Der Nuklearmediziner 2016; 39(03): 151-152
DOI: 10.1055/s-0042-102520
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Schilddrüsenknoten: optimierte Diagnostik und Therapie – interdisziplinäre Kooperation ist gefordert!

Thyroid Nodules: Optimized Diagnostics and Treatment – Interdisciplinary Cooperation is required!
F. Grünwald
1   Klinik für Nuklearmedizin, Universitätsklinikum Frankfurt, Frankfurt a. M.
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Publication Date:
06 September 2016 (online)

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Prof. Dr. med. Frank Grünwald

Editor des letzten Heftes des Nuklearmediziners, welches sich mit dem Thema „Schilddrüsenknoten“ befasste, war Jörg Mahlstedt. Daher ist es mir eine besondere Ehre, nun wieder ein Heft zu den diagnostischen und therapeutischen Aspekten von nodösen Schilddrüsenveränderungen herauszugeben. Die aktuellen Beiträge zeigen, dass sich seit dem Erscheinen des Heftes 2008 einige Algorithmen des Vorgehens bei Schilddrüsenknoten deutlich geändert haben.

Schilddrüsenknoten gehören immer noch zu den häufigsten Befunden in der thyreologischen Praxis in Deutschland. Die Gründe hierfür sind vielfältig – eine wichtige Rolle spielt hierbei sicherlich der über Jahrzehnte vorherrschende Iodmangel in der Vergangenheit.

Sinnvolle Entscheidungen in der Stufendiagnostik von Patienten mit Schilddrüsenknoten zu treffen, stellt einen wichtigen Teil der ärztlichen Arbeit im Bereich der Thyreologie dar. Es gilt, sich sicher auf dem schmalen Grat zwischen der Furcht vor dem Übersehen von interventionsbedürftigen Knoten durch „zu wenig Diagnostik“ und der Überdiagnostik zu bewegen. Nicht ausreichende Diagnostik wird juristisch als Befunderhebungsmangel bezeichnet und hat als Konsequenz eine Beweislastumkehr zur Folge. Dies bedeutet, dass der verantwortliche Arzt in diesen Fällen beweisen muss, dass es durch sein Vorgehen nicht zu einer Schädigung des Patienten gekommen ist – was in der Praxis häufig sehr schwierig ist. Auf der anderen Seite steht die Überdiagnostik mit – im Falle der Szintigrafie – überflüssiger Strahlenexposition und auch der Verursachung von unnötigen Kosten. In diesem Feld muss der Thyreologe für jeden Patienten die richtige Entscheidung treffen und hierbei sowohl gültige Leitlinien als auch die eigene klinische Erfahrung berücksichtigen. Mit den grundsätzlichen juristischen Aspekten ärztlichen Handelns befasst sich der Beitrag von Peter Thurn, wobei er detailliert auf Diagnostik und Therapie von Schilddrüsenerkrankungen eingeht.

Dagmar Führer und Koautoren geben einen Überblick über die molekulare Pathogenese von Schilddrüsenknoten und ihre Bedeutung für die klinische Versorgung, v. a. in Bezug auf die prognostische Einschätzung des Krankheitsverlaufs und die Entwicklung zielgerichteter Therapien.

Aktuelle Daten gibt es sowohl zu „etablierten“ diagnostischen Verfahren wie Sonografie, Szintigrafie, Serumdiagnostik und Zytologie, als auch zu neueren Methoden wie der Elastografie. In der Sonografie spielt zunehmend eine Standardisierung der Befundung eine Rolle – in diesem Zusammenhang ist das international gebräuchliche thyroid imaging and reporting systems (TIRADS) zu nennen. Daniela Schmidt stellt den klinischen Einsatz von Sonografie und Doppler-Sonografie mit besonderem Hinblick darauf dar, wie Knoten identifiziert werden können, die einer weiteren Abklärung bedürfen. Mit der Elastografie befasst sich der Beitrag von Jörg Bojunga. Sowohl die qualitative Strain-Elastografie als auch die quantitative Shear-wave-Elastografie kann in der Risikostratifizierung sinnvoll eingesetzt werden, wobei in den vorliegenden Studien v. a. papilläre und medulläre Schilddrüsenkarzinome untersucht worden waren. Neben der „Funktionsszintigrafie“ mit Tc-99 m-Pertechnetat oder Iod-123 spielt zunehmend auch die MIBI-Szintigrafie in der Abklärung von Schilddrüsenknoten eine Rolle, welche in Zusammenschau mit der Funktionsszintigrafie (Match-Befund) einen sehr hohen negativen prädiktiven Wert von > 95% besitzt. Matthias Schmidt gibt einen Überblick über die aktuelle Datenlage – nach der Lektüre des Beitrags ist eine Selbstkontrolle vorgesehen (CME-Beitrag).

Mit aktuellen Verfahren der zytologischen und histologischen Begutachtung befasst sich der Beitrag von Kurt Werner Schmid und Koautoren. Besonderer Wert wird hier auf histologische Differenzialdiagnosen bei der Untersuchung von Schilddrüsenknoten und die Befund-Klassifikation der Schilddrüsenzytologie gelegt. Molekulare Marker spielen sowohl bei der zytologischen Diagnostik als auch bei der Therapieplanung im Hinblick auf die prognostische Einschätzung eine zunehmende Rolle. Thomas Musholt und Koautoren geben einen Überblick über den neuesten Stand des molekulargenetischen Profiling von Feinnadelbiopsaten und die Qualität der aktuell angebotenen Testverfahren. Besonders wird auf die Bedeutung der BRAF V600E-Mutation beim papillären Schilddrüsenkarzinom eingegangen.

Der therapeutische Teil beginnt „konservativ“ mit der medikamentösen Therapie. In dem Beitrag von Michael Derwahl werden insbesondere die Daten der deutschlandweiten LISA-Studie präsentiert, welche eine Überlegenheit der Iod-/Thyroxinkombination gegenüber einer reinen Monotherapie mit Thyroxin gezeigt hatte. Moderne Konzepte der Radioiodtherapie und praktische Aspekte der Vorbereitung und Durchführung der Behandlung werden in der Arbeit von Andreas Pfestroff und Markus Luster beschrieben. Operative Standards, die zu einer deutlichen Senkung der postoperativen Risiken nach eine Schilddrüsenoperation geführt haben, werden detailliert vorgestellt. Der Beitrag von Peter Goretzki und Koautoren beschäftigt sich neben der Beschreibung der operativen Strategien in besonderer Weise mit der Risikostratifizierung suspekter Knoten anhand moderner diagnostischer Verfahren aus Sicht der Chirurgie. Die Thermoablation, welche für andere Organe bereits eine längere Tradition hat, erlebt aktuell einen deutlichen Schub in der Therapie von Schilddrüsenknoten. In dem Beitrag von Hüdayi Korkusuz werden die wichtigsten Verfahren wie Radiofrequenzablation, Mikrowellentherapie und hochfrequente Ultraschallbehandlung mit ihren jeweiligen Indikationsgebieten vorgestellt.

Ich danke allen Autorinnen und Autoren, die allesamt national und international ausgewiesene Expertinnen und Experten auf ihrem Gebiet sind, dass sie an diesem Heft mitgewirkt haben. Wichtig aus Sicht der Herausgeber ist – wie immer – der Praxisbezug der Beiträge und ich denke, das ist bei allen Manuskripten für dieses Heft hervorragend gelungen.

Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen und Erkenntnisgewinn für die klinische Arbeit bei der Lektüre der Beiträge und würde mich über Rückmeldungen und Diskussionsbeiträge freuen, wenn Sie etwas „anders sehen“ als die Autorinnen oder Autoren.