neuroreha 2016; 08(01): 7-8
DOI: 10.1055/s-0042-101149
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Ambulantes Taubʼsches Armtraining nach Schlaganfall (HOMECIMT)

Jan Mehrholz
1   Private Europäische Medizinische Akademie der Klinik Bavaria in Kreischa GmbH, An der Wolfsschlucht 1–2; 01731 Kreischa
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Publication History

Publication Date:
18 March 2016 (online)

Zusammenfassung der Studie

Ziele

Ziel der Studie war es, die Machbarkeit und Effektivität eines ambulanten Taub‘schen Armtrainings nach Schlaganfall (HOMECIMT, Home Constraint-Induced Movement Therapy) zu evaluieren.


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Methodik

Design Clusterblock-randomisierte kontrollierte Studie, das heißt, per Losverfahren wurden nicht einzelne Patienten, sondern einzelne Praxen in Blöcken randomisiert in Experimental- (37 HOMECIMT) bzw. Kontrollgruppen (34 Standard) eingeteilt.

Ein- und Ausschlusskriterien Eingeschlossen wurden Patienten mit mindestens sechs Monate zurückliegendem Schlaganfall, die leichte bis moderate Einschränkungen und zumindest minimale Restfunktionen der oberen Extremität hatten (mindestens 10 ° aktive Handgelenkextension, mindestens 10 ° aktive Daumenabduktion oder -extension und 10 ° Extensionsfähigkeit von zwei zusätzlichen Fingern). Alle Patienten waren mindestens 18 Jahre alt und wurden zur Physio- bzw. Ergotherapie überwiesen (ärztliches Therapierezept). Außerdem hatten alle Patienten einen „Betreuer“ (z. B. Familienmitglied), der als Anleiter in der Studie befähigt wurde.

Ausgeschlossen wurden Patienten mit schweren Kommunikationsstörungen, bei fehlender Einverständniserklärung, schweren neurokognitiven Defiziten (< 23 Punkte im Mini-Mental State Examination), lebensbedrohliche Komorbiditäten, palliativ Versorgte und Patienten, die bereits ein solches Training zuvor erhalten hatten.

Interventionen In Experimental- bzw. Kontrollgruppen:

  • HOMECIMT: Diese Gruppe wurde zu Hause behandelt. Patienten erhielten zwei Hausbesuche (50–60 Minuten) in der ersten Woche und drei Hausbesuche (50–60 Minuten) in den darauffolgenden drei Wochen durch einen Ergo- oder Physiotherapeuten. Während des ersten und zweiten Hausbesuchs erhielten sie Information und Instruktionen zu den grundlegenden Prinzipien des HOMECIMT (inklusive Behandlungsvertrag). Es wurden gemeinsam Ziele vereinbart (Goal Attainment Scale). Patienten wurden angelernt, den nicht betroffenen Arm mittels Handschuh zu immobilisieren. Es wurden Verantwortlichkeiten des Betreuers geklärt und alltagsrelevante und individuell entsprechend adaptierte Übungen (10–15 verschiedene pro Woche) ausprobiert. Die letzten drei Hausbesuche wurden vor allem zur Überprüfung bzw. Kontrolle der Therapie und ggf. Anpassung bei Fragen oder Problemen genutzt. Dem Patienten wurde empfohlen, zusammen mit dem Betreuer die Übungen zwei Stunden jeden Werktag auszuführen (insgesamt 40 Stunden in 20 Tagen). Der nicht betroffene Arm wurde währenddessen durch den Handschuh immobilisiert. Zusätzlich wurde der Patient instruiert, die Immobilisation auch zwei Stunden außerhalb der Therapie im Handschuh zu immobilisieren und den betroffenen Arm so viel wie möglich im Alltag einzusetzen.

  • Standardtherapie: Diese Gruppe wurde zu Hause oder in der Praxis behandelt. Patienten bekamen zehn Behandlungen à 25–30 Minuten oder fünf Behandlungen à 50–60 Minuten innerhalb von vier Wochen durch einen Ergo- oder Physiotherapeuten. Die Autoren geben an, dass in dieser Gruppe „gewöhnliche“ Therapien und unter anderem folgende Techniken angewandt wurden: Bobath, Perfetti, PNF (Propriozeptive neuromuskuläre Fazilitation), Affolter, Apparatetherapie, funktionelles Training, Massage und Weichteilbehandlungen. Die Therapieauswahl wurde nach individuellen Gesichtspunkten, Befunden und Erfahrungen vorgenommen. Es konnten Zusatzübungen/-aufgaben gegeben werden, jedoch sollte keine Immobilisation des betroffenen Arms wie in HOMECIMT vorgenommen werden.

Messungen Primäre abhängige Variable waren die patientenseitig (selbst) eingeschätzte Bewegungsqualität im Motor Activity Log (MAL-QoM, Skala von 0–5) und die Bewegungszeit im Wolf Motor Function Test (WMFT-PT; 0–120 s) nach vierwöchiger Behandlung.

Sekundäre abhängige Variable waren die patientenseitig (selbst) eingeschätzte Nutzung des betroffenen Arms (MAL-AOU) und (abermals) die patientenseitig (selbst) eingeschätzte Bewegungsqualität im Motor Activity Log und (abermals) die Bewegungszeit im Wolf Motor Function Test nach vier Wochen, drei und sechs Monaten.

Außerdem wurden die Punktzahl im WMFT, die Punktzahl im Nine Hole Peg Test (NHPT) und die Handfunktion gemessen mit der Stroke Impact Scale (SIS), die Barthel-Punktzahl und die sogenannte Instrumental Activities of Daily Living nach vier Wochen, drei und sechs Monaten erhoben.


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Ergebnisse

Insgesamt wurden 71 Praxen randomisiert und 85 Patienten in der HOMECIMT sowie 71 Patienten in der Standardgruppe eingeschlossen und ausgewertet.

Als Ergebnis zeigten sich für die primäre abhängige Variable, selbst eingeschätzte Bewegungsqualität im MAL-QoM, Gruppenunterschiede (0,26 Punkte auf einer Skala von 0–5 zugunsten HOMECIMT). Jedoch keine Gruppenunterschiede für die primäre Variable Bewegungszeit im WMFT-PT nach vierwöchiger Behandlung.

Für die sekundären abhängigen Variablen gab es lediglich für die eingeschätzte Nutzung des betroffenen Armes (MAL-AOU) und den MAL-QoM signifikante Vorteile zugunsten HOMECIMT. Für keine der anderen Variablen ergaben sich im Studienverlauf signifikante Gruppenunterschiede.

Die Gruppenunterschiede im MAL-AOU betrugen nach 4 Wochen 0,28 Punkte, nach 3 Monaten 0,29 Punkte und nach 6 Monaten 0,18 Punkte Differenz zwischen den Gruppen

Die Gruppenunterschiede im MAL-QoM betrugen nach 4 Wochen 0,21 Punkte, nach 3 Monaten 0,20 Punkte und nach 6 Monaten 0,21 Punkte.


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Schlussfolgerung

Die Autoren schlussfolgern, dass für chronische Patienten nach Schlaganfall HOMECIMT die Alltagsnutzung, jedoch nicht die motorische Funktion des betroffenen Armes im Vergleich zur Standardbehandlung effektiv verbessert.


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  • 1 Barzel A, Ketels G, Stark A et al. Home-based constraint-induced movement therapy for patients with upper limb dysfunction after stroke (HOMECIMT): A cluster-randomised, controlled trial. Lancet Neurol 2015; 14 (9) 893-902