Der Klinikarzt 2016; 45(04): 176-177
DOI: 10.1055/s-0042-105809
Zum Thema
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Maligne Erkrankungen der Haut

Martin Röcken
Weitere Informationen

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
02. Mai 2016 (online)

Maligne Erkrankungen haben sich in den letzten 25 Jahren zu einem zentralen Thema der Dermatologie entwickelt. Verschiedene Faktoren tragen hierzu bei. Drei der wichtigsten sollen kurz dargestellt werden.

  1. Von großer Bedeutung ist die starke Zunahme des Hautkrebses. So sind zusammen die verschiedenen Formen des weißen Hautkrebses mit 170 000 Neuerkrankungen pro Jahr 5–6-mal häufiger als Prostatakarzinome oder Tumoren der Brustdrüse. Das Melanom, vor 25 Jahren noch ein seltener Tumor, ist heute unter den 7 häufigsten bösartigen Tumoren des Menschen. Es zeichnet sich insbesondere dadurch aus, dass es sehr früh und leicht metastasiert. So steigt die Gefahr der tödlichen Metastasierung während der ersten 4 mm (!) Dickenwachstum von etwa 5 % bei 0,5 mm Tumordicke auf 40–50 % bei über 4 mm Tumordicke. Während manche Melanome nur sehr langsam dicker werden, können andere, so die primär nodulären Melanome, innerhalb von 4 Monaten bereits diese Tumordicke erreichen und haben somit nach 4–6 Monaten eine 10-fach schlechtere Heilungschance als zu Beginn ihres Wachstums.

  2. Die zahlenmäßige Zunahme der Krebserkrankungen der Haut und die Erkenntnis, dass die frühe Operation sowohl bei Melanomen als auch bei spinozellulären Karzinomen und Basalzellkarzinomen von entscheidender Bedeutung für die Prognose ist, sind wichtige Grundlagen für die Entwicklung des Hauttumorscreenings, das flächendeckend in Deutschland eingeführt ist. Große Studien zeigen, dass dieses Screening die Prognose der Patienten deutlich verbessert.

  3. Die Melanomforschung hat in den letzten 10 Jahren 2 entscheidende Erkenntnisse hervorgebracht, die wesentliche Auswirkungen in die gesamte Medizin haben.

Bei der Suche nach melanomassoziierten Genmutationen wurden hier mit die ersten “Driver-Mutationen“ bei soliden Tumoren definiert. Insbesondere die Genmutation im Gen BRAF Position V600 wurde als entscheidende “Driver-Mutation“ erkannt. Sie zählen zu den ersten Mutationen, die bei soliden Tumoren eine gezielte molekulare Tumortherapie erlauben. Auch wenn diese gezielten Therapien das langfristige Gesamtüberleben statistisch gesehen nur als Kombinationstherapie deutlich verbessern, so führen sie doch bei vielen Patienten auch als Monotherapie zu einer sehr ausgeprägten Tumorremission, verbessern deutlich die Lebensqualität und können insbesondere bei bedrohlichen Metastasen, so im ZNS, zur schnellen Remission führen.

Der wohl größte und wichtigste Durchbruch für die Gesamtonkologie war die Entwicklung der Tumorimmuntherapie aus dem Melanom heraus. Hier wurden die ersten randomisierten “Proof of Principal-Studien“ in den Jahren 2014 und 2015 publiziert, sie haben erstmalig die Wirksamkeit einer Tumorimmuntherapie bei soliden Tumoren in einer therapeutisch relevanten Dosierung nachgewiesen. Anschließend konnte dieses Therapieprinzip auch für andere Tumoren, so Nierenzellkarzinome und nicht kleinzelliges Lungenkarzinom, nachgewiesen werden.

Diesen 3 großen Themenkomplexen wird in den Artikeln zur Diagnostik und Therapie des Basalzellkarzinoms, der spinozellulären Karzinome und des Melanoms Rechnung getragen. Ein spezieller Beitrag findet sich zur molekularen Diagnostik. Er spiegelt wider, wie sich aufgrund genetischer Mutationen, die sich im Melanom finden, die therapeutisch wirksamen Strukturen für die molekularen Therapien identifizieren lassen. Er gibt insbesondere auch Auskunft darüber, wann welche Art der molekularen Testung sinnvoll ist.

Die zentrale Therapie der Tumoren der Haut ist die chirurgische Dermatologie. Da sehr viele Tumoren dank des Hautkrebsscreenings sehr früh entdeckt werden, ist es eine wichtige klinische Aufgabe, die chirurgischen Behandlungen phasengerecht zu gestalten. Letztere wurden immer wieder in klinischen Studien untersucht. So wurden in großen Studien für das Melanom, für das Basalzellkarzinom und für die spinozellulären Karzinome die optimalen chirurgischen Vorgehensweisen über viele Jahre genauestens analysiert. In einem speziellen Artikel wird in diesem Themenheft das Spektrum von den minimal invasiven Eingriffen bei sehr frühen Tumoren der Haut bis hin zu den routinemäßigen, täglich wiederholt anfallenden größeren Operationen wiedergegeben. Nur kurz hingewiesen wird auf die großen Tumoroperationen, die nur an wenigen Spezialzentren wie der Universitäts-Hautklinik Tübingen durchgeführt werden.

Aufgrund der Gestaltung des Themenheftes konnte auf einige große Themenkomplexe wie die Sarkome, die malignen Gefäßtumoren und die Merkelzellkarzinome nicht eingegangen werden.

Ein spezieller Bereich, der jedoch zunehmend an Bedeutung gewinnt, sind die Lymphome der Haut. Die Dermatohistologen und onkologisch tätigen Dermatologen haben gemeinsam mit den Hämatoonkologen und den Pathologen eine Klassifikation der Lymphome der Haut erstellt. Im Gegensatz zu früheren Annahmen sind sekundäre Lymphome der Haut selten. Die meisten Lymphome der Haut entwickeln sich als primäre Lymphome der Haut, wobei die T-Zell-Lymphome mit ihrem Spektrum deutlich überwiegen. Aufgrund ihrer großen Bedeutung, auch im Rahmen der Früherkennung durch den Hausarzt und den Klinikarzt, wurden die Darstellung der T- und B-Zell-Lymphome, ihre wichtigste Klassifikation und die entscheidenden Behandlungsmethoden in das Heft mit aufgenommen.

Aufgrund der Größe der Universitäts-Hautklinik Tübingen ist es uns glücklicherweise möglich, allen Patienten mit den oben genannten verschiedenen Tumorentitäten eine Behandlung durch international anerkannte Kliniker zukommen zu lassen, die sich speziell auch als klinische Wissenschaftler mit den einzelnen Tumorentitäten befassen. Besonders wichtig ist es dabei, dass wir hier wöchentlich in einem Tumorboard kommunizieren, um für Patienten mit Problemtumoren die beste vorstellbare Lösung zu suchen. Besonders dankbar sind wir hier auch für die Unterstützung durch die Innere Medizin, die Radioonkologie, die Radiologie und die anderen chirurgischen Fachdisziplinen des Universitätklinikums Tübingen, mit denen wir in diesen Tumorboards die optimalen patientenorientierten Behandlungen erarbeiten.

 
  • Literatur von Mitarbeitern der Universitäts-Hautklinik

  • 1 Hauschild A, Garbe C. Immunotherapy: Combined immunotherapy--a new standard in metastatic melanoma?. Nat Rev Clin Oncol 2015; 12: 439-440
  • 2 Larkin J, Ascierto PA, Dréno B et al. Combined vemurafenib and cobimetinib in BRAF-mutated melanoma. N Engl J Med 2014; 371: 1867-1876
  • 3 Long GV, Stroyakovskiy D, Gogas H et al. Combined BRAF and MEK inhibition versus BRAF inhibition alone in melanoma. N Engl J Med 2014; 371: 1877-1888
  • 4 Ribas A, Puzanov I, Dummer R et al. Pembrolizumab versus investigator-choice chemotherapy for ipilimumab-refractory melanoma (KEYNOTE-002): a randomised, controlled, phase 2 trial. Lancet Oncol 2015; 16: 908-918
  • 5 Romano E, Kusio-Kobialka M, Foukas PG et al. Ipilimumab-dependent cell-mediated cytotoxicity of regulatory T cells ex vivo by nonclassical monocytes in melanoma patients. Proc Natl Acad Sci U S A 2015; 112: 6140-6145
  • 6 Ulmer A, Dietz K, Hodak I et al. Quantitative measurement of melanoma spread in sentinel lymph nodes and survival. PLoS Med 2014; 11
  • 7 Van Allen EM, Miao D, Schilling B et al. Genomic correlates of response to CTLA-4 blockade in metastatic melanoma. Science 2015; 350: 207-211
  • 8 Brantsch KD, Meisner C, Schönfisch B et al. Analysis of risk factors determining prognosis of cutaneous squamous-cell carcinoma: a prospective study. Lancet Oncol 2008; 9: 713-720
  • 9 Braumüller H, Wieder T, Brenner E et al. T-helper-1-cell cytokines drive cancer into senescence. Nature 2013; 494: 361-365
  • 10 Robert C, Thomas L, Bondarenko I et al. Ipilimumab plus dacarbazine for previously untreated metastatic melanoma. N Engl J Med 2011; 364: 2517-2526