pinus nigra and Larix decidua: chromatographic comparison and pro-migratory effects on keratinocytes in vitro. Plants 2022; 11: 599