Laryngorhinootologie 2017; 96(02): 86-87
DOI: 10.1055/s-0042-115162
Leserbrief
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Leserbrief – Rubrik CME-Fortbildung

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Publication Date:
14 March 2017 (online)

Artikel von Fischer M., Weber B., Riechelmann H. (2016) Presbyakusis – Altersschwerhörigkeit (Laryngo-Rhino-Otologie 95: 497–510)

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Autoren beschreiben in dem o. g. CME-Fortbildungsartikel sehr gut die ätiologischen und pathophysiologischen Ursachen einer sog. Presbyakusis. Ebenfalls gut dargestellt werden die Notwendigkeit einer frühzeitigen Diagnostik sowie einer rechtzeitigen Rehabilitation, in der Regel mit Hörgeräten um gefährliche Folgeerkrankungen für Schwerhörige abzuwenden.

Im Abschnitt zur Diagnostik finden sich jedoch 2 Bereiche, die nach unserer Ansicht noch etwas ergänzt werden sollten:

Zum einen wird im Bereich der Früherkennung im Zusammenhang mit der Frage nach einer Screeninguntersuchung bei älteren Menschen allein auf den Whispered-Voice-Test hingewiesen. Keine Berücksichtigung finden jedoch in dem Artikel entsprechende Frageninventare, wie der HHIE-S [1] oder der MAT [2]. Die Sensivität zur Detektion einer relevanten Schwerhörigkeit beträgt bei diesen Tests etwa 70–80%. Die etwa 20–30% falsch negativen Testergebnisse lassen sich durch eine subjektive Verdrängung des eigenen Hörproblems bzw. ein nicht Wahrnehmen desselben durch die betroffenen Patienten erklären. Dieser Unsicherheit steht die mangelnde Standardisierbarkeit eines Whispered-Voice-Tests gegenüber.

Ergänzend sollte in diesem Zusammenhang auch erwähnt werden, dass im Rahmen einer Hörgeräteversorgung nach den deutschen Hilfsmittel-Richtlinien nicht nur ton- und sprachaudiometrische Tests, sondern auch die Anwendung des APHAB-Fragebogens [3] [4] [5] [6] obligatorisch ist. Frageninventare stellen die einzige Möglichkeit dar, die subjektive Beeinträchtigung von Patienten durch eine Hörminderung für verschiedene audiologische Situationen quantitativ zu erfassen und somit auch den potentiellen subjektiven Nutzen von Hörgeräten zu bewerten.

Zum anderen wird von den Autoren unter Verweis auf eine entsprechende Literaturstelle dargestellt, dass Satztests, wie der Oldenburger Satztest (OLSA) bezüglich von Störschallmessungen im Rahmen einer Hörgeräteanpassung eine größere Alltagsrelevanz hätten als der Freiburger Sprachtest. Diese Aussage ist so nicht ganz vollständig. Auch der Freiburger Sprachhörtest ist mittlerweile für den Gebrauch im Störschall evaluiert [7] [8]. Dieses wird aller Wahrscheinlichkeit nach auch in der Überarbeitung der Hilfsmittelrichtlinie – berücksichtigt werden. Der Freiburger Einsilbertest wird bereits seit den 1980er Jahren erfolgreich im Störgeräusch angewendet. In der DIN 45621-1 wird ausdrücklich auf die DIN 45624 und die IEC 645-2: 1993 verwiesen. Die Norm 45624 ist mit der DIN-Mitteilung 07/99 durch die DIN EN 60645-2: 1997 ersetzt worden. Schon in der DIN 45624 wird auf verdeckendes oder vertäubendes Rauschen für den Freiburger Sprachtest hingewiesen. Ebenso sind Anforderungen an dieses Rauschsignal dort erhoben. In der mitgeltenden IEC 645 und der DIN EB 60645-2: 1997 wird das Verdeckungsgeräusch ausführlich beschrieben. Das Sprachverstehen im Störgeräusch wurde also bereits seit diesem Zeitpunkt mit dem Freiburger Einsilbertest 65 dB Nutzschall durch 60 dB Störschall gemäß der genannten Normen nachgewiesen.

In neueren Untersuchungen wurde die durchschnittlich zu erwartende Hörverbesserung für Hörgeräte im Störschall des Freiburgers anhand einer größeren Probandenzahl nachgewiesen [8].

Weiterhin lässt der CME-Artikel vermissen, dass es sowohl kurz- als auch langfristige Lerneffekte beim OLSA gibt, die die Vergleichbarkeit verschiedener Hörgeräte oder Hörgeräteeinstellungen beeinflussen können. Bei a priori nicht vermeidbarer ungünstiger Konstellation der Testbedingungen können solche Lerneffekte dazu führen, dass ein Hörgerät Typ A scheinbar zu besseren Leistungen als ein anderer Hörgerätetyp B führt. Diese Lerneffekte lassen sich auch durch das im Handbuch zum OLSA beschriebene Trainingsverfahren nicht ausschließen [9].

Hinzu kommt das Phänomen, dass Satztests grundsätzlich einfacher zu verstehen sind als Einsilbertests. Gerade im Rahmen der angestrebten frühzeitigen Hörgeräteversorgung schwerhöriger Patienten wird es also schwerfallen, mittels des OLSA ein geeignetes Kriterium zur Notwendigkeit einer Hörgeräteversorgung zu definieren. Auch hochgradig schwerhörige Patienten, die die angestrebte 50%ige Sprachverständlichkeit adaptiver Tests gar nicht erst erreichen, können nicht mittels des OLSA oder ähnlich konstruierter Satztests untersucht werden. Diese unterschiedlichen Anwendungsgebiete und Schwierigkeiten sowohl adaptiver als auch nicht adaptiver Sprachhörtests wären wichtige Informationen für den Leser gewesen.

Abschließend sei noch darauf verwiesen, dass vor einer kernspintomographischen Untersuchung zum Ausschluss eines Vestibularisschwannoms sicherlich in den meisten Fällen eine BERA nicht zuletzt aus Kostengründen vorgeschaltet werden sollte. Mit freundlichen Grüßen

Dr. Jan Löhler
Direktor des Wissenschaftlichen Instituts für angewandte HNO-Heilkunde (WIAHNO)
Prof. Dr. med. Arneborg Ernst, HNO-Klinik Unfallkrankenhaus Berlin
Maienbeeck 1, 24576 Bad Bramstedt
praxis@hnoarzt-bad-bramstedt.de

 
  • Literatur

  • 1 Winkler A, Holube I. Test-Retest-Reliabilität des Freiburger Einsilbertests. HNO 2016; 64: 564
  • 2 Steffens T. Der Freiburger Sprachtest: ein Klassiker mit Stärken und Schwächen. HNO Nachrichten 2015; 45: 22
  • 3 Hoth S. Der Freiburger Sprachtest. HNO 2016; 64: 540
  • 4 Baljić I, Winkler A, Schmidt T. et al. Untersuchungen zur perzeptiven Äquivalenz der Testlisten im Freiburger Einsilbertest. HNO 2016; 64: 572
  • 5 Schmidt T, Baljić I. Untersuchung zum Trainingseffekt des Freiburger Einsilbertests. HNO 2016; 64: 584
  • 6 Miller S, Kühn D, Ptok M. et al. Fragebogenassessments für die Hörgerätekontrolle. Laryngo-Rhino-Otol 2013; 92: 80-89
  • 7 Löhler J, Akcicek B, Pilnik M. et al. Ernst A (2013) Die Evaluation des Freiburger Einsilbertests im Störschall. HNO 61: 586-591
  • 8 Löhler J, Akcicek B, Wollenberg B. et al. Ernst A (2015) Results in using the Freiburger monosyllabic speech test in noise without and with hearing aids. Eur Arch Oto Rhino Laryngol 272: 2135-42
  • 9 Brill S, Grimm K, Kaiser M et al. (2015) Der Oldenburger Satztest in der klinischen Anwendung: Kurz- und langfristige Lern- und Habituationseffekte, Altersabhängigkeit, Methodik der Durchführung. 86. Jahresversammlung der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie. Berlin 13. Mai – 16. Mai 2015