Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/s-0042-121756
Andere Länder, andere Postämter
Publication History
Publication Date:
16 March 2017 (online)
„Ach, wenn Sie jetzt in den Urlaub gehen: Schreiben Sie doch mal eine Postkarte!“ Kennen Sie das auch? Haben Sie auch so eine Kollegin, die seit Jahren mit großer Leidenschaft die Pinnwand mit Postkarten aus aller Welt bestückt, die irgendjemand, der mal hier arbeitete, von einer Urlaubsreise an die daheim etwas neidisch vor sich hin arbeitende Bevölkerung schickte? Es soll ja auch den einen oder anderen Mitarbeiter geben, der die alte Karte jedes Jahr wieder von der Pinnwand nimmt, das Datum verändert und sie dann in einem Briefumschlag erneut verschickt. Das bietet sich vor allem an, wenn man seit Jahren an denselben See oder auf denselben Campinglatz fährt – sogenannte Aufwandsminimierung, man muss dann auch nicht jedes Jahr überlegen, was man schreibt …
Nun ist das mit den Postkarten ja so: Man findet sie in Souvenirläden, auch im Ausland, meist in großer Auswahl. Problematisch ist eher die Frage, ob man die Adresse der Daheimgebliebenen dabei hat und wo die nötigen Briefmarken herkommen. Glücklich, wem es gelingt, mit den Postkarten gleich die Marken zu erstehen – aber dies ist natürlich überhaupt keine touristische Herausforderung. Auch der Erwerb von Briefmarken im Hotel ist vergleichsweise ohne Arousal möglich und führt meist nicht zu dem Glücksgefühl, etwas erreicht zu haben.
Anders ist dies beim Aufsuchen von Postämtern im Ausland. Hier kann der Reisende sich noch als Entdecker neuer Welten erfahren! Muss man eine Nummer ziehen? Welcher Schalter vergibt die Briefmarken? Ist man hier überhaupt richtig? Gehört man zu der privilegierten Gruppe der über 60-Jährigen und kann sich daher in der überschaubaren Schlange mit dem Schild „Priority“ anstellen – zusammen mit Schwangeren, Rollstuhlfahrern, Vätern mit kleinen Kindern und Übergewichtigen, für die offensichtlich keine geeigneten Sitzmöbel im Wartebereich zur Verfügung stehen …
Und dann ist da noch das Problem, ob die Adresse überhaupt noch auf die Karte passt, wenn eine bestimmte Kombination von Briefmarken gewählt wurde, und ob es nicht günstiger ist, umgerechnet 3 Cent mehr pro Karte zu bezahlen, dafür aber die Chance zu wahren, dass das Stück Pappe irgendwann auch dort ankommt, wo es hin soll – womit wir bei der eigentlichen Herausforderung wären: All denen Geduld zu predigen, die allen Ernstes glauben, eine Portkarte aus Südamerika oder Ostafrika läge nach 14 Tagen in Deutschland im Briefkasten.
Dr. Bettina Wilms, Querfurt