Krankenhaushygiene up2date 2016; 11(04): 330-332
DOI: 10.1055/s-0042-119820
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Das Aktionsbündnis Patientensicherheit in Deutschland und sein Motto: „Nicht Schuldige sondern Lösungen suchen“

Hedwig François-Kettner
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Publication Date:
14 December 2016 (online)

Hintergründe zum Aktionsbündnis Patientensicherheit

Das Aktionsbündnis Patientensicherheit e. V. (APS) wurde 2005 gegründet. Als zentraler Ansprechpartner und nationale Plattform ist es inzwischen für alle Fragen einer sicheren Versorgung der Patienten als unabhängige Instanz anerkannt und etabliert. Probleme bei der Patientensicherheit werden vom APS identifiziert (aus Schadendatenbanken, Haftpflichtschäden, Hinweisen…) und mittels Arbeitsgruppen und Expertenrunden bearbeitet. In den interdisziplinär und multiprofessionell erarbeiteten Handlungsempfehlungen und Stellungnahmen zu Gesetzesentwürfen werden praxisorientierte Lösungen für eine neue Sicherheitskultur vorgeschlagen.

Das APS wird inzwischen von vielen Menschen bei seinen Aktivitäten bundesweit unterstützt. Medizinische Einrichtungen, Unternehmen, politische Instanzen, Organisationen, Verbände, Institutionen, Leistungserbringer, medizinische und wissenschaftliche Fachgesellschaften, Behörden, Patienten und Patientenorganisationen, Experten und Interessierte des Gesundheitswesens sind Mitglieder geworden und bringen sich ehrenamtlich im Vorstand, in den Arbeitsgruppen und in allen weiteren Aktivitäten mit ihrem Expertenwissen oder durch Spenden und Mitgliedsbeiträge ein. Bundesminister Gröhe hat als 4. Gesundheitsminister die Schirmherrschaft über das APS übernommen. Der interdisziplinäre und multiprofessionelle Dialog im Aktionsbündnis ist einmalig im deutschen Gesundheitswesen. Das APS finanziert sich aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden und erhält Fördermittel für seine Projekte. Es hat an der Universitätsklinik in Bonn den bisher einzigen Lehrstuhl für Patientensicherheit angeregt und finanziert diesen als Stiftungsprofessur bis 2017.

Definition der Patientensicherheit

Patientensicherheit wird definiert als „Abwesenheit unerwünschter Ereignisse“. Im Mittelpunkt jeder qualitätsorientierten Gesundheitsversorgung steht die Sicherheit des Patienten. Unerwünschte Ereignisse, die das ungewollte Ergebnis einer Behandlung sind, gefährden die Patientensicherheit. Deshalb setzt sich das APS für Strategien zur Vermeidung unerwünschter Ereignisse ein. Viele unerwünschte Ereignisse gehen auf Fehler zurück, die infolge komplexer und arbeitsteiliger Abläufe entstehen. Das wichtigste Instrument zur Verbesserung der Patientensicherheit ist daher das gemeinsame Lernen aus Fehlern. Bei allen Aktivitäten geht es ausschließlich darum, Lösungen zu erarbeiten und nicht darum, Schuldige zu suchen. Typisch erarbeitete Werkzeuge sind Checklisten, Handlungsempfehlungen für Profis und Patienten sowie eine offene und positive Kommunikation.

Aktionen und Projekte des APS

Wichtige Aktionen des Aktionsbündnisses sind „Aus Fehlern lernen“, „Reden ist Gold – Kommunikation nach einem Zwischenfall“ oder die Vergabe des „Deutschen Preises für Patientensicherheit“ sowie der Internationale Tag der Patientensicherheit jedes Jahr am 17. September. Das Aktionsbündnis initiiert und beteiligt sich an Forschungsprojekten wie der Krankenhausstudie zum klinischen Risiko-Management (2010, 2015…) und am High 5 s Projekt (2006 – 2015, Ergebnisse im Internet unter http://www.aezq.de/patientensicherheit/h5 s).

Im Kontext von Hygiene und Infektionsprävention werden im APS Projekte unterstützt (siehe Aktion Saubere Hände) und Stellungnahmen zu Gesetzesentwürfen verfasst. Die Expertengruppe „Infektion-Prävention-Initiative“ (IPI) zum Thema wurde gegründet und inzwischen sind drei Positionspapiere von der IPI verfasst worden.

Der 1. internationale Tag der Patientensicherheit am 17. September 2015 hatte das Schwerpunktthema „Hygiene und Infektionsprävention“. Deutschlandweit beteiligten sich insgesamt 185 Einrichtungen an Aktionen und wurden mit ihren Projekten auf der Homepage des APS aufgeführt www.tag-der-patientensicherheit.de

In 2016 haben sich unter dem Schwerpunkt „Medikationssicherheit“ in Deutschland 203 Einrichtungen und Institutionen mit Veranstaltungen rund um den 17. September beteiligt. In 1200 Apotheken wurden Flyer an Patienten herausgegeben und 39 Medienvertreter haben nach der Pressekonferenz bisher darüber berichtet.


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APS-Arbeitsgruppen

  • AG Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS)

  • AG Behandlungsfehlerregister (BFR)

  • AG Bildung und Training (B + T)

  • AG Fallanalyse (ab 2017)

  • AG Informieren – Beraten – Entscheiden (I-B-E)

  • AG Medizinprodukt-assoziierte Risiken (MPaR)

  • AG Notfall


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APS Handlungsempfehlungen

  • Anforderungen an klinische Risikomanagementprozesse im Krankenhaus

  • Arzneimitteltherapiesicherheit im Krankenhaus

  • Empfehlungen zur sicheren Patientenidentifikation

  • Empfehlung zur Vermeidung von Eingriffsverwechslungen in der Chirurgie

  • Empfehlung zur Vermeidung von Stürzen im Krankenhaus – Checkliste für Klinikmitarbeiter

  • Handlungsempfehlungen bei Einsatz von Hochrisikoarzneimitteln 1: oral appliziertes Methotrexat

  • Handlungsempfehlungen bei Einsatz von Hochrisikoarzneimitteln 2: Intravenöse Applikation von Vincristin sicherstellen

  • Jeder Tupfer zählt – Handlungsempfehlungen zur Vermeidung unbeabsichtigt belassener Fremdkörper im OP-Gebiet

  • Patientensicherheit durch Prävention medizinproduktassoziierter Risiken

  • Wege zur Patientensicherheit – Lernzielkatalog für Kompetenzen in der Patientensicherheit


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Informationen für Patientinnen und Patienten

  • Empfehlung zur Vermeidung von Stürzen im Krankenhaus – Handreichung für Patientinnen, Patienten und ihre Angehörigen

  • Medikationsplan für Patienten

  • Patienteninformation „Sicher in der Arztpraxis“

  • Patienteninformation „Sicher im Krankenhaus“

  • Patienteninformation "Tiefer Venenthrombose vorbeugen"

  • Patienteninformation „Zur Prävention von Krankenhausinfektionen und Infektionen durch multiresistente Erreger“ (s. Abb. [1])

  • Tipps zum häuslichen Umgang mit Arzneimitteln

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Abb. 1 Patienteninformation zur Prävention von Krankenhausinfektionen und Infektionen durch multiresistente Erreger

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APS-Projekte

  • Aktion Saubere Hände

  • Deutscher Preis für Patientensicherheit

  • Internationaler Tag der Patientensicherheit am 17. September

  • Krankenhaus-CIRS-Netz Deutschland

  • simparteam – Notfalltraining für geburtshilfliche Teams


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Expertengruppen

  • elektronische Patientenakte

  • Fallanalyse

  • Infektions-Präventions-Initiative

  • UDI – Unique Devise-Identification

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Abb. 2 Zusammenarbeit des APS mit wichtigen Institutionen und Organisationen im Bereich Hygiene und Infektionsprävention.

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Stellungnahmen und Positionspapiere der Infektion-Prävention-Initiative des APS (IPI)

Position zum universellen Screening bei MRSA (März 2015)

  • Die IPI spricht sich am 1.3.2015 gegen ein generelles Screening aus – Bsp. Großbritannien zeigt mit eindeutigen Studienergebnissen: ein risikobasiertes Screening identifiziert 81 % der Patienten. Das generelle Screening wurde dort wieder eingestellt.

  • Auch Deutsche Studien belegen diese Befunde. Die KRINKO-Empfehlungen sind in völliger Übereinstimmung mit den aktuellen Studienergebnissen. Diese sind strikt einzuhalten.


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Position zur Infektionsprävention & Pflegepersonalausstattung (September 2015)

  • Beispiel Intensivstationen: 88 000 nosokomiale Infektionen verursachen 590 Mio € Kosten und viel Leid. Bei der Reduktion um 25 % könnten 147,5 Mio € für mehr Personal zur Verfügung stehen [1] [2] [3].

  • Empfehlungen:
    – 1 Pflegefachperson für 2 Patienten in der ITS
    – 1 Pflegefachperson für 1 ITS- Patienten bei besonderem Betreuungsaufwand
    – 1 Pflegefachperson für 1 ITS- Patienten bei besonderem Betreuungsaufwand
    – 1 Pflegefachperson für 4 Patienten in der IMC
    – 1 Pflegefachperson für 7 Patienten in der NPS


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Position zur Erfassung von vermeidbaren Todesfällen durch nosokomiale Infektionen (Februar 2016)

  • Es sind dringend wissenschaftliche Studien und Untersuchungen erforderlich, um die durch nosokomiale Infektionen bedingte Mortalität und vermeidbare nosokomiale Todesfälle besser beurteilen zu können.

  • Anschließend kann eine routinemäßige Beurteilung von Todesfällen in Bezug auf vermeidbare nosokomiale Todesfälle eingeführt werden.


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Arbeitsweise des APS

Die Arbeitsweise des APS wird in Abb. [3] dargestellt.

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Abb. 3 Arbeitsweise des APS.

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Neue Veröffentlichungen des APS

  1. Anforderungen an klinische Risikomanagementsysteme im Krankenhaus

  2. Einrichtung und erfolgreicher Betrieb eines Berichts- und Lernsystems (CIRS)

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Alle Handlungsempfehlungen, Stellungnahmen und Positionspapiere sind auf der Homepage des APS kostenfrei zu beziehen.

www.aps-ev.de


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  • Literatur

  • 1 Kochanek M, Böll B, Shimabukuro-Vornhagen A et al. Personalbedarf einer Intensivstation unter Berücksichtigung geltender Hygienerichtlinien. Eine explorative Studie. Dtsch Med Wochenschau 2015; 140: e136-e141
  • 2 Martin J, Neurohr C, Bauer M et al. Kosten der intensivmedizinischen Versorgung in einem deutschen Krankenhaus. Kostenträgerstückrechnung basierend auf der InEK-Matrix. Der Anästhesist 2008; 57: 505-512
  • 3 Rechenmodell: Hardy Müller, TK, WINEK, Oktober 2015.