PPH 2016; 22(02): 112
DOI: 10.1055/s-0042-100668
Rund um die Psychiatrie
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
22. März 2016 (online)

Hintergrund: Die Betreuung und Pflege von Menschen mit Schizophrenie (ICD-10) findet oftmals im häuslichen Umfeld statt. Sie werden von Familienangehörigen betreut und unterstützt. Dies kann zu Belastungen führen. Der bisherige Forschungsstand gibt überwiegend Auskunft über die Belastungssituation der Mütter jedoch weniger über das Empfinden anderer Familienmitglieder.

Methode: In dieser Studie wurden die Dimensionen „Spannung“, „Beaufsichtigung“, „Sorge“, „Motivation“ sowie die Unterscheidungsmerkmale der Belastung zwischen Müttern und Vätern analysiert. Für das Untersuchungsfeld war der Familienbezug zwischen beiden Elternteilen sowie dem erkrankten Nachkommen zwingend.

Zur Erreichung der Stichprobengröße wurden ambulante, tagesklinische sowie stationäre psychiatrische Einrichtungen in Österreich „gescannt“ und Menschen mit Schizophrenie sowie deren Angehörige zur freiwilligen Studienteilnahme angefragt. Insgesamt wurden jeweils 101 Mütter, Väter und Menschen mit Schizophrenie in die Studie eingeschlossen.

Der Umfang der Betreuung durch die Eltern wurde quantitativ mit dem „Involvement Evaluation Questionnaire“ (IEQ; Info) erhoben. Die deutsche Version des Fragebogens umfasst 29 Items. Durch semistrukturierte Interviews mit dem „Carer´s Needs Assessment for Schizophrenia“ (CNA-S) wurden notwendige unterstützende Interventionen für beide Elternteile sowie deren Erfüllungsgrad untersucht.

Zur Erfassung der Krankheitssymptomatik wurde die „Positive and Negative Syndrome Scale“ (PANSS) mit 30 Items verwendet.

Ergebnisse: Der an Schizophrenie erkrankte Mensch wird signifikant häufiger von der Mutter als von dem Vater „motiviert“. Dabei kommt es zu mehr Spannungen. Kein Unterschied in der Wahrnehmung wurde zu den Dimensionen „Beaufsichtigung“ und „Sorge“ festgestellt. Mängel im familiären Unterstützungsangebot für Angehörige führen zu negativen Auswirkungen für beide Elternteile.

Fazit: Die Belastung von Müttern und Vätern bei der Versorgung von Menschen mit Schizophrenie wird im familiären Umfeld unterschiedlich wahrgenommen. Deshalb sollten deren Hilfeangebote im klinischen Alltag individuell angepasst werden. Dazu gehört die umfassende Einbindung der Eltern und Angehörigen in die Versorgungsplanung.

Jörg Kußmaul

Beschreibung des Instruments [1]

Die Items des IEQ-EU beziehen sich auf die Ermutigung und Unterstützung, die dem psychisch erkrankten Menschen zuteilwerden, die persönlichen Probleme zwischen dem psychisch Kranken und dem betreuenden Angehörigen, die Sorgen des Angehörigen und dessen Coping-Verhalten sowie auf die subjektive Belastung des Angehörigen.

Erfragt wird die Belastung des Angehörigen innerhalb der letzten vier Wochen. Sie wird mittels fünfstufiger Likert-Skalen (zum Beispiel: nie, gelegentlich, regelmäßig, oft, immer) erhoben. Hier geht es immer darum, wie häufig der Angehörige eine bestimmte Aufgabe wahrgenommen hat.

Die Items können in den folgenden vier Subskalen zusammengefasst werden:

  • Spannung (Tension): Diese Skala bezieht sich auf die angespannte Beziehung zwischen Patienten und Angehörigem.

  • Kontrolle (Supervision): Diese Skala bezieht sich auf die Kontrollaufgaben des Angehörigen (Kontrolle über die Einnahme der Medikamente, Kontrolle des Schlafs der Patienten, Kontrolle gefährlichen Verhaltens).

  • Sorge (Worrying): Diese Skala bezieht sich auf Sorgen, die sich der Angehörige über die Sicherheit des Patienten macht, Sorgen über die Zukunft des Patienten, Gesundheit des Patienten und Sorge über die Hilfe, die der Angehörige erhält.

  • Drängen (Urging): Diese Skala bezieht sich auf die Aktivierung und Motivation des Patienten, zum Beispiel den Patienten motivieren für sich selbst zu sorgen, genug zu essen oder etwas zu unternehmen.

 
    • Literatur

    • 1 Bernert S, Kilian R, Matschinger H et al. Die Erfassung der Belastung der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen. Die deutsche Version des Involvement Evaluation Questionnaires (IEQ-EU). The Assessment of Burden on Relatives of Mentally Ill People: The German Version of the Involvement Evaluation Questionnaire (IEQ-EU) Psychiat Prax 2001; 28: 97-101 DOI: 10.1055/s-2001–17792