Kinder- und Jugendmedizin 2022; 22(02): 121
DOI: 10.1055/s-0042-1744072
Abstract | KJM

Fanconi Anämie – Erfahrung mit Patienten im St. Anna Kinderspital Wien

Annamária Cseh
 

Die Fanconi-Anämie (FA) ist das häufigste Syndrom mit angeborenem Knochenmarkversagen (IBMFS). Ursache für die Erkrankung sind Mutationen in Genen, die für Schlüsselmoleküle der DNA-Reparatur kodieren – dementsprechend zählt die FA gleichzeitig zu den Tumorprädispositionssyndromen. Patienten mit FA benötigen eine komplexe Betreuung mit engmaschiger hämatologischer Überwachung sowie ein individuell adaptiertes Tumor-Surveillance-Programm. In der hämatologischen Ambulanz des St. Anna Kinderspitals betreuen wir aktuell neun Patienten mit FA. Anhand dieser Kohorte kann veranschaulicht werden, welche Symptome zur Diagnose führen bzw. welche Schwierigkeiten bei der Diagnosestellung auftreten können. Auch bekommt man einen Überblick über die häufigsten Fehlbildungen und Begleiterkrankungen, die mit FA einhergehen. Die individualisierte Herangehensweise in der Betreuung dieser Patienten geht je nach klinischer Ausprägung von regelmäßigen Kontrollen über Androgentherapie bis hin zur hämatopoetischen Stammzelltransplantation (HSCT) und nicht zuletzt bis zu der aktuell noch experimentellen Gentherapie. Die Erstdiagnose wurde im medianen Alter von 8 Jahren (Streuung 0,5-14 Jahre) gestellt. Aktuell sind die Patienten median 10,9 Jahre alt (Streuung 3,5-16). Trotz der Namensgebung war in keinem der Fälle eine unklare Anämie der Anlass zur Diagnostik. Grund für die Durchführung eines Chromosomenbrüchigkeitstestes waren in drei Fällen eine chronische Thrombozytopenie (mit makrozytären Erythrozyten), in vier Fällen eine Abklärung bei Verdacht auf syndromale Erkrankung und zwei Patienten wurden im Rahmen der Familienuntersuchung diagnostiziert. Alle Kinder haben ein typisches, vogelartiges Gesicht sowie dezente Hautauffälligkeiten, jedoch nur 5/9 eine Mikrozephalie. Ebenfalls fünf Kinder weisen Radiusstrahlanomalien auf. Weitere häufige Fehlbildungen sind neurologische (4), kardiale (3), respiratorische (3), endokrinologische (3), gastrointestinale Auffälligkeiten (2) sowie Nierenanomalien (2). Von den neun Patienten haben fünf FANCA-Mutationen/Deletionen, drei Kinder FANCJ-Mutationen, bei einem Kind ist die Mutationsanalyse noch in Bearbeitung. Interessanterweise weisen die FANCJ-Kinder weder relevante Zytopenien, noch ein erhöhtes MCV oder eine erhöhte Chromosomenbruchrate im Diepoxybutan-(DEB)-Test auf – diese Kinder stammen aus einer konsanguinen Familie und leiden gleichzeitig an anderen syndromalen Erkrankungen, die die Krankheitsmanifestation beeinflussen könnten. Drei Kinder werden aktuell mittels Androgentherapie behandelt, zwei aufgrund moderater Zytopenien und eine Patientin mit schwerer Zytopenie, bei der eine allogene HSCT aufgrund begleitender schwerer Fehlbildungen abgelehnt wurde. Regelmäßige Blutbildkontrollen werden bei vier Kindern durchgeführt. Ein Geschwisterpaar mit FANCA wird aktuell für eine Gentherapie-Studie evaluiert. Bislang wurden keine malignen Erkrankungen im Sinne von MDS, Leukämien bzw. soliden Tumoren diagnostiziert. Anhand der Patienten des St. Anna Kindespitals können sowohl das klinische Spektrum der FA, als auch aktuelle Therapiekonzepte vorgestellt werden.



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Article published online:
20 April 2022

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