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DOI: 10.1055/s-0042-104907
Immunsuppressive Therapie – Komplikationen bei Gemeinschaftsunterbringung
Publication History
Publication Date:
18 April 2016 (online)
Wir berichten über einen 29 Jahre alten Patienten, der sich mit einer vordiagnostizierten Colitis ulcerosa in unserer Ambulanz vorstellte. Der Patient war Anfang 2014 aus Syrien nach Deutschland gekommen und befand sich zum Zeitpunkt der Vorstellung im Asyl-Anerkennungsverfahren, das inzwischen positiv für den Antragsteller abgeschlossen wurde. Der Patient lebte in einer Gemeinschaftsunterkunft, in der bis zu vier Personen in einem Raum untergebracht waren.
Seit der Ankunft in Deutschland litt der Patient unter Diarrhoen, die zum Teil blutig waren, und Unterbauchbeschwerden. Eine endoskopische Diagnostik in einem auswärtigen Krankenhaus zeigte eine Pancolitis mit Schwerpunkt des linksseitigen Kolons. Dort wurde eine Steroidtherapie eingeleitet, die zu einer Remission führte. Der Patient wurde aus der stationären Behandlung entlassen und stellte sich dann zur Weiterbehandlung in unserer Praxis vor. Die Steroidmedikation war inzwischen auf 10 mg Prednisolon reduziert, wir leiteten eine Therapie mit Mesalazin ein und besprachen die weitere Steroidreduktion.
Eine Kontroll-Ileokoloskopie zeigte 7/14 eine endoskopische Vollremission mit einzelnen Pseudopolypen in dem linksseitigen Kolon ( [Abb. 1]). Auch histologisch waren keine Entzündungsresiduen nachzuweisen. Unter der weiteren Reduktion von Cortison kam es dann aber zu einer Verschlechterung der Symptomatik mit erneut blutigen Durchfällen und auch Tenesmen. Der Calprotectinwert stieg auf 800 μg / g Stuhl an und im Blutbild zeigte sich eine Thrombozytose. Unter der Diagnose eines steroidabhängigen Verlaufs begannen wir mit einer Therapie mit Azathioprin. Vorher wurde eine chronische Hepatitis B ausgeschlossen und auch ein „Y-Interferon release“-Test zum Nachweis eines Kontakts mit Tuberkulose Erregern war negativ.
Nach dem Beginn der Therapie mit Azathioprin kam es erwartungsgemäß nicht zu einer raschen Besserung. Die Prednisolontherapie, die inzwischen auf 40 mg / die erhöht war, konnte bei weiter bestehenden Beschwerden und auch erhöhten Calprotectin-Wert im Stuhl nicht reduziert werden. Um die Zeit bis zur Wirkung des Azathioprins zu überbrücken, entschlossen wir uns zu einem „bridging“ mit Infliximab. Der Patient erhielt die übliche Induktionstherapie mit einer Dosis von 5 mg / kg Körpergewicht an den Tagen 1, 14 und 42. Zuvor wurde ein erneuter Quantiferontest durchgeführt, der wiederum negativ ausfiel. Auch ein Röntgen-Thorax-Bild war unauffällig ([Abb. 2]).
Fünf Wochen nach der dritten Infusion stellte sich der Patient Anfang Januar dieses Jahres mit Fieber und Dyspnoe vor. Die körperliche Untersuchung ergab rechts basal ein abgeschwächtes Atemgeräusch, die weitere Diagnostik mittels Sonografie und Röntgen-Thorax ergab einen Pleuraerguss rechts basal. Ein CT des Thorax zeigte eine mediastinale LK-Vergrößerung und den erwähnten Pleuraerguss, aber weiter keine Hinweise auf ein Infiltrat.
Der Patient wurde stationär aufgenommen und erhielt zweimalig eine Bronchoskopie ohne den Nachweis einer TBC. Dabei wurde das Bronchialsekret mittels PCR, Mikroskopie und Kultur untersucht. Auch konnte in einer endobronchialen / endoösophealen Ultraschalluntersuchung kein Gewebe gewonnen werden, welches zytologisch die Lymphknotenvergrößerung erklärte. Erst durch eine Mediastinoskopie gelang die Asservierung ausreichender Gewebsmengen, die dann die Diagnose einer TBC erbrachte. Der Keim erwies sich als resistent gegen Streptomycin und INH, so dass in der tuberkulostatischen Therapie auf diese Substanzen verzichtet werden musste. Der Patient wurde initial mit dieser Kombination behandelt: Eremfat 600 mg 1–0–0; Myambutol 400 mg 3–0–0; Pyrafat 500 mg 3–0–0; Ciprofloxacin 500 mg 2–0–0, Tarivid 400 mg 2–0–0. Die Colitis Medikation wurde bis auf Mesalazin komplett abgesetzt, was erstaunlicherweise jetzt ohne Probleme machbar war.
Retrospektiv muss man von einer Ansteckung in der Unterkunft des Patienten ausgehen, in der bei wechselnder Belegung durch Neuankömmlinge aus „Endemiegebieten“ eine Neuansteckung durchaus denkbar ist. Die vom Gesundheitsamt durchgeführten Umgebungsuntersuchungen haben allerdings keinen weiteren TB-Verdacht im Bekanntenkreis des Patienten erbracht. Der Fall zeigt exemplarisch, vor welchen Problemen man bei der Behandlung von Patienten steht, die in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht sind und aus sogenannten „Endemiegebieten“ stammen. Da für die Zukunft mit deutlich mehr Patienten zu rechnen ist, sollte auf die genannten Aspekte besonders geachtet werden.