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DOI: 10.1055/s-0042-116584
Für Frank Martens:
Teurer Frust
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
18. Oktober 2016 (online)
Der Rettungsdienst wurde zu einer 41-jährigen Krankenschwester gerufen, die sich nach einem Partnerschaftskonflikt in privater Umgebung in suizidaler Absicht intravenös 10 × 0,25 mg Digitoxin plus 80 mval Kaliumchlorid injiziert und dazu eine halbe Flasche Wodka konsumiert hatte.
Die Patientin wurde wach und adäquat mit einer hämodynamisch nicht relevanten Sinusbradykardie (45/min) in die nächstliegende Klinik eingewiesen. Die Bestimmung des Digitoxinspiegels im Serum ca. 2 h nach Injektion ergab einen Wert von > 165 µg/l (Referenzbereich 10,0 – 30,0 µg/l), die Kaliumkonzentration im Serum wurde initial mit 2,8 mmol/l (Referenzbereich 3,5 – 5,5 mmol/l) bestimmt. Zur Behandlung der potenziell lebensbedrohlichen Digitalisintoxikation mit Digitalisantitoxin wurde die Patientin in unsere Abteilung verlegt, wo sie gut 6 h nach dem akuten Ereignis aufgenommen wurde.
Bei Übernahme bestand bei der wachen Patientin weiterhin eine Sinusbradykardie (40/min), der nichtinvasiv gemessene Blutdruck betrug 90/50 mmHg. Im Aufnahme-EKG kamen für eine Digitalisintoxikation typischen muldenförmige ST-Senkungen zur Darstellung. Es bestand starke Übelkeit und die Patientin erbrach mehrfach. Aus der Vorgeschichte wurde von einer stationären psychiatrischen Behandlung vor gut 20 Jahren wegen einer Anorexia nervosa berichtet. Aktuell beschrieb die Patientin ihr Essverhalten als normal, bemerkenswert war jedoch die chronische Einnahme von Diuretika (Torasemid plus Xipamid) zur, nach eigenen Angaben, Behandlung von Unterschenkel- und Gesichtsödemen unklarer Genese. Die Patientin wog 53 kg bei einer Größe von 175 cm. In der Laboruntersuchung nach Übernahme wurden ein Digitoxinspiegel i. S. von 104,5 µg/l und ein Kalium i. S. von 3,2 mmol/l bestimmt. Leber- und Nierenwerte, Blutbild und Gerinnung zeigten Normalbefunde.
In den folgenden Stunden traten zunehmend häufig Phasen mit AV-Blockierungen II° Typ Wenckebach und Typ Mobitz auf ([Abb. 1]), sodass, nach Rücksprache mit einer Giftinformationszentrale, die Entscheidung zur Antitoxinbehandlung getroffen wurde. Nach guter Verträglichkeit von zunächst 80 mg des Digoxinantikörpers DigiFab® über 1 h wurden weitere 160 mg DigiFab® über 6 h intravenös ohne Anhalt für Unverträglichkeit gegeben. Der Digitoxinspiegel nach Gabe von 80 mg Antidot betrug 103,3 µg/l und 24 h nach Beendigung der Antidottherapie 75,2 µg/l. Der Immunoassay zur Digitoxinbestimmung im Labor unserer Klinik misst sowohl freies und eiweißgebundenes als ggf. auch antidotgebundenes Digitoxin. Bei Verlegung von der Intensivstation nach 5 Tagen in die stationäre psychiatrische Weiterbehandlung betrug die Digitoxinkonzentration im Blut 57,2 µg/l. Höhergradige AV-Blockierungen traten nach Beendigung der Antidottherapie nicht erneut auf, die Sinusbradykardie bestand für weitere 48 h, am Verlegungstag bestand ein normfrequenter Sinusrhythmus mit intermittierendem AV-Block I°. Eine vollständige EKG-Normalisierung war erst 30 Tage nach der Intoxikation zu beobachten.
Zur Unterbrechung des enterohepatischen Kreislaufs erfolgte begleitend bis zur Normalisierung des Digitoxinspiegels eine Therapie mit täglich 4 × 4 g Colestyramin p. o.
Bedauerlicherweise äußerte die Patientin bis zur Verlegung wiederholt ihre Enttäuschung über das Scheitern des Suizidversuchs.
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