Z Geburtshilfe Neonatol 2016; 220(04): 143
DOI: 10.1055/s-0042-111894
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Geburtshilfe
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Oligohydramnion – AFI oder SDP zur Bestimmung der Fruchtwassermenge

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Publikationsdatum:
29. August 2016 (online)

Hintergrund: Ein Oligohydramnion zum Ende der Schwangerschaft ist mit einer ungünstigen Prognose für das Kind verbunden, sodass die Diagnose oft als Indikation für die Einleitung zur Geburt betrachtet wird. Es existieren aber keine Standards, mit welcher Methode die Menge der Amnionflüssigkeit am besten beurteilt wird. Die beiden häufigsten Verfahren haben nun deutsche Geburtshelfer direkt miteinander verglichen.

Methoden: Die Mediziner um Sven Kehl haben in 4 deutschen Universitätskliniken insgesamt 1002 Schwangere in ihre offene, randomisierte Studie aufgenommen. Bei den Frauen lag eine Einlingsschwangerschaft zum Termin (≥ 259 Tage) in Hinterhauptslage vor. Bei der routinemäßigen Ultraschalluntersuchung wurde die Fruchtwassermenge auf 1 von 2 Arten beurteilt:

  • Bestimmung des Fruchtwasserindex (amniotic fluid index, AFI), mit Messung des jeweils größten Fruchtwasserdepots in allen 4 Quadranten des Uterus, die Summe stellt den AFI dar (n = 498), oder

  • Messung des tiefsten Fruchtwasserdepots im vertikalen Durchmesser, bei einer horizontalen Ausdehnung von mindestens 1 cm (single deepest vertical pocket, SDP; n = 504)

Beurteilt wurde die Häufigkeit unmittelbar postnataler Verlegungen auf die Neugeborenenintensivstation (NICU), weitere Endpunkte umfassten u. a. die Häufigkeit von Oligohydramnion-Diagnosen und Einleitungen der Geburt. Dabei wurde einmal die Gesamtkohorte betrachtet, zum zweiten wurde separat nach Frauen mit hohem und geringem Risiko ausgewertet. Die Hochrisikogruppe war dabei definiert als Frauen mit Gestationsdiabetes, hypertensiven Schwangerschaftserkrankungen, fetaler Wachstumsretardierung, Plazentainsuffizienz oder intrahepatischer Schwangerschaftscholestase.

Ergebnisse: Die Auswertung ergab eine vergleichbare Rate postnataler NICU-Aufnahmen, mit 4,2 % in der AFI-Gruppe und 5,0 % in der SDP-Gruppe. Allerdings wurde in der AFI-Gruppe signifikant häufiger die Diagnose eines Oligohydramnions gestellt (9,8 vs. 2,2 %), und in der Folge wurde aus diesem Grund signifikant häufiger die Geburt eingeleitet als in der SDP-Gruppe (12,7 vs. 3,6 %).

Die gesehenen Unterschiede waren bei weiterer Analyse vor allem auf die Schwangerschaften mit geringem Risiko zurückzuführen (n = 828), mit 42 diagnostizierten Oligohydramnion-Befunden nach AFI- und 8 nach SDP-Bestimmung. Das Gleiche galt für die Einleitung der Geburt wegen des Oligohydramnions (31 vs. 8). In der Hochrisikogruppe dagegen war der einzig nachweisbare Unterschied ein geringerer mittlerer Nabelschnur-pH-Wert in der AFI-Gruppe, die anderen Outcomes waren vergleichbar.

Fazit

Vor allem bei problemlos verlaufenden Schwangerschaften scheint die Bestimmung der Fruchtwassermenge mit der SDP-Methode besser geeignet, um unnötige invasive Maßnahmen zu vermeiden, so die Autoren. Zwar findet der Fruchtwasserindex deutlich mehr Oligohydramnion-Fälle, aber die betroffenen Kinder profitierten nicht von dieser häufigeren Diagnose, wie die ähnliche Zahl der NICU-Aufnahmen zeige. Einschränkend gilt, dass in der Kohorte relativ wenige Hochrisikoschwangerschaften vertreten waren, deshalb beziehen die Verfasser ihre Empfehlung auch vor allem auf Schwangere mit unauffälligem Verlauf der Schwangerschaft.

Dr. Elke Ruchalla, Bad Dürrheim